Das Geschäft mit den russischen Rohstoffen boomt ungeachtet des Ukraine-Krieges und der Spannungen zwischen Russland und dem kollektiven Westen. Trotz der unzähligen Sanktionen schaffen es die russischen Exporteure, ihre Ressourcen weiterhin auf die internationalen Märkte zu bringen.
Von Alexander Männer
Das Geschäft mit den russischen Rohstoffen boomt ungeachtet des Ukraine-Krieges und der Spannungen zwischen Russland und dem kollektiven Westen. Sogar die Schwierigkeiten, die mit den Wirtschafts- und Handelsbeschränkungen gegen Moskau verbunden sind, können nichts daran ändern, dass unter anderem russisches Erdöl und Gas bei den internationalen Abnehmern weiterhin sehr gefragt sind.
Zur Erinnerung: Die USA, Kanada, Großbritannien, Japan, die EU-Mitglieder und andere Länder haben bereits sowohl ein Embargo auf russisches Öl als auch die Einführung der sogenannten „Preisobergrenze“ für Rohöllieferungen aus Russland im vergangenen Jahr durchgesetzt. Darüber hinaus folgten im Februar Einfuhrverbote auf russische Erdölprodukte wie Benzin oder Diesel. All diese Maßnahmen sollen es den Russen erschweren, ihr Öl auch auf die Märkte der Welt zu bringen und weiterhin Einnahmen daraus zu generieren.
Auch im Gassektor steht Russland vor großen Herausforderungen, nachdem man zuerst mit den Sanktionen konfrontiert wurde und im vergangenen September die russischen Nord-Stream-Pipelines durch einen Anschlag zerstört wurden. Infolgedessen gingen die russische Gasausfuhren nach Europa um mehr als 60 Prozent zurück.
LNG-Handel und „strategische Neuausrichtung“ des Exports
Ungeachtet der schwierigen Lage beim Handel mit Europa verzeichnet Moskau beim Export von Flüssigerdgas (LNG) in die Europäische Union, der von den Sanktionen ausgenommen ist, weiterhin Fortschritte: Im Februar haben die Lieferungen von russischem LNG in die EU-Länder 1,4 Millionen Tonnen beziehungsweise zwei Milliarden Kubikmeter Gas betragen – das ist ein Rekordvolumen. Damit konnte Russland seine Position auf dem europäischen LNG-Markt erneut verbessern, nachdem es im vergangenen Jahrzum zweitgrößten LNG-Lieferanten für europäische Länder geworden ist. Laut EU-Angaben sind die Importe von Flüssiggas aus Russland nach Europa zwischen Januar und September 2022 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum 2021 um 46 Prozent gestiegen, wobei der Preis für LNG viel höher war als der Preis für das Pipeline-Gas.
Was die Zukunft der russischen LNG-Industrie angeht, so will Russland die jährliche Produktion von derzeit etwa 30 Millionen Tonnen Flüssiggas bis 2030 auf 100 Millionen Tonnen steigern, was etwa 140 Milliarden Kubikmeter Pipelinegas entspricht. Damit würden sich die Lieferungen von LNG im Vergleich zu den heutigen Exporten via Pipeline nach Europa um das Dreifache erhöhen. Um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen, will das russische Energieministerium sowohl neue Projekte in Angriff nehmen als auch die bestehenden Projekte ausweiten. Dafür sollen die entsprechenden Ressourcen, insbesondere Technologien und Ausrüstung, zur Verfügung gestellt werden.
Im Hinblick auf die strategische Neuausrichtung seines Erdgasexports sind für Russland vor allem die asiatischen Länder von zentraler Bedeutung. So sprechen etwa die jüngsten Vereinbarungen zwischen Russland und dem Iran dafür, dass die beiden Länder angesichts der westlichen Sanktionen unter anderem beim Erdgas künftig sehr eng zusammenarbeiten wollen. Experten zufolge verhandelm Moskau und Teheran gerade über ein Abkommen, wonach der Iran jährlich 20 Milliarden Kubikmeter Gas aus Russland importieren würde.
Beim Handel mit China sind die Russen erfolgreich dabei, die wachsende Nachfrage der chinesischen Wirtschaft nach Energieträgern im Rahmen der laufenden Projekte zu gewährleisten. So haben sich etwa die Lieferungen via Pipeline „Kraft Sibiriens“ 2022 um 48 Prozent erhöht und lagen bei 15 Milliarden Kubikmeter. Diese Entwicklung wird voraussichtlich auch in diesem Jahr anhalten, weil die Pipeline noch nicht vollständig ausgelastet ist und ihr Durchleitungsvolumen in zwei Jahren auf 38 Milliarden Kubikmeter pro Jahr erhöht werden soll.
