Am 01. Juni 2023 ist internationaler Tag der Milch. Allein im Jahr 2022 wurden laut Statista in Deutschland rund 2,1 Millionen Tonnen Vollmilch verbraucht. Damit war der Konsum im Vergleich zum Vorjahr leicht rückläufig. Doch trotz dieser Tendenz sind diese Konsumzahlen aus Sicht der internationalen Tierschutzstiftung VIER PFOTEN noch viel zu hoch.
Die Tierschutz-Probleme mit Milch
Die Milcherzeugung steht für viele Tierschutzprobleme: Diese reichen von Qualzucht über die Trennung von Kuh und Kalb direkt nach der Geburt bis hin zu langen Transporten von Kälbchen und deren späterer Mast in engen Vollspaltenbuchten. Auch die immer noch bei Kühen betriebene Anbindehaltung ist für die Tiere eine Qual. Zwar soll diese Haltung bei der anstehenden Novellierung des Tierschutzgesetzes eingeschränkt, aber immer noch nicht abgeschafft werden. VIER PFOTEN informiert, welche Milchprodukte für mehr Tierschutz stehen, warum auch Bio-Milch für Tierleid sorgen kann und welche Alternativen es für Verbraucher:innen gibt.
„Viele Verbraucherinnen und Verbraucher kennen die Tierschutzprobleme der Milchproduktion nicht. Kühe können nur Milch geben, wenn sie Nachwuchs bekommen. Deswegen leiden nicht nur die Kühe, sondern auch die dabei zuhauf ‚produzierten‘ Kälber, für die es oft keinen Markt gibt. Sie werden von ihren Muttertieren getrennt und auf lange Tiertransporte geschickt. Wenn die Muttertiere nach durchschnittlich knapp drei Jahren der ‚Nutzung‘ ausgelaugt sind, krank werden oder nicht mehr genug Milch geben, werden sie geschlachtet. Der romantische Hof mit glücklichen Kühen auf der Weide ist nicht die Regel. In der Realität leiden Millionen von Kühen unter Krankheiten, deren Ursache oft in schlechter Haltung, unzureichendem Management oder körperlicher Überforderung aufgrund von zu hoher Milchleistung liegt“, so Dr. Nora Irrgang, Expertin für Tiere in der Landwirtschaft bei VIER PFOTEN.
Entzündete Euter, zu kleine Ställe, Anbindehaltung
Die Überzüchtung auf extrem hohe Milchmengen und riesige Euter führt bei Milchkühen zu großen Gesundheitsproblemen: Dazu gehören vor allem Euterentzündungen, Stoffwechselerkrankungen und Lahmheiten. Auch die schmerzhafte Enthornung von wenige Tage alten Kälber mit einem heißen Brennstab ohne lokale Betäubung ist Standard in deutschen Milchbetrieben. Für viele Kühe in Deutschland ist ein Leben in so genannten Laufställen oder – sogar noch schlimmer – in dauerhafter Anbindehaltung traurige Realität. Nur eine Minderheit deutscher Milchkühe hat im Sommer Zugang zu Weiden. 2020 standen noch über eine Million Kühe in Anbindehaltung – und hatten keine Möglichkeit sich zu bewegen. Die mentalen und gesundheitlichen Folgen der Anbindehaltung sind für die Tiere dramatisch: Jegliche Fortbewegung und Erkundungsverhalten sind unmöglich und die Tiere können kein Sozialverhalten ausüben. Die Bewegungseinschränkungen und das Liegen in oft zu engen Ständen ohne Einstreu führen zu vermehrten Schäden an Sprung- und Kniegelenken, zum Beispiel Schleimbeutelentzündungen oder Abszesse.
Das Leid der Kälber
Damit das Kalb nicht die Milch der Mutter trinkt, werden die beiden gleich nach der Geburt voneinander getrennt. Dies verhindert, dass sich eine natürliche enge Mutter-Kind-Beziehung entwickeln kann. Da die Kälber ohne Mutter aufwachsen müssen, leiden sie unter der fehlenden mütterlichen Fürsorge und die Mütter leiden darunter, dass man ihnen ihre Kälber wegnimmt. Männliche Kälber können weder Milch geben, noch eignen sich die männlichen Kälber der Hochleistungs-Milchrassen zur Mast. Deswegen werden sie meist im Alter von zwei Wochen und damit viel zu jung verkauft.
