An einem Abend im November 2019 ging ich mit einigen britischen KlassenkameradInnen in eine Bar. Und natürlich fragte mich als einzige internationale Studentin eine von ihnen, woher ich komme. Nachdem sie „Argentinien” gehört hatte, machte es Klick bei ihr und die Frage kam automatisch: „Die Falklands. Was machst Du hier?“ Die Art, wie sie es sagte klang, als wäre ich so etwas wie ein Feind und das erschreckte mich etwas. Sollte das alles sein, was ich jemals in England bin – einem Land, von dem ich fasziniert bin – nur wegen meines Geburtsorts und einer Vergangenheit, mit der ich nichts zu tun habe? Ein Feind?
Von da an tauchte das Thema immer mal wieder auf und frustrierte mich: ein Politiker, der dafür kritisiert wurde, weil er Margaret Thatchers Kenntnisse der Statistik gerühmt hatte (denn sie war während des Krieges Premierministerin), ein Journalist, der der verstorbenen Queen Elizabeth II gedachte (denn sie trug die Krone während des Krieges) sowie andere Situationen, in denen Du als Verräter an der Heimat angesehen wirst, wenn Du nicht nach den spanischen Worten handelst „Las Malvinas son Argentinas“ (Die Falklands sind Argentinisch). Ich dachte mir deshalb, dass es eine gute Idee wäre, über Konflikt und Versöhnung nachzudenken.
Dafür sollten wir über das Ereignis sprechen. Laut meiner Klassenkameradin kamen argentinische Soldaten auf die Inseln und drängten ihre Kultur und Lebensweise den dort lebenden Briten auf. Laut meines Bruders nahmen britische Soldaten die Inseln ein und töteten gnadenlos 18-jährige argentinische Jungen. Was ist also die Wahrheit? Wer hat Recht, wer Unrecht? Gibt es eine richtige Antwort?
Hier ist das Geschehen in Kurzfassung: ein nicht erklärter Krieg zwischen Großbritannien und Argentinien über die Kontrolle der Falkland Inseln, einer winzigen Inselgruppe im Südatlantik, die aus zwei Hauptinseln und weiteren kleineren besteht. Er ging vom 2. April (als Argentinien das Territorium besetzte) bis zum 14. Juni (als sich Argentinien ergab), dauerte 74 Tage und kostete 650 Argentiniern, 253 Briten und 3 Zivilisten das Leben – nicht zu vergessen die hunderten Verletzen auf beiden Seiten. Die Geschichte jedoch reicht viel weiter zurück. Ich bin kein Historiker, deshalb werde ich versuchen, es so kompakt, klar und natürlich so genau wie möglich zu erzählen und bitte um Nachsicht.
Obwohl der Niederländer Sebald de Weerdt unstrittig um 1600 die Falklands erstmalig gesichtet hat, könnte es nach Darstellung Großbritanniens der englische Seefahrer John Davis auf der Desire gewesen sein, der die Inseln 1592 entdeckt hat. Dazu kommt noch, dass der englische Kapitän John Strong bekanntermaßen 1690 das erste Mal auf den Falklands an Land ging und den Inseln ihren Namen gab. 1764 errichtete der französische Segler Louis-Antoine de Bougainville die erste Siedlung auf Ost-Falkland, wohingegen die Briten die ersten waren, die 1765 West-Falkland besetzten. Die Spanier jedoch, die die französische Siedlung um 1767 übernommen hatten, vertrieben die Briten 1770. Und doch gaben die Briten ihren Anspruch auf die Falklands nie auf.
Aus argentinischer Sicht jedoch waren es in der meisten Zeit des 16. Jahrhunderts nur Seefahrer im Dienste Spaniens, die die Seewege entlang der südamerikanischen Küste befuhren und dabei auf der Suche nach dem interozeanischen Verbindungsweg nach Süden vordrangen. Dabei wurden die Islas Malvinas (spanisch für Falklandinseln) 1520 von Mitgliedern der Magellan-Expedition entdeckt. Im 17. Jahrhundert wurden die Inseln von Seefahrern anderer Nationen (z.B. Briten und Franzosen) gesichtet, die in die spanischen Gebiete vordrangen, um zu einer strategisch günstig gelegenen Ansiedlung zu gelangen, mit der sie die Magellan-Straße überblicken konnten. Das gesamte Territorium Südamerikas mit seinen Küsten, Gewässern und Inseln, war durch verschiedene Verträge jedoch unstrittig unter spanischer Hoheit: durch päpstliche Bullen und den Vertrag von Tordesillas von 1494, durch den „Amerikanischen“ Vertrag von 1670 und den Frieden von Utrecht 1713, den England anerkannte und ratifizierte.
