Manches Wording ist verräterisch. Unsere Gelegenheitskorrespondentin, die vietnamesische Lehrerin Cathrin Karras, konnte sich einen ironisch sarkastischen Post angesichts des Wordings auf dem aktuellen G7 Treffen in Japan nicht verkneifen:

“Da wurde doch vorhin in einem Bericht im Deutschlandfunk über das Aussenministertreffen der G7 tatsächlich über “wachsende Spannungen zwischen China und dem Rest der Welt” gefaselt. Kann mir bitte mal jemand erklären, wie “Rest der Welt” in diesem Zusammenhang zu definieren ist? Ich frage für meine wissbegierigen Schüler.:)

Und gehört zum Rest der Welt nicht vor allem dieses merkwürdige rätselhafte Kontinuum von Lateinamerika über Afrika bis Asien, das sich zunehmend aus der Abhängigkeit von USA und EU befreit und neuen Bündnissen den Vorzug gibt?

“Das ganze System beruht auf der Idee, dass man der Mehrheit alles einreden kann, solange man es laut und oft wiederholt. Und es funktioniert.” Edward Snowden

“Die Bürger demokratischer Gesellschaften sollten Kurse fuer geistige Selbstverteidigung besuchen, um sich gegen Manipulation und Kontrolle wehren zu koennen.” Noam Chomsky”

Es heisst auch nicht immer “China” und der Rest der Welt”. Häufiger kriegen wir heute noch aktuell zu hören “Russland und der Rest der Welt”.

Der Rest der Welt gegen “unseren” Feind?

Viele im Westen empfinden angesichts dieser unablässigen Propaganda, dass sich die ganze Welt gegen “unseren Feind” stellt. Der Feind ist Russland, aber eben entsprechend der geostrategischen Konkurrenz zu den USA immer häufiger auch China.

Die Fakten sehen aber ganz anders aus. Zwar haben über 140 Länder in der UN den Angriffskrieg von Russland verurteilt, aber von wenigen Ausnahmen abgesehen folgt dem Westen niemand bei seiner Politik der Konfrontation mit immer mehr Waffenlieferungen und Sanktionen. Im Gegenteil, diese Einmischung und Eskalationsspirale wird von den meisten Ländern abgelehnt. Die weltweiten Schäden der Sanktionspolitik [1][2]), vor allem für die Länder des globalen Südens sind immens [3]. Das haben gerade auch alle 53 afrikanischen Staaten auf ihrem letzten Treffen deutlich gemacht. Die Praxis des Westens, missliebige Staaten mit Sanktionen zu bestrafen, wurde in mehreren UN-Resolutionen von einer deutlichen Mehrheit der Staaten verurteilt. Sich darüber hinwegzusetzen, ist ebenfalls Völkerrechtsbruch.

1998 unterzeichneten Südafrika und 33 weitere afrikanische Staaten die Römischen Verträge. Sie alle wollten, dass der Internationale Gerichtshof rassistische Gewaltherrscher und Kriegsverbrecher zur Rechenschaft zieht. Doch ihre Hoffnungen wurden rundum betrogen, kein einziges Verbrechen der Kolonialherren wurde verhandelt. Kein Wunder, dass selbst der Enkel Mandelas den Austritt Südafrikas aus dem Rom-Statut fordert. Dazu kommt, dass alle Unabhängigkeitsbewegungen die Unterstützung der Sowjetunion/Russlands hatten, nicht die der Europäer. Für den Fall “Putin” wird gerade eine Sondergerichtsbarkeit geschaffen, bei der alle Kriegsverbrecher des Westens aus den letzten Jahrzehnten fein raus sind.

Der brasilianische Präsident Lula hat bei seinem China-Besuch letzte Woche innerhalb der BRICS-Staaten die Initiative ergriffen [4], um die Vorherrschaft des Dollars, der zunehmend als Waffe zur politischen Erpressung eingesetzt wird, im weltweiten Finanzsystem endgültig zu brechen. Die BRICS-Staaten repräsentieren 40 % der Weltbevölkerung, die “Welt der G7” gerade mal 11 %. Die BRICS-Staaten erzielen 31% der kaufkraftbereinigten globalen Wirtschaftsleistung und stehen aufgrund ihres unvergleichbar höheren Wachstums an der Schwelle, die G7 mit ihren noch 33 % an Wirtschaftsleistung zu überrunden. Nach Argentinien und dem Iran hat nun auch Algerien einen offiziellen Antrag auf Mitgliedschaft in der BRICS Gemeinschaft gestellt. Weitere Staaten wie Saudi-Arabien gelten als Beitrittskandidat [5]. Staaten wie Mexiko und Indonesien suchen die Zusammenarbeit. Die imperialen Kräfteverhältnisse verschieben sich.

Was bleibt sind Neokolonialismus, Schüren von Zwietracht und Ausspielen der militärischen Überlegenheit

Trotz all dieser Entwicklungen und Machtverschiebungen hält sich immer noch eine etwas andere Erzählvariante “G7, das ist die Welt, die anderen sind dann nur der Rest”.

Zutreffend ist das aber nur noch für eine einzige Tatsache: die Militärausgaben und das von den G7 einschliesslich Nato aufgebaute und weiter forcierte militärische Bedrohungspotential [6] ist unübertroffen und wird es trotz aller Hochrüstungsanstrengungen der imperialistischen Konkurrenz wohl noch eine Weile bleiben.