Auch beim Handel mit China sind die Russen erfolgreich dabei, die wachsende Nachfrage der chinesischen Wirtschaft nach Energieträgern im Rahmen der laufenden Projekte zu gewährleisten. So haben sich etwa die Lieferungen via Pipeline „Kraft Sibiriens“ 2022 um 48 Prozent erhöht und lagen bei 15 Milliarden Kubikmeter. Diese Entwicklung wird voraussichtlich auch in diesem Jahr anhalten, weil die Pipeline noch nicht vollständig ausgelastet ist und ihr Durchleitungsvolumen in zwei Jahren auf 38 Milliarden Kubikmeter pro Jahr erhöht werden soll.
Außerdem können die Russen ihr Nachbarland auch im Hinblick auf die prognostizierte Zunahme des chinesischen Gasbedarfs in die nächsten Jahrzehnten versorgen. Diesbezüglich plant Russland den Gasexport nach China bis 2030 sogar auf fast 100 Milliarden Kubikmeter zu steigern. Erreichen will man dies vor allem mit der geplanten Pipeline „Kraft Sibiriens 2“, die jährlich 50 Milliarden Kubikmeter Gas transportieren soll. Dieses Mega-Energieprojekt könnte im Gegensatz zu der ersten Gasleitung, deren Bau fünf Jahre in Anspruch nahm, relativ schnell an den Start gehen, weil man dafür bereits über eine Ressourcenbasis verfügt.
Das Durchleitungsvolumen von „Kraft Sibiriens 2“ entspricht übrigens in etwa dem Volumen von „Nord Stream 2“, allerdings kann man den europäischen Markt, der Moskau generell die meisten Einnahmen einbrachte, mit einer weiteren Gasleitung nach China kurz- bis mittelfristig nicht vollständig ersetzen. Auf lange Sicht ist es aber ein wichtiger Schritt, um die Gaslieferungen vom europäischen Markt auf den asiatischen Markt umzuleiten.
Umleitung der Pipelinelieferungen nach Osten
Allerdings ist für Russland die Umleitung seiner Gaslieferungen von West nach Ost (technisch) deutlich schwieriger als beim Erdöl, weil im Gassektor die Leitungen einfach fehlen und die Möglichkeiten des LNG-Transports sehr begrenzt sind. Für die Neuausrichtung der Energieversorgung nach Osten und die Lieferung von Erdgas zu anderen Absatzmärkten wie China müssen erst noch neue Routen entstehen.
Ein Hauptproblem dabei ist die russische Bürokratie, die einen schnellen Ausbau der Infrastruktur sichtlich erschweren könnte. Aus diesem Grund hat Russlands Regierung beschlossen, den gesamten Prozess, inklusive Genehmigungsverfahren, zu vereinfachen und unter anderem die Planung und den Bau von Stromnetzen sowie Gas- und Ölpipelines besser zu koordinieren. Laut dem russischen Energieminister Alexander Novak wird dies die Umsetzung von Projekten beschleunigen und die Neuausrichtung der Gas-, Öl- und Stromlieferungen nach Osten fördern.
Insofern ist die Entbürokratisierung dieses Sektors ein richtiger und notwendiger Schritt, um schnellstmöglich eine ausreichende Infrastruktur für einen umfangreichen und kostengünstigen Gastransport im asiatischen Teil Russlands zu schaffen. Die beiden Projekte „Kraft Sibiriens“ sind zweifelsohne eine gute Grundlage dafür, um bei der künftigen Energieversorgung der aufstrebenden asiatischen Länder mitzuwirken.
Abgesehen davon zieht Moskau zudem die Möglichkeit in Betracht, sich an der Turkmenistan-Afghanistan-Pakistan-Indien-Pipeline (TAPI) zu beteiligen. Diese Gasleitung soll sich insgesamt über 1.800 Kilometer erstrecken und jährlich rund 30 Milliarden Kubikmeter Gas transportieren.Allerdings muss zuerst die Sicherheit der Pipeline gewährleistet werden, die durch Afghanistan verläuft. Aufgrund der schwierigen Sicherheitslage in diesem Krisenland wurde die Arbeit an dem Energieprojekt jedoch ausgesetzt, bis sich die Situation dort stabilisiert hat. Minister Novak zeigt sich in diesem Zusammenhang aber zuversichtlich und geht davon aus, dass dies im Grunde kein großes Problem darstellen sollte.