Die Verwaltung durch spanische Gouverneure auf den Malvinas dauerte bis 1811, dem Beginn des Unabhängigkeitskrieges. Im Zusammenhang mit diesem Konflikt sahen die ersten patriotischen Regierungen der Vereinigten Provinzen die Malvinas als einen von Spanien übernommenen Bestandteil ihres Territoriums. Im Prozess der Anerkennung des Staates Argentinien, die 1825 mit der Unterzeichnung des Vertrages über Freundschaft, Handel und Seefahrt besiegelt wurde, erhob Großbritannien keinen Anspruch auf die Inseln. Nach einigen Jahren der Ruhe jedoch stellte sich Großbritannien 1829 gegen das Dekret. Ohne einen Schuss abzufeuern, vertrieb eine britische Einheit die wenigen verbliebenen argentinischen Behörden in den frühen 1830ern. (bzw. aus Sicht Argentiniens drohte man mit dem Einsatz von überlegener Gewalt und forderte die Rückgabe der Plaza). Ein ziviler britischer Lieutenant Governor wurde 1841 für die Falklands ernannt und bis 1885 konnte sich die 1800 Einwohner zählende britische Siedlung selbst verwalten. Argentinien protestierte wiederholt gegen die Okkupation der Inseln durch die Briten.
Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Thema der Souveränität über die Falkland-Inseln an die Vereinten Nationen übertragen und 1964 behandelte das UN-Komitee zur Dekolonialisierung den Status der Inseln. Die UN-Generalversammlung verabschiedete 1965 eine Resolution, mit der sie Argentinien und Großbritannien aufforderte, den Konflikt friedlich zu lösen. Im Februar 1982 dauerten diese langwierigen Verhandlungen noch immer an. Doch am 2. April drang Argentinien unter Führung seiner Militärregierung auf den Falklands ein. Präsident Leopoldo Galtieri hatte mit einem Schwund seiner Popularität und mit einer Wirtschaftskrise zu kämpfen und so glaubte er, dass ihm eine gewaltsame Lösung des Konfliktes helfen würde, wieder die Unterstützung zu bekommen, die ihn an der Macht halten würde. In Großbritannien sah sich Margaret Thatcher mit einer ähnlichen Situation konfrontiert. Mit dem Ende des Falklandkrieges endete auch die argentinische Diktatur und die Zivilherrschaft wurde 1983 wieder in Kraft gesetzt. Gleichzeitig nutzte die britische Premierministerin die starke nationalistische Stimmung dafür, der Konservativen Partei 1983 zu einem durchschlagenden Erfolg bei den Parlamentswahlen zu verhelfen. Das Problem der Souveränität ging in den Machtbestrebungen unter und wurde nicht gelöst. Argentinien macht weiter seinen Anspruch auf die Falklands geltend, obwohl sich beide Länder auf eine Normalisierung ihrer Beziehungen geeinigt hatten – in einer gemeinsamen Erklärung von 1989 und dem Referendum von 2013, in dem mit 98% die Mehrheit der InselbewohnerInnen dafür gestimmt hatte, den Status der Inseln als britisches Überseeterritorium zu erhalten; ein Ergebnis, das von der argentinischen Regierung als Trick kritisiert wurde.
Das bringt uns nun zur Gegenwart, in der beiden Parteien noch keine Aussöhnung gelungen ist. Und an dieser Stelle sollte ich über einen Ausweg sprechen. Doch der Krieg ist vorüber. Nach 40 Jahren sind lediglich schreckliche Ängste geblieben. Viele würden sagen, dass der Dialog die Lösung für den anhaltenden Souveränitätsstreit ist. Keines der beiden Länder scheint jedoch für Verhandlungen bereit. Argentinien akzeptiert nur die Zugehörigkeit der Inseln zu seinem Staatsgebiet. Das Gleiche gilt für Großbritannien. Keiner ist bereit, seinen Stolz beiseitezulassen, Positionen aufzugeben und gemeinsame Interessen zu finden, die wirklich helfen könnten, das Problem zu knacken. Oh, und dann sollte man nicht vergessen, dass auch auf der anderen Seite richtige Menschen leben.
Für jemanden, der einer anderen Generation angehört und einen anderen Standpunkt hat, sollte der Konflikt vielleicht als Episode oder Anekdote betrachtet werden, als ein Unfall der Geschichte. Wir könnten es sogar für eine schmutzige Taktik der Machthabenden halten, mit der sie uns spalten und Gefühle des Hasses gegeneinander schüren wollen – vielleicht weil ihnen das nützlich erscheint. Alles in allem kann es als eine weitere Manifestation von Gewalt gesehen werden, der ein Ende gesetzt werden muss.
Obwohl es schwerfällt loszulassen (schließlich wurden Leben verloren und werden noch immer von Familien und Freunden betrauert), haben wir die Freiheit, unser Leben zu hinterfragen und über die Bedingungen nachzudenken, unter denen wir leben möchten (Silo, 1994). Fragen wir uns also, ob wir in den nächsten 40 Jahren weiter respektlos miteinander umgehen wollen, an Ärger und Abneigung festhalten und als Feinde gesehen und definiert werden wollen.
Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Silvia Sander vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!