Am Ende der Osterwoche feiern Muslime, Christen und Atheisten an den Ufern des Neckars gemeinsam das Ende des Atomkraftwerks Neckarwestheim. Unser Atomkraftwerk befindet sich leider auf unsicherem Boden, wie der Stuttgarter Geologe Hermann Behmel siegessicher festgestellt hat. Er wurde daher geächtet, denn wer glaubt schon Geologen!?
Ich, Büchner und die anderen AKW-GegnerInnen, auch wenn es bislang allenfalls 100, aber keine nennenswerten gemeldeten Störfälle gab!
Trotz aller Gefahren versammelt sich in einer Art Liturgie am 15.4.2023 zum Ende der Osterwoche allerlei Volk auf den grün-gefrusteten Parkplätzen des AKW, um zu singen, zu jubilieren, zuzuhören und nachzudenken: War’s das jetzt? Natürlich nicht! Es gibt wieder Arbeit:
Nach einem Abriss bleiben tausende Tonnen radioaktives Material zurück. Der größte Teil des strahlenden Bauschutts wird per sogenannter „Freimessung“ (Pi mal Daumen) umdeklariert und soll dann kostengünstig auf Deponien verscharrt, verbrannt oder gern auch wiederverwertet werden. Vielleicht ist China interessiert? Oder Staaten, in denen Leute mit N-Worten leben?
Freilich, Freunde des Freitags und der Zukunft, WählerInnen zwischen den Welten: Wenn so ein Moloch stillgelegt wird, hinterlässt er ja nicht nur den hochradioaktiven Müll der Brennelemente in Reaktor und Abklingbecken, den Müll des Uranabbau, den Müll aus der Produktion der Brennelemente und den schon im laufenden Betrieb angefallenen schwachsinnigen und mittelradioaktiven Müll – nein, so ein Atomkraftwerk selbst ist radioaktiver Müll. Was übrigbleibt, sind neben den PolitikerInnen strahlende und kontaminierte Anlagen, Werkzeuge, Gebäude – Hunderttausende Tonnen an Material. Die darin vorhandene Radioaktivität lässt sich nicht abwaschen, verbrennen oder chemisch umwandeln. Beim Abriss führt stattdessen jeder einzelne Schritt zu einer Vermehrung des strahlenden Mülls und möglicher Freisetzung von Radioaktivität. Was in einer nicht verstrahlten Industrieanlage beim Abriss verhältnismäßig simpel sein mag, gleicht in einer Atomanlage einem Kunststück – oder ist schlicht gesagt unmöglich. Die Wirkung der Radioaktivität ist übrigens immer dieselbe, ob sie nun wegen unsystematischer Schlamperei oder aufgrund eines systematischen Spardiktats in die Umwelt kommt, habe ich auf ausgestrahlt.de gefunden.
Als vor 200 Jahren der Medizinstudent Georg Büchner in völliger Unkenntnis von Brennelementen und Radioaktivität lauthals rief: Friede den Hütten, Krieg den Palästen!, bekam er’s sofort mit der Polizei tun: Krieg! Der Münchner Erzbischof Karl Marx (?) indes schloss sich soeben Büchners Appell an: Er betete, um Wege zu finden, „den Krieg zu beenden, damit nicht Hass über Generationen gesät wird und eine weltweite Aufrüstung stattfindet, die letztlich zu Lasten der Armen“ geht. Genau wie die Radioaktivität! Unsereins strahlt da übers ganz Gesicht und ist sich einig: Lieber aktiv als radioaktiv.
Peter Grohmann’s „Wettern der Woche“
Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator des Bürgerprojekts Die AnStifter.