Die Anzahl der Angriffe auf Frauen nimmt zu, da sich immer mehr Frauen weigern, die traditionelle Rolle der Mutter und Ehefrau zu übernehmen, und sich dabei auf die erdrückenden Bedingungen berufen, die das traditionelle patriarchalische System Südkoreas vorgibt.
Ende März hat die südkoreanische Regierung ihre Strategie zur Steigerung der Geburtenrate vorgestellt. Das asiatische Land hat mit 0,79 Geburten pro Frau im Jahr 2022 die niedrigste Fruchtbarkeitsrate der Welt. Diese Zahl liegt weit unter den 2,1 Geburten, die für den Erhalt der Bevölkerung eines Landes erforderlich sind.
Wie in den vergangenen Jahren plant die koreanische Regierung, bis zu 200 Milliarden Dollar in Förderprogramme zu investieren, die laut Präsident Yoon Suk Yeol „von den Südkoreanerinnen und Südkoreanern direkt wahrgenommen werden können“. Auch wenn mit dem Geld Aspekte wie bessere Bildung und Zuschüsse zur Kinderbetreuung unterstützt werden sollen, übersieht die Politik die eigentliche Ursache des Problems, die nichts mit der Fruchtbarkeit zu tun hat.
Eine im Jahr 2022 von der Sisa Times durchgeführte Umfrage ergab, dass 68 % der jungen koreanischen Männer und 54 % der Frauen keine Kinder haben wollen. Dies ist vor allem auf gesellschaftliche Belastungen zurückzuführen, die alle jungen Menschen in ähnlicher Weise betreffen, wie z. B. teurer Wohnraum, anstrengende Arbeitszeiten und teure Kindererziehung. Für Frauen kommt jedoch noch ein weiterer entscheidender Faktor hinzu: das patriarchalische System, das strenge Maßstäbe dafür anlegt, was es bedeutet, eine Familie zu haben.
Vor allem die 4B-Feminismus-Bewegung hat immer wieder mit ihrem Motto Schlagzeilen gemacht: keine Verabredungen (biyeonae), keine Heirat (bihon), kein Sex (bisekseu) und keine Kindererziehung (bichulsan). Und obwohl nicht alle koreanischen Frauen für alle vier Punkte stehen, ist bihon für viele zur Philosophie geworden.
In der koreanischen Gesellschaft gelten für Männer und Frauen bestimmte Normen für Verhalten, Kleidung und Aussehen. Für Frauen wird dieser Druck nicht nur in ihrem äußeren Leben – am Arbeitsplatz und an der Universität – deutlich, wo sie tadellos aussehen müssen, sondern auch in ihrem Privatleben.
Wenn sie sich entscheiden, eine Familie zu gründen, müssen Frauen alles tun: sich um die Kinder kümmern, den Haushalt führen, emotionale Unterstützung bieten und die besten Schulen finden. Aber angesichts der erdrückenden Situation müssen sie auch einen wirtschaftlichen Beitrag leisten. In Südkorea ist die Kluft zwischen den Geschlechtern in Bezug auf die Zeit, die für die Hausarbeit aufgewendet wird, eine der größten unter den OECD-Ländern. Frauen verbringen 14,1 % ihres Tages mit Hausarbeit, während Männer nur 4,4 % damit verbringen. Dasselbe gilt für die Kinderbetreuung, für die Frauen 8 194 Stunden pro Jahr aufwenden, während ihre männlichen Partner 818 Stunden aufwenden.
Romy, eine 24-jährige Südkoreanerin, die derzeit in Seoul lebt, erklärt, dass die Umsetzung von bihon in ihrem Leben nicht bedeutet, dass sie „das andere Geschlecht hasst“ oder keine Kinder haben will, sondern vielmehr, dass sie von vornherein vermeidet, die perfekte Familie gründen zu müssen. Wie sie versucht ein großer Teil der weiblichen Bevölkerung, einen Mittelweg zu finden zwischen dem potenziellen Wunsch, eine Familie zu gründen, und der gleichzeitigen Weigerung, die auferlegten Bedingungen zu erfüllen.
Dieser Druck kommt vor allem von der älteren Generation, insbesondere von der Seite des Ehemanns. Ein anschauliches Beispiel sind die Chuseok-Feierlichkeiten, bei denen nur die Frauen für die Vorfahren ihres Mannes ein reichhaltiges Essen kochen müssen, während die Aufgabe des Mannes darin besteht, „einfach nur gemütlich zu sitzen“. Romy zufolge glauben viele junge Männer immer noch an diesen Brauch, der aus den Lehren ihrer Eltern und Großeltern stammt.
Dieser Druck auf die Frauen und die Skepsis gegenüber dem Feminismus kristallisierten sich bei den letzten Wahlen mit dem Aufstieg von Yoon Suk-yeol an die Macht heraus. Der derzeitige Präsident, der sich des demografischen Problems des Landes mehr als bewusst ist, hat den Diskurs gegen die Frauen gerichtet und den Feminismus als Hauptproblem verurteilt. Während seines Wahlkampfs bestand er darauf, das Gleichstellungsministerium und den Begriff der Gleichstellung der Geschlechter abzuschaffen, beides Dinge, die bereits in Arbeit sind.
Der Begriff „Feminismus“ ist in der südkoreanischen Gesellschaft relativ neu. Diejenigen, die offen ein Mindestmaß an Engagement für die Sache zeigen, werden öffentlich ausgegrenzt. „Feminismus wird als etwas sehr Schlechtes dargestellt“, bekräftigt Romy. Dies gilt umso mehr, als der Präsident die Schuld für das demografische Problem des Landes den Frauen zuschreibt.
Die Erklärung für den Trend in Südkorea liegt also in zwei Dingen. Ein Muster, das in westlichen Ländern zu beobachten ist, und ein patriarchalisches System, das Frauen unterdrückt. Während der erste Faktor mit wirtschaftlichen Maßnahmen angegangen werden kann, liegt der zweite in einem tieferen strukturellen Problem begründet.
In einem Interview mit der New York Times bekannte sich Frau Chung, Mitglied der früheren Regierung und zuständig für die Umkehrung des Trends bei den Geburtenraten, zu einem feministischen Ansatz, den sie auch heute noch vertritt. „Der Schwerpunkt sollte auf orientierten Aktionen und einem feministischen Ansatz liegen, um die Barrieren des Mutter- und Frauseins abzubauen“.
Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Anita Köbler vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!