Red. Online-Zeitung INFOsperber
upg. Weil die USA die meisten ihrer treusten militärischen Unterstützer in Afghanistan im Stich liessen, fanden diese Schutz und Einkommen in Russland. Die hoch ausgebildeten Spezialeinheiten kämpfen unterdessen auf der Seite Russlands an der Front gegen die Ukraine. Der schwer enttäuschte US-Soldat Thomas Kasza schilderte seinen Frust in der New York Times. Wir haben einige Abschnitte auf Deutsch übersetzt (Zwischentitel von der Redaktion).
Afghanen, die ich ausgebildet habe, kämpfen für Putin in der Ukraine
Ich bin ein amerikanischer Soldat der Special Forces und kenne die Gefahren dieses Berufes gut, in dem ich 14 Jahre lang namentlich in Irak und in Afghanistan diente.
Und ich habe geholfen, Wladimir Putins Fremdenlegion aufzubauen.
Die Green Berets, die 2001 die Taliban stürzten, sind spezialisiert darauf, einheimische Streitkräfte auszubilden, die auf unserer Seite kämpfen. Unsere grösste Stärke ist das Vertrauen und die Kameradschaft, die wir mit unseren Partnern entwickeln. Jahrelang waren die Green Berets zusammen mit den Kommandotruppen der afghanischen Nationalarmee ein Bollwerk gegen die Taliban. Diese Partnerschaft kostete viele amerikanische und afghanische Leben.
20’000 bis 30’000 gut ausgebildete Männer
Im Jahr 2021 erfolgte der überstürzte Abzug. Seither werden die gemeinnützigen Organisationen, die unsere ehemaligen Verbündeten unterstützten, nicht mehr finanziert. Deshalb haben viele dieser hochqualifizierten afghanischen Kommandos Rekrutierungsangebote angenommen, um mit der russischen Armee in der Ukraine zu kämpfen. Für die 20’000 bis 30’000 Männer, die wir ausgebildet haben, sind ein regelmässiges Gehalt und die Aussicht auf Schutz vor den Taliban häufig ein zu gutes Angebot, als dass sie darauf verzichten könnten – selbst wenn der Preis dafür die Rückkehr in den Kampf ist.
Der neue US-Kongress will jetzt untersuchen, warum der Abzug aus Afghanistan so chaotisch verlief. Dabei sollte er nicht nur die Vorgeschichte jener dramatischen Tage im August 2021 untersuchen, als die Taliban in Kabul einmarschierten, sondern auch, was nach ihrem Sieg geschah und derzeit geschieht. Wie jetzt diejenigen, welche durch die US-Truppen beschützt worden waren, aktiv gejagt werden. Wie sie unter den Taliban leiden. Warum die Afghanen gezwungen wurden, fast 600 Dollar pro Person zu zahlen, um eine humanitäre befristete Einreise in die USA zu beantragen, während den Ukrainern diese Gebühr erlassen wurde.
Wir hätten es kommen sehen müssen. Wir liessen unsere engsten Partner völlig im Stich. Die Zurückgebliebenen leiden unter Elend, Hunger und Verfolgung durch die Taliban. Welche Wahl blieb diesen hoch ausgebildeten Militärs?
Putin, so zweifelhaft seine Versprechen auch sein mögen, macht ihnen Hoffnung. Wenn sie für Russland kämpfen, können ihre Familien unter besseren Bedingungen leben, sie können einen Rekrutierungsanreiz von 1500 Dollar erhalten und die russische Staatsbürgerschaft erwerben.
Jetzt riskieren diejenigen, die sich an die Front im Donbas begeben, von denselben Waffen aus US-Produktion zerfetzt zu werden, an denen sie einst im Kampf gegen die Taliban ausgebildet wurden.
Ich kann den afghanischen Soldaten, die jetzt für Russland kämpfen, keinen Vorwurf machen. Denn sie sorgen sich einfach um ihr eigenes Überleben.
Es war ein geschickter und raffinierter Schachzug Putins, die Kampfkraft seiner Frontsoldaten zu erhöhen, ohne russische Leben zu riskieren. Diese afghanischen Soldaten sind keine Amateure, Wehrpflichtige oder Sträflinge. Es handelt sich um eine kampferprobte Spezialeinheit, die von den besten US-Amerikanern ausgebildet wurde. Sie werden vielleicht nicht das Zünglein an der Waage in Russlands Krieg sein, aber sie sind kompetent. Ukrainer werden durch ihre Hände sterben.
Auch die Taliban können sich freuen. Denn der gefährlichste Kern für eine Widerstandsbewegung ist aus dem Land geflüchtet.
Verspätete Reaktion
Eine private Initiative zur Unterstützung afghanischer Flüchtlinge, die als Welcome Corps bekannt ist und von Aussenminister Blinken als «die kühnste Innovation bei der Neuansiedlung von Flüchtlingen seit vier Jahrzehnten» angepriesen wird, ist eine verpasste Gelegenheit. Eine vorgesehene Patenschaft für Afghanen wird frühestens Mitte 2023 in Kraft treten, so dass Hunderte von Menschen, die durch sofortiges entschlossenes Handeln gerettet werden könnten, dem Untergang geweiht sind.
Wenn unsere Staats- und Regierungschefs ihre Hände in Unschuld waschen wollen, sollten sie die Nichtregierungsorganisationen sofort unterstützen, die sich bereit erklärt haben, diese Aufgabe zu übernehmen.
Ich kann mir nur vorstellen, wie verraten sich unsere afghanischen Kollegen fühlen müssen.