Juan Guaidó befürwortet weiterhin die Bestrafung des venezolanischen Volkes durch wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen der USA. Kürzlich nach Washington DC verfrachtet, plädierte der ehemalige „Interimspräsident“ Venezuelas: „Man kann keinen freundlichen oder sanften Ansatz verfolgen“, wie z. B. das Leiden zu lindern, weil dies „die Diktatur normalisieren“ würde.
Von Roger D. Harris
Guaidó wurde am 3. Mai per Livestream aus dem halbstaatlichen Wilson Center übertragen. Das Wilson Center befindet sich im Ronald Reagan Building in Washington DC und ist eine vom US-Kongress gegründete Denkfabrik, die im Dienste des US-Imperiums „Forschung betreibt, um die öffentliche Politik zu informieren“.
Der ehemalige US-Botschafter in Venezuela, William Brownfield, eröffnete die Veranstaltung mit Bemerkungen über die Notwendigkeit, die Regierung des venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro zu „zwingen“. Dann stellte der Leiter des Wilson Center, Mark Green, unterwürfig Guaidó vor. Bevor er das Wilson Center leitete, war Green geschäftsführender Direktor des McCain-Instituts und davor Verwalter der USAID, beides Aushängeschilder der CIA.
Das Programm des Wilson Centers wurde von pro-venezolanischen Regierungsdemonstranten unterbrochen, die Guaidó beschuldigten, ein Dieb und Betrüger zu sein. Obwohl der Livestream geschwärzt war, wurde dieses Video der Aktion auf Twitter gepostet.
In einer inszenierten Fragerunde fragte ein mit Guaidó befreundeter Venezolaner, warum sein Putschversuch am 30. April 2019 gescheitert sei. Guaidó gab wahrheitsgemäß zu, dass der Regimewechsel weder von den venezolanischen Massen noch vom Militär unterstützt wurde. In einer möglichen Anspielung auf das Scheitern einer militärischen Intervention der USA in Venezuela – ein von Donald Trump ins Spiel gebrachtes Vorhaben – beklagte sich Guaidó über unzureichenden „internationalen Druck“.
Weit davon entfernt, sich für das venezolanische Volk einzusetzen, beschwor Guaidó die US-Regierung leidenschaftlich, das Instrument der Sanktionen zu „verbessern“. Er mahnte, dass eine Lockerung des Wirtschaftskriegs gegen seine Mitbürger nur „die Diktatur fördern“ würde. Damit man ihn nicht für einen Weichling des Sozialismus hält, verkündete er: „Die Venezolaner glauben an die Privatwirtschaft!“
Guaidó sprach sich auch dagegen aus, Russland oder China den Zugang zum amerikanischen Kontinent zu gestatten, und forderte den Sturz der anderen „Diktaturen“ in Kuba und Nicaragua. Er fügte hinzu: „Wir müssen viel mehr Druck auf autoritäre Regime ausüben.“
Der Aufstieg und Fall des „Interimspräsidenten“
Wie der unglückliche Möchtegern-Präsident nach Washington kam, ist eine verworrene Geschichte. Er hatte sich zu Fuß illegal nach Kolumbien eingeschlichen, um eine vom kolumbianischen Präsidenten Petro einberufene internationale Konferenz über Venezuela zu stören. Aber die Kolumbianer wollten sich nicht auf ihrem Boden blamieren. Nachdem sie ihn mit Hilfe von US-Agenten ausfindig gemacht hatten, wurde er am 25. April in ein Flugzeug nach Miami verfrachtet.
In den USA angekommen und von der Washington Post interviewt, beklagte sich Guaidó über den „Druck“ eines US-Beamten, der ihn zum Verlassen Kolumbiens drängte, und über „Abschiebungsdrohungen“ seitens der kolumbianischen Regierung. Bei der Veranstaltung im Wilson Center wetterte er weiter gegen die kolumbianische Regierung wegen ihrer angeblichen Unterstützung der venezolanischen „Diktatur“.
Das war nicht die einzige Demütigung, über die Guaidó zu klagen hatte. Seine eigene rechtsextreme Koalition in Venezuela hatte ihn im vergangenen Dezember fallen gelassen. Am 5. Januar, dem Ende seiner Amtszeit in der Nationalversammlung, erkannten nicht einmal die USA seine „Interimspräsidentschaft“ weiterhin an.
In der Tat hatte der US-Sicherheitsberater einen langen Weg hinter sich. Im Januar 2019 war er Umfragen zufolge über 80 % der venezolanischen Bevölkerung unbekannt. Er war Vorsitzender der Nationalversammlung geworden, als seine Partei nach dem Rotationsprinzip an der Reihe war, den Posten zu übernehmen.
Damit stand er in der venezolanischen Verfassung an dritter Stelle der Präsidentschaftskandidaten, ähnlich wie der derzeitige Sprecher des Repräsentantenhauses Kevin McCarthy in der US-Verfassung. Aber niemand würde behaupten, dass der Abgeordnete aus Bakersfield der rechtmäßige US-Präsident ist.
