Starke Ablehnung ruft das von der peruanischen Regierung veröffentlichte Regelwerk für Journalist*innen hervor, anhand dessen das Vorgehen der Presse bei der Berichterstattung über die derzeitigen Proteste in Peru kontrolliert werden könnte. Auf Grundlage dieses Dokuments könnten Polizist*innen darüber entscheiden, wo sich die Reporter*innen aufhalten dürfen. Es erkennt keine Journalist*innen von unabhängigen Medien an und lässt diese ohne Schutz, wenn sie sich nicht an die Anweisungen der Polizei halten.
Journalistenverbände und Menschenrechtsorganisationen haben sich gemeinsam gegen dieses Regelwerk gewandt und fordern seine Rücknahme, da sie darin eine Gefahr für die Meinungs-, Presse- und Informationsfreiheit sehen.
Die Regierung von Dina Boluarte, die das Regelwerk am 28. Februar herausgegeben hat, hat einen Zeitraum von zehn Tagen für Rückmeldungen und zum Überarbeiten des Dokuments gegeben, bevor es dann als Dekret veröffentlicht werden soll. Das Regelwerk ist auch deshalb so umstritten, weil es im Kontext der Proteste gegen die Regierung veröffentlicht wird. Journalist*innen haben mehrfach von Angriffen der Polizei auf sie berichtet, während sie staatliche Gewaltanwendung dokumentiert haben.
Der Ursprung des Regelwerks
Die Idee, Leitlinien zu erstellen, um weitere Misshandlungen von Medienschaffenden während der Berichterstattung über die Proteste zu verhindern, kam von Seiten der Journalistenverbände selbst. Die Forderung war eine Reaktion auf das Massaker in Puno zu Beginn dieses Jahres, bei denen es zu zahlreichen Toten und Verletzten durch gezielte Schüsse der Sicherheitskräfte kam.
Die Verbände schlugen der Regierung die Formulierung eines Regelwerks vor, dass sich jedoch an die Polizist*innen richten sollte, die auch gewalttätig gegen Journalist*innen bei Protesten vorgehen. So kam es zwischen Januar und Februar zu mehreren Treffen mit Vertreter*innen der Präsidentschaft und des Innenministeriums. Es wurde sogar die UNESCO angefragt, um die Grundzüge des Regelwerks zu formulieren, wie das Nachrichtenportal La Encerrona berichtete.
Die Journalistenverbände schlugen demnach vor, ein digitales Beschwerdesystem gegen Polizist*innen, die Journalist*innen einschüchtern, einzurichten. Die UNESCO hat acht Grundsätze zum Schutz von Journalist*innen aufgestellt. Diese umfassen den Zugang zur Justiz für angegriffene Journalist*innen, Regelungen zur Verhinderung von Straflosigkeit, sowie das Verbot, vorsätzlich journalistisches Material zu konfiszieren oder zu zerstören und Reporter*innen willkürlich zu verhaften.
Nachdem die Regierung einen ersten Entwurf präsentierte, in dem weder die gemachten Vorschläge berücksichtigt wurden noch anerkannt wurde, dass die Polizei auch die Presse angegriffen hat, verließen mehrere Journalistenverbände die Treffen. Letztendlich blieben nur die Vertreter*innen der peruanischen Journalistenschule CCP (Colegio de Periodistas del Perú) zurück – eine Organisation, die im Oktober 2022 in die Kritik geriet, weil sie Journalist*innen prämierte, die Falschnachrichten verbreiteten.
Journalist*innen weisen Regierungsentwurf zurück
Vor diesem Hintergrund war es überraschend, dass die Regierung am 28. Februar das „Interinstitutionelle Handlungsprotokoll für die Koordinierung und den Umgang mit Journalist*innen und sozialen Medienschaffenden im Kontext der Störung der öffentlichen Ordnung“ veröffentlichte.
Das Dokument rief sofort die Ablehnung durch den Nationalen Journalistenverband ANP (Asociación Nacional de Periodistas) hervor, der seit Beginn der Proteste die Angriffe der Polizei auf Journalist*innen öffentlich verurteilt hat. Dem ANP hat sich auch das Institut für Presse und Gesellschaft IPYS (Instituto de Prensa y Sociedad) angeschlossen, dass das Regelwerk als „gefährlich für die Meinungsfreiheit“ einstuft, da es „eine Regulierung, unter polizeilicher Aufsicht, der Berichterstattung über die Proteste vorsieht“.
„Gefährlich für die Meinungsfreiheit“
Auch der Peruanischen Presserat hat die „Rücknahme des Protokolls des Innenministeriums für den Schutz der Journalist*innen“ gefordert, da es „in die Unabhängigkeit der Presse eingreife“.
Daraufhin hat die Nationale Menschenrechtskoordination CNDDHH (Coordinadora Nacional de Derechos Humanos) eine Grafik veröffentlicht, welche die Gefahren aufzählt, die das Handlungsprotokoll für die Meinungs-, Presse- und Informationsfreiheit darstellt. Unter anderem werden nur Personen als Journalist*innen anerkannt, die der Berufskammer angehören oder Teil der ausländischen Presse sind. Außerdem kann die Polizei entscheiden, wo Journalist*innen während der Proteste positioniert werden.
Die Menschenrechts-Ombudsstelle weist darauf hin, dass das Dokument „keine journalistische Arbeit frei von Gewalt absichert und noch nicht einmal das tatsächliche Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit garantiert“. Sie wies zudem auf ihre Januar gemachten Ratschläge an die Exekutive hinsichtlich möglicher Leitlinien für Journalist*innen hin, die trotz ihrer Bedeutsamkeit nicht aufgenommen worden sind. Wichtig sei zudem, dass ein solches Dokument Sofortmaßnahmen beinhalte, die die Befehlshabenden der Einsatzkräfte ergreifen sollten, um Journalist*innen zu schützen, die entweder von Gewalttäter*innen oder Sicherheitskräften angegriffen werden.
Die Diskussion über dieses Regelwerk hat auch auf internationaler Ebene zu Reaktionen geführt. Der Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit der Interamerikanischen Menschenrechtskommission CIDH, Pedro Vaca, twitterte am 3. März: „Ich beobachte mit Sorge und teile die ernstzunehmenden Zweifel der peruanischen Presse an diesem Regelwerk. Ich fordere die Regierung auf, dieses zu überdenken“, schrieb Vaca. „Während einer tiefen politischen und sozialen Krise brauchen wir mehr – und nicht weniger – Garantien für die Pressefreiheit.“