Trotz der eingeführten Preisobergrenze für russische Öllieferungen sollen Moskaus Einnahmen aus dem Ölgeschäft offenbar nicht sinken. Experten gehen davon aus, dass Russland mit dem Verkauf seiner Ressourcen wochenlang deutlich viel mehr verdient hat, als bislang angenommen.
Von Alexander Männer
Um die russischen Einnahmen aus dem Erdölhandel signifikant zu verringern, führten die USA, Kanada, Großbritannien, Japan sowie die EU-Länder Anfang Dezember eine sogenannte „Preisobergrenze“ für Öllieferungen aus Russland auf dem Seeweg in Drittländer ein, die einen Preis von 60 US-Dollar pro Barrel vorsieht. Seit dem 5. Februar gilt zudem ein Lieferverbot für russische Erdölprodukte in der EU.
Als Reaktion darauf ist in Russland Anfang Februar ein Exportverbot von Erdölprodukten mit Bindung an den „Preisdeckel“ in Kraft getreten, dass die Verkäufe an Staaten und Unternehmen verbietet, falls diese von der Anwendung der Preisobergrenze Gebrauch machen wollen.
Es stellt sich die Frage, ob die Preisobergrenze für die russischen Öllieferungen bislang Erfolg hatte?
Studie liefert neue Erkenntnisse über das tatsächliche Preisniveau
Diesbezüglich gab es bereits zahlreiche Meldungen und Aussagen von Spitzenpolitikern, wonach die Maßnahmen ein großer Erfolg seien und dass der Preis für russisches Rohöl weit unter 60 Dollar gefallen sei.
Inzwischen gehen Experten davon aus, dass Russland mit dem Verkauf seiner Ressourcen ungeachtet der Preisobergrenze wochenlang deutlich viel mehr verdient hat, als bislang vermutet. Dazu berichtete die Nachrichtenagentur „Bloomberg“ am Freitag unter Verweis auf durchgeführte Untersuchungen von dem Institute of International Finance, der Columbia University und der University of California, dass der Preis pro Barrel im Dezember bei mehr als 70 Dollar und damit deutlich über dem Preislimit von 60 Dollar je Fass lag.
„Unser überraschender Befund, dass ein erheblicher Anteil des russischen Rohöls weit über der Preisobergrenze von 60 US-Dollar pro Barrel verkauft wird, erfordert dringend weitere Untersuchungen dieser Transaktionen und betont die Notwendigkeit einer verstärkten Durchsetzung (der Maßnahmen – Anm. d. Verf.)“, so die Autoren der Studie.
Diese basiert auf der Grundlage einer Analyse von Zollkontodaten – einschließlich der Daten für alle Häfen und Pipelines – bezüglich der russischen Rohölverkäufe weltweit innerhalb der ersten vier Wochen nach der Festlegung der Preisobergrenze.
Aus diesen Angaben geht hervor, so die Studie, dass der Durchschnittspreis pro Fass bei 74,49 Dollar liegt, wobei die einzelnen Preise in den russischen Häfen sehr unterschiedlich ausfallen: An der Ostsee etwa wird das Öl für 59,86 Dollar pro Barrel veräußert. Am Schwarzen Meer zahlt man 63,34 Dollar, im Norden hingegen 79,31 Dollar. In den Häfen des Pazifischen Ozeans im russischen Fernen Osten sind es sogar 82,24 Dollar je Barrel.
Bei den Pipelines sieht es folgendermaßen aus: Der Export via Druschba-Pipeline nach Europa sieht einen Preis von knapp 63 Dollar vor. Die Pipeline nach China liefert das Öl für etwa 82 Dollar je Fass.
Rund die Hälfte der russischen Ausfuhren wird von dem staatlich kontrollierten Unternehmen „Sowkomflot“ und einer sogenannten Schattenflotte transportiert und unterliegt somit keiner Preiskontrolle. Der Rest aber soll auf westliche Spediteure angewiesen sein, heißt es.
Fazit
Noch ist es schwierig ein Urteil darüber zu fällen, ob die Preisgrenze funktioniert, oder ob sie bereits scheiterte. Denn einerseits ist es wichtig zu betonen, dass die vorliegende Studie sich lediglich auf die Dezember-Daten bezieht. Neuere Erkenntnisse bedürfen, wie von den Autoren angemerkt, weitere Untersuchungen in dieser Problematik.
Andererseits belegen die Daten, dass die meisten russischen Ölsorten offenbar weit unter internationalen Benchmarks für Sorten wie Brent lagen – was ein zentrales Argument des Westens stützt: Mit dem Preisdeckel versuche man nicht nur russische Einnahmen zu senken, sondern den Käufern eine bessere Verhandlungsgrundlage zu verschaffen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass das russische Rohöl weiterhin auf dem Weltmarkt angeboten wird. Andernfalls könnte sein Ausbleiben dazu führen, dass es zu einem sehr starken Anstieg der Ölpreise kommt.