Die Such- und Rettungsorganisationen SOS Humanity, Mission Lifeline und Sea-Eye klagen vor dem Zivilgericht in Rom gegen die systematische Politik der italienischen Behörden, entfernte Häfen zuzuweisen. Die italienischen Behörden wiesen der Humanity 1 Ravenna in Norditalien als Ausschiffungsort zu. Die Besatzung des nichtstaatlichen Rettungsschiffs rettete letzte Woche am frühen Morgen 69 Überlebende im zentralen Mittelmeer. Die Überfahrt in den weit entfernten Hafen von Ravenna würde die Überlebenden psychisch und physisch übermäßig belasten, betonte der Kapitän der Humanity 1. Außerdem widerspricht das Vorgehen der italienischen Behörden dem internationalen Seerecht und wird von den nichtstaatlichen Such- und Rettungsorganisationen vor Gericht angefochten werden.
Am 20. April, gegen 2 Uhr morgens, rettete die Besatzung der Humanity 1 in internationalen Gewässern vor der libyschen Küste 69 Menschen aus Seenot, darunter mehr als 15 unbegleitete Minderjährige. Der der Humanity 1 um 3:30 Uhr zugewiesene Ausschiffungshafen Ravenna ist mehr als 1.600 km von der Position des Schiffes zum Zeitpunkt der Rettung entfernt. Die lange Fahrt nach Ravenna, obwohl andere Häfen viel näher liegen, birgt die Gefahr, dass sich der Zustand der ohnehin schon gefährdeten Überlebenden weiter verschlechtert.
Der Kapitän der Humanity 1 ist sehr besorgt über das physische und psychische Wohlbefinden der Überlebenden an Bord des Rettungsschiffes. Er hat daher die zuständige italienische Rettungsleitstelle gebeten, die Entscheidung zu überdenken und der Humanity 1 stattdessen einen nahegelegenen sicheren Ort zuzuweisen, damit die 69 Überlebenden umgehend von Bord gehen können:
„Nicht nur der Ort der Ausschiffung muss für die Überlebenden sicher sein, sondern auch der Weg dorthin. Derzeit haben wir schweren Seegang mit starken Ostwinden. Eine 5-tägige Reise nach Ravenna würde 5 Tage bei rauem Wetter bedeuten, bis die geschwächten, seekranken Überlebenden an Land die bestmögliche medizinische Versorgung erhalten können. Eine Person war bereits bewusstlos, als wir sie retteten, und viele sind unterkühlt. Eine sichere Ausschiffung könnte stattdessen in einem süditalienischen Hafen gewährleistet werden, der in nur 1-2 Tagen erreicht werden könnte.“
SOS Humanity betont, dass die systematische Zuweisung entfernter Häfen durch die italienischen Behörden seit Dezember 2022 nicht im Einklang mit dem internationalen Seerecht steht. Dieses schreibt vor, dass ein sicherer Ort „mit minimaler Abweichung von der Schiffsreise“ zugewiesen werden sollte und dass die zuständigen Rettungskoordinationszentren „dafür sorgen, dass die Ausschiffung so schnell wie möglich erfolgt.“ (1) Seit Dezember 2022 sind mehr als 20 unnötig weit entfernte Häfen an nichtstaatliche Such- und Rettungsorganisationen vergeben worden.
Gemeinsam mit den Such- und Rettungsorganisationen Mission Lifeline und Sea-Eye geht SOS Humanity daher gegen die systematische und unrechtmäßige „Politik der weit entfernten Häfen“ der italienischen Behörden vor. Diese gefährdet eindeutig das Wohlergehen von Überlebenden in Seenot und zielt darauf ab, die Aktivitäten von NRO unrechtmäßig einzuschränken.
Neben Humanity 1 wurden auch den Rettungsschiffen von Mission Lifeline und Sea-Eye im Dezember 2022 bzw. Februar 2023 weit entfernte Häfen zugewiesen. Im Fall von Sea-Eye befanden sich viele Überlebende in einem kritischen medizinischen Zustand und ein Überlebender starb kurz nach seiner Rettung. (2)
Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Alina Kulik vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!
Quellen:
(1) Änderungen von 2004 zum Internationalen Übereinkommen über den Such- und Rettungsdienst auf See (1979), IMO-Entschließung MSC.155(78), 3.1.9
(2) https://sea-eye.org/en/2023/02/