Das hielt US-Vizepräsident Pence jedoch nicht davon ab, vor vier Jahren Juan Guaidó anzurufen und ihn zu bitten, sich selbst zum Präsidenten von Venezuela zu ernennen. Am nächsten Tag tat Guaidó genau dies an einer Straßenecke in Caracas. Trump erkannte ihn sofort an, gefolgt von über 50 der kriecherischsten Verbündeten Washingtons.
Die USA behaupteten, die Wiederwahl von Nicolás Maduro im Jahr 2018 sei „illegitim“ gewesen und daher sei die Präsidentschaft Venezuelas „geräumt“. Diese Wahl wurde nach den „Regeln der Ordnung“ der USA nicht als „frei und fair“ angesehen, weil der Gewinner von den venezolanischen Wählern und nicht von Washington gewählt wurde. Dieses Urteil stand übrigens im Gegensatz zu der früheren Einschätzung des ehemaligen US-Präsidenten Jimmy Carter, der das Wahlsystem in Venezuela als „das beste der Welt“ bezeichnet hatte.
Wie das Wall Street Journal feststellte, ist das größte Hindernis für die USA, einen Präsidenten nach ihrem Geschmack zu installieren, die Tatsache, dass die Opposition in Aufruhr ist und es ihr an Unterstützung in der Bevölkerung fehlt. Ein weiteres Hindernis für eine von Washington befürwortete venezolanische Präsidentschaftswahl im Jahr 2024 besteht darin, dass bestimmte Personen von der Kandidatur ausgeschlossen wurden, weil sie an gewaltsamen Putschen gegen die gewählte Regierung beteiligt waren.
Eine solche verurteilte Person ist Leopoldo López. Der im Exil lebende Leopoldo López nahm zufällig an der Veranstaltung des Wilson Centers teil, zusammen mit seinen Parteifreunden und Guaidó-Verbündeten Freddy Guevara, David Smolansky, Carlos Vecchio und Pedro Burelli.
Hybride US-Kriegsführung gegen Venezuela
Der Mann, der geschworen hatte, „…auf der Straße zu bleiben, bis Venezuela befreit ist“, kämpft nicht mehr unter dem von ihm geförderten Sanktionsregime, sondern sitzt jetzt im bequemen DC. Sein Empfang war weitaus freundlicher als der, den er in seiner Heimat erlebte, wie dieses Video von seinem Besuch im Bundesstaat Sucre zeigt.
Die US-Maßnahmen, für die Guaidó jetzt eintritt, waren vorhersehbar und absichtlich für mehr als 100.000 Tote verantwortlich. Der vorherige US-Senat verabschiedete am 16. Dezember einstimmig das BOLIVAR-Gesetz, das eine Lockerung der Sanktionen ausschließt, selbst wenn das Weiße Haus unter Biden die Absicht hätte, seine Bemühungen um einen Regimewechsel aufzugeben, was nicht der Fall ist. Der Versuch des republikanischen Senators Rick Scott, das Gesetz im neuen Senat erneut zu verabschieden, ist jedoch gescheitert.
Im Gegensatz zu Guaidós Auftritten im Wilson Center und den Meinungen einiger anderer Oppositioneller drängte der neue offizielle Vertreter der venezolanischen Opposition in Washington, Fernando Blasi, Biden im vergangenen Monat zur Lockerung der Ölsanktionen. Kurz darauf traf der kolumbianische Präsident Petro mit US-Präsident Biden im Weißen Haus zusammen und brachte ein Einlenken der USA bei ihren Sanktionen ins Gespräch. Ende letzten Monats empfahlen die meisten Teilnehmer der von Petro geleiteten internationalen Konferenz über Venezuela die Freigabe der bei US-Banken eingefrorenen venezolanischen Guthaben.
Etwa zur gleichen Zeit räumte US-Finanzministerin Janet Yellen ein, dass die US-Sanktionen die Dominanz des US-Dollars gefährden könnten, weil die blockierten Länder eine Alternative suchen müssten: „Wenn wir Finanzsanktionen anwenden, die an die Rolle des Dollars geknüpft sind, besteht die Gefahr, dass sie mit der Zeit die Hegemonie des Dollars untergraben.“ Und der UN-Menschenrechtsrat verabschiedete eine Resolution, die einseitige Zwangsmaßnahmen ablehnt.
Unabhängig davon werden die USA die hybride Kriegsführung in absehbarer Zeit nicht aufgeben. Der jüngste Schlag gegen das venezolanische Volk ist die Genehmigung der US-Gerichte zur Versteigerung des milliardenschweren Unternehmens CITGO, dem größten Auslandsvermögen Venezuelas. Die internationale Solidarität Russlands, Chinas, des Irans und nichtstaatlicher Aktivisten stärkt den Widerstand Venezuelas.
Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Alina Kulik vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!
Roger D. Harris ist Mitglied der 1985 gegründeten Menschenrechtsgruppe Task Force on the Americas