Die Kriegsmaterialexporte stiegen letztes Jahr in den ersten neun Monaten um 50 Prozent. 2022 könnte den Verkaufsrekord brechen.

Heinrich Frei  für die Online-Zeitung INFOsperber

Red. – Der Autor dieses Gastbeitrags war bei der Arbeitsgemeinschaft für Rüstungskontrolle (ARW) bis zur Auflösung dabei, ist Vorstandsmitglied des Schweizerischen Friedensrates und seit ihrer Gründung Mitglied der «Gruppe für eine Schweiz ohne Armee» GSoA.

Bundesrat Ignazio Cassis sprach im Sicherheitsrat der UNO vor wenigen Tagen den Vetomächten ins Gewissen, das sind die USA, Russland, China, Frankreich und Grossbritannien. Es ging um die Rechtsstaatlichkeit unter den Nationen. Cassis betonte, dass sich die Schweiz darauf freue, für Sicherheit und Frieden zu arbeiten.

Doch das ist nicht so klar. Die Kriegsmaterialausfuhren der Schweiz nahmen in den ersten neun Monaten 2022 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 50 Prozent zu, auf nunmehr 756 Millionen Franken. Nur in zwei der vergangen 30 Jahre exportierte die Schweiz mehr. Es ist also gut möglich, dass die Branche 2022 einen Exportrekord erreicht hat.

Auch in den letzten Jahrzehnten exportierte die Schweiz laufend Kriegsmaterial an Staaten, die Kriege führten. Nach dem Kriegsmaterialgesetz wäre das eigentlich verboten. Dennoch verkaufte die Schweizer Rüstungsindustrie Waffen an Nato-Staaten, die auf dem Balkan, in Afghanistan, im Irak, in Libyen usw. Krieg führten. Die Schweiz gehört mit ihren Waffenexporten und der Finanzierung von Rüstungskonzernen zu den Profiteuren all der Kriege – und wie im Zweiten Weltkrieg wieder zu den Kriegsgewinnlern.

Kriegsmaterial im Wert von über 20 Milliarden exportiert

Laut Zahlen von SIPRI, dem Stockholm International Peace Research Institute, hat die Schweiz von 1975 bis 2021 für circa 14,3 Milliarden US-Dollar Grosswaffen exportiert.

Nach der offiziellen Statistik des Bundes, gemäss dem SECO, exportierte die Schweiz von 1975 bis 2021 für 20,8 Milliarden Franken Kriegsmaterial. Verkauft wurden diese Rüstungsgüter zu einem grossen Teil an kriegführende Staaten, an Nato-Militärs, in Spannungsgebiete, an menschenrechtsverletzende Regimes und an arme Länder in der Dritten Welt, in denen Menschen hungern und verhungern. In diesen 20,8 Milliarden Franken sind die besonderen militärischen Güter nicht eingerechnet, die ebenfalls exportiert wurden, aber nicht in der offiziellen Statistik erscheinen. Als «besondere militärische Güter» werden unter anderem Produkte subsummiert, die für zivile, aber auch für militärische Zwecke eingesetzt werden könnten (hier die genaue Definition).

Auch die Finanzierung von Waffengeschäften durch Schweizer Banken erscheinen in diesen Zahlen nicht. Schweizer Geldinstitute, die Nationalbank, Banken, Versicherungen und Pensionskassen investierten in den letzten Jahren sogar in Firmen, die an der Atomwaffenproduktion, an der Herstellung von Anti-Personenminen und Cluster­bomben beteiligt sind. Laut dem Kriegsmaterialgesetz ist die «direkte und indirekte Finanzierung» von verbotenem Kriegsmaterial schon heute klar untersagt. Verbotene Waffen sind in der Schweiz chemische und biologische Waffen, Atombomben, Streubomben und Antipersonen-Minen.