Die Rentenreform des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, die unter anderem das Renteneintrittsalter von 62 auf 64 Jahre hochsetzt, treibt die Abgeordneten des Parlaments um.
Die Reform wird als unabdingbar dargestellt, obwohl der Bericht des Rentenbeirats die Argumente der Regierung zurückweist: „Die Rentenausgaben sind insgesamt stabilisiert und selbst auf sehr lange Sicht sinken sie in drei von vier Hypothesen. In der ungnstigsten Annahme steigen sie, ohne sehr, sehr stark zuzunehmen […]. Die Rentenausgaben laufen also nicht aus dem Ruder, sondern sind relativ gut unter Kontrolle.
In den meisten Annahmen nehmen sie eher in der Laufzeit ab, und in der von der Regierung angenommenen Hypothese nehmen sie sehr, sehr wenig, aber ein wenig in der Laufzeit ab.
„Die Rentenausgaben sinken nicht, aber sie sind nicht mit den wirtschaftspolitischen und öffentlichen Finanzzielen der Regierung vereinbar“, d. h. Einsparungen zu erzielen und das Defizit gemäß dem der Europäischen Kommission übermittelten Haushaltskurs der Regierung zu verringern (insbesondere das öffentliche Defizit innerhalb von 5 Jahren unter 3 % zu senken): 5 % im Jahr 2023, 4,5 % im Jahr 2024, 4 % im Jahr 2025, 3,4 % im Jahr 2026, 2,9 % im Jahr 2027).
Ein Präsident, der sich weigert, Superprofite zu besteuern, der aber auf dem Rücken der arbeitenden Bevölkerung sparen will, um eine gute Bewertung durch die Finanzratingagenturen zu erhalten, die den Staaten, d. h. den öffentlichen Finanzen, die Kriterien des Finanzsektors aufzwingen.
Macrons Kunstgriff: Abstimmung nur im Senat, nicht in der ganzen Nationalversammlung
Der Widerstand der Mehrheit der Franzosen gegen diese Reform, die Einheit der Gewerkschaften im Kampf gegen diese Reform, die Demonstrationen, Streiks, Blockaden, die seit zwei Monaten auf den Straßen stattfinden, wurden nicht gehört. Präsident Macron hat sich 12 Minuten vor der Schlussabstimmung über diese Reform in der Nationalversammlung mit 49 Ja-Stimmen zu 3 Gegenstimmen für ein Mittel entschieden, das es ihm ermöglicht, seine Reform ohne die Stimme der Abgeordneten durchzusetzen. Premierministerin Elisabeth Borne kündigte dies im Plenarsaal der Nationalversammlung an und verpflichtete ihre Regierung darauf. De facto wurde die Reform verabschiedet.
Verabschiedet? Aber von wem? Von einer präsidialen Minderheit, die keine Mehrheit in der Nationalversammlung hat, die nicht das Vertrauen des Volkes hat. Nur der Senat stimmte für diese Reform. Ein halbherziges demokratisches Verfahren mit einem Präsidenten, einer tauben, blinden Regierung, gegen das Volk. Ein gescheiterter Präsident, der den Halt verliert und sich in seiner Arroganz und Verachtung verschanzt hat.
Noch ist das Spiel nicht vorbei. Um dem 49-3 Abstimmungsergebnis im Senat entgegenzuwirken, werden mehrere Fraktionen in der Nationalversammlung jeweils einen Misstrauensantrag einreichen, über den bis spätestens Montag abgestimmt wird. Wenn ein Antrag angenommen wird, wird die Regierung zum Rücktritt gezwungen und ihr Text abgelehnt. Werden die Abgeordneten zustimmen, die Franzosen vor einer unsozialen Reform zu schützen und nicht ihre parteipolitischen und persönlichen Interessen zu schützen? Wir werden es spätestens am Montag sehen.
Auf dem Place de la Concorde in Paris bildete sich eine spontane Versammlung, der sich eine Studentendemonstration unter sehr starken Polizeikräften anschloss. Dasselbe Phänomen in anderen Städten Frankreichs, der Wunsch, gemeinsam auf der Straße zu sein, um zu protestieren. Die Gewerkschaft trifft sich heute Abend, um über die weitere Vorgehensweise der sozialen Protestbewegung zu beraten. „Wir geben nicht auf“, ertönen laute Rufe, mit einer Entschlossenheit, die durch das Abstimmungsergebnis von 49 Befürwortern zu 3 Gegenstimmen der Senatoren noch verschärft wird.
Im Jahr 2010 wurde eine Reform verabschiedet, die das Rentenalter von 60 auf 62 Jahre anhebt, und jetzt will eine neue Reform bis 64 Jahre und morgen 65, 67 usw. durchsetzen. Die Franzosen wollen es nicht, können es nicht mehr ertragen. Die Arbeit im Mittelpunkt unseres Lebens, als zentraler Wert, ist überholt. Es ist an der Zeit, den Begriff der Arbeit, ihre Bedingungen, ihre Dauer und ihre Bedeutung zu überdenken. Wenn unsere Lebenserwartung gestiegen ist, dann auch, weil im Laufe unserer Geschichte die Zeit und die Dauer der Arbeit abgenommen haben.
Die Wut wächst.
Die Übersetzung aus dem Französischen wurde von Annette Hauschild vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!