Als ich 2017 meinen Freund Maurizio Fantoni Minnella und seine Frau Miriam traf, sprachen wir über die Vergangenheit Afrikas – eine Vergangenheit, die besonders in Italien unbekannt ist. Und so baten sie mich, weiter mit Artikeln, Vorträgen und Liedern darüber zu erzählen. 2019 erzählten sie mir von einer Reise nach Afrika. Anlass dafür waren die Berichte von Freunden über Manuskripte gewesen, die in Chinguetti, einer heiligen Stadt des Islam in Mauretanien aufbewahrt werden. Ein außergewöhnlicher Ort, den ich im Gegensatz zu Timbuktu nicht kannte. Dort drehten sie die Dokumentation „Libri di Sabbia“ (Bücher aus dem Sand), die vor der Pandemie in zahlreichen Kinos gezeigt wurde und ihre Reise auf der Suche nach historischen Bibliotheken schildert.
Mauretanien war Teil des Mande-Imperiums, und seine Städte waren bedeutende Zentren auf den Routen der Karawanen. Neben Chinguetti bewahren auch Ouadane, Tichitt und Oualata Bibliotheken und historische Manuskripte, einige davon aus dem 10. und 11. Jahrhundert. Sie alle sind Stätten des UNESCO-Kulturerbes. Man findet dort tausende religiöser Texte, aber auch Texte über die Wissenschaft, die Literatur, Astronomie, Geometrie, das Recht, die Philosophie, die Botanik, die Medizin und die Mathematik. Sie wurden auf der Haut von Gazellen geschrieben und sind mit herrlichen farblichen Dekoren und Straußenfedern verziert.
Ein blauer Himmel und eine Decke aus Dünen
Zu 75% aus Wüste bestehend, ist Mauretanien leider das einzige afrikanische Land, in dem Formen der Sklaverei fortbestehen. Doch zum Glück gibt es auch positive Ausnahmen – in Chinguetti bewahren arabische und schwarze Familien ganze Bibliotheken mit Sorgfalt und Hingabe in einem beeindruckenden Puzzle, in dem sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verknüpfen. Offiziell gibt es 17 Bibliotheken – eine der reichsten ist die der Familie Habott mit mehr als 1400 Manuskripten. Der Gelehrte, der sie gegründet hatte, hinterließ die schriftliche Anweisung, dass sich jeder männliche Nachkomme um ihre Bewahrung kümmern und dieses außerordentliche Erbe bewahren und mehren solle. Andere Familien des Ortes, zu denen zum Beispiel Juristen gehörten, bewahrten Heirats- und Geburtsurkunden sowie Prozessakten auf.
Ein Erbe in Gefahr
Feuchtigkeit und Termiten bedrohen den Erhalt dieser schönen Bücher ebenso wie das Vordringen der Wüste und die Sandstürme, die durch den Klimawandel verursacht werden. Ein Faktor ist auch die sinkende Zahl von Touristen auf Grund der Pandemie und des islamistischen Terrorismus. Und doch muss dieser außerordentliche kulturelle Reichtum unbedingt durch eine gemeinsame internationale Kraftanstrengung geschützt werden. An ihr sollte auch die Afrikanische Union beteiligt werden, denn der Kontinent verfügt über so viele herrliche Stätten, die aus Mangel an finanziellen Mitteln zu verschwinden drohen.
Weitere Artikel in der Reihe „Afrika, eine Geschichte zum Wiederentdecken“ sind hier zu finden.
Die Übersetzung aus dem Französischen wurde von Silvia Sander vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!