Arno Beierlein kommentiert Cathrins Post mit folgenden Worten:

“Es gibt die Welt. Und es gibt die Nicht-Welt: Manchmal auch Dritte Welt genannt. Erstere legen die Regelbasierte Weltordnung fest. Letztere müssen sich daran halten. Wenn nicht, dann wird ihnen die Demokratie gebracht.”

Das G7 Wording verrät das neokolonialistische Denkmuster. Im Original des Kolonialismus hiess es, die Barbaren müssten mit Christentum und Humanismus beglückt werden. Im modernen Wording wird das “christlich” durch “feministisch” ersetzt. Die Richtlinien der deutschen Entwicklungspolitik wurden gerade in Abstimmung mit dem Aussenministerium überarbeitet. Kern der Änderungen: wer sich nicht den Interessen und Vorgaben der deutschen Geldgeber beugt, geht leer aus. Die noch unter CSU-Entwicklungsministern praktizierte Teiltoleranz gegenüber den “Entwicklungsländern” wird endgültig ausgehebelt. Heute sprechen mehr denn je Zuckerbrot und Peitsche. Beim Teilen und Herrschen unter Ausnutzung widersprüchlicher Interessen der Länder bis zum Stellvertreterkrieg haben es die USA zu wahrer Meisterschaft gebracht. Das Aufeinanderzugehen von Saudi Arabien und Iran unter Vermittlung Chinas könnte dagegen auch ein erster Schritt zur Beendigung der blutigen Konflikte im Jemen sein.

Baerbock stellte auf der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz -mit US Aussenminister Blinken als “Adjutanten” – klar: “Neutralität sei keine Option, sondern hieße, sich auf die Seite des Aggressors zu stellen”. Dazu zählte sie alle Länder (etwa die Schweiz), die sich nicht an Sanktionen und Waffenlieferungen beteiligen [7][8]. Nach dieser Logik könnte man auch sagen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, ist der Rest der Welt also “unser” Feind! Und wer glaubt noch, dass die Aussage, wir befänden uns im Krieg mit Russland, tatsächlich ein verbaler Ausrutscher war, wenn schon die Schweiz “unser Feind” ist.

Einen Tag nach der Münchner Konferenz reiste Blinken in die Türkei, um die heißersehnten F-16 Fighter anzubieten, die Erdogan zur “Verteidigung seiner Demokratie” beim Bombardement der kurdischen Gebiete in den Nachbarländern wohl so dringend benötigt.

Das jüngste G7 Aussenministertreffen entwickelte sich endgültig zum Anti-China-Tribunal. Identität und Geschlossenheit der G7 werden über das Feindbild genährt. Uns wird erklärt, dass die Ein-China-Politik der UN eigentlich die Duldung der Beibehaltung von zwei Chinesischen Staaten bedeuten würde, was mit allen Mitteln, auch um den Preis eines großen Weltkriegs, zu verteidigen wäre. Die USA verfügen mit Russland über das größte Atomwaffenarsenal der Welt, behalten sich auch den erneuten Ersteinsatz dieser Geissel der Menschheit vor. China, dass diesen Ersteinsatz von Atomwaffen explizit für sich ausschliesst, wird dagegen aufgefordert, seine nuklearen “Nachrüstungsbemühungen” zu begrenzen, da dies ein Zeichen nicht akzeptabler Aggressivität sei! Es sei daran erinnert, dass es einen UN-Beschluss zur Ächtung aller Atomwaffen in der Welt gibt. Der gilt nicht nur für China, sondern auch für die USA und Deutschland.

Für uns, die innerhalb der G7 Länder leben ergibt sich neben der Bedrohung, die durch die globale Konfliktpolitik entsteht, auch die Bedrohung, dass Hand in Hand die tatsächlich bei uns zu verteidigenden demokratischen und sozialen Rechte und Standards weiter verstümmelt und schließlich vollends begraben werden.


Quellen

[1] https://gewerkschaftliche-linke-berlin.de/wer-wird-das-bezahlensanktionen-als-form-des-wirtschaftskriegs/
[2] Getreideimporte aus der Ukraine: Warum Polens Bauern protestieren | tagesschau.de
[3] https://gewerkschaftliche-linke-berlin.de/g7-aussenminister-instrumentalisieren-den-krieg/
[4] Brasilien will BRICS-Währung um US-Dollar abzulösen (finanzmarktwelt.de)
[5] BRICS-Erweiterung und die arabische Welt (pressenza.com)
[6] Quelle SIPRI
[7] Annalena Baerbock sagte, Neutralität sei keine Option, sondern hieße, sich auf die Seite des Aggressors zu stellen. Zu den Ländern, die sich nicht an Sanktionen und Waffenlieferungen beteiligen, zählen etwa die Schweiz, …(Münchner Sicherheitskonferenz: Russland stoppen, um China abzuschrecken (handelsblatt.com)
[8] https://gewerkschaftliche-linke-berlin.de/siko-konferenz-fuer-sicherheit-oder-einschwoerung-der-nato-auf-globale-konfrontation-teil-1/

Der Originalartikel kann hier besucht werden