Arbeiterkammer Wien (AK) und LobbyControl kritisieren den problematischen Einfluss durch das Regulatory Scrutiny Board (RSB) auf die EU-Gesetzgebung und fordern eine Entmachtung des Gremiums.

Das Regulatory Scrutiny Board (Ausschuss für Regulierungskontrolle) ist wenig bekannt, aber sehr mächtig und demokratiepolitisch höchst fragwürdig. Eine neue Studie im Auftrag von der Arbeiterkammer Wien (AK) und LobbyControl offenbart den erheblichen Einfluss, den das RSB auf die Gesetzgebung auf EU-Ebene hat.

Die Autorin Dr. Brigitte Pircher kommt darin zu dem Schluss, dass das RSB grundlegend überdacht werden muss. Kritisiert werden vor allem die Vetomacht, die hohe Intransparenz und die fragwürdigen Bewertungskriterien des Gremiums. Damit kann das RSB Gesetze verwässern und wichtige Vorhaben verzögern.

Immer wenn die EU-Kommission ein wichtiges Gesetz plant, prüft dieses Gremium, welche Auswirkungen die Kommission von dem Gesetz erwartet. Problematisch sind vor allem die Kriterien, die das RSB für seine Bewertung nutzt. Denn das Hauptaugenmerk des RSB liegt auf wirtschaftlichen Auswirkungen. Sind diese zu negativ, muss die Kommission ihre Bewertung überarbeiten. Reicht auch die Überarbeitung nicht aus, kann das RSB sogar ein Veto einlegen.

Damit hat das RSB zu einem frühen Zeitpunkt großen Einfluss auf die EU-Gesetzgebung und trägt dazu bei, dass darin die kurzfristigen Kosten für Unternehmen stärker berücksichtigt werden, als der langfristige Nutzen für die Gesellschaft.

Lieferkettengesetz verwässert

Wie stark Gesetzesvorhaben durch das RSB beeinflusst werden können, zeigt das Beispiel des Lieferkettengesetzes. Ziel des Rechtsvorschlags ist es, die Arbeitsbedingungen entlang der globalen Lieferkette zu verbessern, sowie das Ziel, den Klimawandel zu bremsen, zu unterstützen. Infolge der Vetos des RSB wurde der Anwendungsbereich des Gesetzes auf wenige Unternehmen begrenzt. Nur 0,2 Prozent der europäischen Unternehmen müssen sich an die neuen Regelungen halten. Die Blockade hat zu einer Verwässerung des Rechtsvorschlags auf Kosten von Beschäftigten, der Konsument:innen und der Umwelt geführt, kritisieren LobbyControl und AK Wien.

Equal Pay Directive wegen unzureichender Kosten-Nutzen-Analyse abgelehnt

Richtiggehend skurril mutet zudem die zweimalige Ablehnung des RSB hinsichtlich des Rechtsvorschlags zur Lohntransparenz (Equal Pay Directive) an. Unter anderem fehlten laut dem RSB Belege für die dargestellte Problematik und die Kosten-Nutzen-Analyse sei nicht ausreichend dargestellt gewesen. Dass das Gremium bei diesem gesellschaftspolitisch wichtigen Thema hauptsächlich mit wirtschaftspolitischen Sichtweisen arbeitet, spricht nicht für eine Ausgewogenheit bei diesem Gremium. Gerade bei diesem Thema ist zudem zu kritisieren, dass das RSB hauptsächlich mit Männern besetzt ist.

Bei anderen Rechtsakten wie dem Gesetzesvorschlag zur Kreislaufwirtschaft und dem Konsumentenrecht auf Reparatur wurde dem Europäischen Parlament kein Zugang zu den Dokumenten gewährt, die darstellen, warum das RSB eine negative Stellungnahme abgegeben hat. Eine kritische Auseinandersetzung wird so erschwert.

AK Experte Frank Ey kritisiert: „Ein beratendes Gremium darf keine Vetomacht über den Gesetzgeber haben! Mit dem Vetorecht greift das RSB ein, noch bevor der Gesetzgebungsprozess mit dem Rat und EU-Parlament überhaupt anfängt. Das ist völlig undemokratisch.“ Das RSB baut zudem auf dem Prinzip der „Besseren Rechtsetzung“ auf, das in den letzten Jahren wirtschaftspolitische Aspekte wesentlich stärker berücksichtigte als beispielsweise beschäftigungs- und umweltpolitische Belange. „Auch das stellt ein erhebliches Problem dar“, so der AK Experte: „Salopp gesagt fallen der RSB-Kontrolle immer wieder Regeln zum Opfer, die Unternehmen nicht passen. Die Philosophie der sogenannten „Besseren Rechtsetzung“ (Better Regulation Agenda), von der das RSB entstammt, macht oft den Eindruck eines Wunschkonzerts der Konzerne.“

Felix Duffy von Lobby Control kommentiert: „Gremien wie das RSB sollten maximal transparent arbeiten müssen und ihre Erkenntnisse umgehend veröffentlichen. Kontakte mit Lobbyist*innen müssen zudem detailliert nachvollziehbar sein.“ Duffy weiter: „Es ist skandalös, dass es in der EU ein intransparentes Beratungsgremium gibt, das mit Vetomacht ausgestattet dafür sorgt, dass neue Gesetze möglichst wenig Auswirkungen auf die Unternehmen haben. Dieser Missstand hat in der Vergangenheit viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommen. Mit der Studie wollen wir wachrütteln und uns dafür einsetzen, dass das RSB entmachtet wird.“

Hintergrund

Zur Studie: The EU’s Commission Regulatory Scrutiny Board: Better regulation or biased influence on legislation? (März 2023)
Zur Autorin: Dr. Brigitte Pircher
Auftraggeber: AK Wien und LobbyControl