Das gleiche Schicksal ereilt der Anteil weiblicher Kälber, der nicht zur Nachzucht verwendet wird. Da diese Tiere auf dem deutschen Markt niemand will, gehen die Transporte oft ins Ausland. Obwohl die Kälber noch auf Milch angewiesen sind, werden sie auf grenzüberschreitende, bis zu 20 Stunden dauernde Transporte geschickt, ohne dass sie mit altersgerechter Flüssignahrung versorgt werden können. Sie leiden unter Durst und Hunger. Viele von ihnen sterben auf der langen Reise oder in den Tagen nach der Ankunft aufgrund der Strapazen. Da das Immunsystem der Kälber in diesem Alter noch nicht ausgebildet ist, werden diese Tiere so gut wie immer mit Antibiotika behandelt. Das fördert die Bildung von resistenten Keimen, die auch Menschen das Leben kosten können. Denn je mehr Antibiotika in der Tierhaltung verabreicht werden, desto eher bilden sich Resistenzen gegen diese Medikamente und machen diese dann unwirksam.
Darauf beim Kauf von Milchprodukten achten
Wer nicht auf Milchprodukte verzichten, aber etwas für die Tiere tun möchte, sollte auf Bio- und Weidemilch zurückgreifen. Kühe haben in Biohaltung mehr Platz im Stall, Auslauf außerhalb des Stalls und im Sommer meist auch Zugang zur Weide. Wollen Verbraucher:innen bei konventioneller Milch sichergehen, dass die Kühe nicht ihr ganzes Leben in einem Stall verbracht haben, können diese zu „Weidemilch-Labeln“ greifen. Diese garantieren zumindest saisonalen Weidegang.
Auch Bio-Milch kann Tierleid verursachen
Doch Vorsicht: Weder die EU-Bio-Richtlinien noch die Vorgaben von Weidemilch-Labeln verbieten, ein Kalb direkt nach der Geburt von der Mutter zu trennen und es in einen konventionellen Maststall mit Vollspaltenbuchten ohne jeglichen Auslauf zu verkaufen. Auch das Enthornen ist bei Weidemilch und Bio nicht verboten – zwar darf es bei Bio nicht routinemäßig erfolgen, doch es wird trotzdem sehr häufig durchgeführt. Nur die Verbände Demeter und Verbund Ökohöfe verbieten das Enthornen grundsätzlich. Bei Bioland, Biokreis und Gäa ist beim Enthornen die Betäubung und Schmerzbehandlung vorgeschrieben.
Auch Anbindehaltung ist bei den meisten Bio-Labeln nicht komplett verboten, sondern in Einzelfällen bei Kleinbetrieben in Kombination mit Weidegang und regelmäßigem Auslauf in der Stallsaison möglich. Ausnahmen mit komplettem Verbot sind Biopark, Ecoland und Verbund Ökohöfe. Bei Bioland und Gäa gilt das ausnahmslose Verbot einer Anbindung von Jungrindern unter einem Jahr. Dass sich hinter Biomilch eine permanente und lebenslange Anbindehaltung verbirgt, wie es zum Beispiel bei konventioneller Milch vor allem aus Bayern oder Baden Württemberg noch der Fall sein kann (etwa bei den Molkereien Bauer und Zott), ist nach Biorichtlinien allerdings nicht möglich.
Muttergebundene Kälberaufzucht
Beste Alternative bei Milchprodukten ist aus Tierschutzsicht die muttergebundene Kälberaufzucht, bei der die Kälber sozialen Kontakt zu ihrer Mutter haben. Diese Praxis ist allerdings noch sehr selten und einige Betriebe lassen die Kälber auch nur wenige Wochen und nur zeitweise zur Mutter oder lassen die Kälber bei einer Ammenkuh saugen. Die Initiative Brudertier Deutschland engagiert sich dafür, solchen Produkten am Markt ein Label zu geben. Damit können Betriebe unterstützt werden, die ihre Kälber auf dem eigenen Hof zusammen mit der Mutter aufzuziehen wollen.
Die beste Wahl für Tierschutz: pflanzliche Alternativen
Wer Tiere nicht leiden lassen will, greift auf pflanzliche Alternativen zurück: Diese werden in Deutschland immer beliebter.
Forderungen von VIER PFOTEN
- Etablierung tiergerechter, gesetzlicher Mindeststandards für die Haltung von Rindern über sechs Monate (wie z.B. weiche Einstreu, mehr Platz, Auslauf im Freien, Weidezugang)
- Dabei sollten Stallsysteme zum Standard gemacht werden, die sich für behornte Rinder eignen, so dass Enthornung konsequent verboten werden kann
- Verbot des Transports von nicht abgesetzten Kälbern bis zu einem Alter von drei Monaten
- Verbot von Anbindehaltung
- Verbot des Einsatzes von Hochleistungsrassen, welche zuchtbedingt zu vermehrten Gesundheitsproblemen neigen
- Förderung von Muttergebundener Kälberaufzucht
- Tiergerechte Haltungsstandards für Kälber (wie z.B. Gruppenhaltung, weiche Einstreu, viel Platz, Auslauf im Freien)
Weitere Informationen zur muttergebundenen Kälberaufzucht finden Sie hier.
Eine Liste ausgewählter Betriebe mit muttergebundener Kälberaufzucht finden Sie in diesem Positionspapier auf Seite 11.