Nachdem schon Algerien, Argentinien und der Iran den Beitritt zu BRICS beantragt haben, könnte bald auch Saudi-Arabien offiziell eine Aufnahme in die Staatengruppe anstreben. Das arabische Land soll nach russischen Angaben außerdem den Beitritt zur regionalen Vereinigung Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) in Betracht ziehen.
Von Alexander Männer
Angesichts der Herausforderungen in der Golfregion und auf der internationalen Bühne befindet sich Saudi-Arabien gegenwärtig in einer sehr vielversprechenden Phase seiner wirtschaftlichen Entwicklung, auch wenn das von außerhalb nicht unbedingt sichtbar zu sein scheint. Das Königreich plant gerade unter anderem den Bau einer Mega-Stadt der Zukunft in der arabischen Wüste und fördert damit die Entwicklung einer modernen Wirtschaft, die vor allem auf Investitionen setzt. In dieser Stadt sollen künftig Millionen Menschen leben und hervorragende Lebens- und Arbeitsbedingungen genießen.
Dafür will die Regierung in Riad bis 2030 mehrere Hundert Milliarden US-Dollar investieren. Laut dem Kronprinzen und faktischen Herrscher in Saudi-Arabien, Mohammed bin Salman, wird sein Land in diesem Jahrzehnt mehr ausgegeben als in den vergangenen 300 Jahren.
Dieser Aufschwung soll offenbar mit der sogenannten „Diversifizierung der Außenpolitik“ des Landes einhergehen, was sich vor allem in dem Bestreben Riads zeigt, ein integrierter Teil von zwei multilateralen Strukturen zu werden, die auf der internationalen Ebene einen deutlichen Aufstieg verzeichnen.
So will das sich Königreich neuesten Informationen zufolge unter anderem der Staatengruppe „BRICS“ anschließen, deren Mitglieder Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika gemeinsam mehr als 40 Prozent der Weltbevölkerung und fast ein Viertel des globalen BIP ausmachen.
Zugleich soll Riad die Aufnahme in der regionalen Vereinigung „Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit“ (SOZ) anstreben, der neben China, Indien und Russland auch der Iran, Pakistan, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan angehören. Im Vordergrund dieser Partnerschaft, die mit hoher Wahrscheinlichkeit eine zentrale Rolle in Eurasien spielen wird, stehen sowohl der sicherheitspolitische Bereich als auch Wirtschaft, Handel, Energie und Kultur.
Dialogpartnerschaft ist in der Pruefphase
Wie der russische Botschafter in Saudi-Arabien, Sergej Kozlow, in einem Interview mit der Agentur „Sputnik“ kürzlich erklärte, sei das arabische Land daran interessiert, künftig sowohl Teil von BRICS als auch von der SOZ zu werden. Kozlow sagte dazu: „Im Rahmen der Diversifizierung der Außenpolitik des Königreichs ist Saudi-Arabien sehr daran interessiert, angesehenen internationalen Vereinigungen wie der SOZ und den BRICS beizutreten.“
Die Saudis hätten bei Gesprächen mit der russischen Seite entsprechende Ideen geäußert, wobei ihr Wunsch, ein Teil dieser multilateralen Strukturen zu werden, gute Aussichten habe, so der Diplomat weiter.
Was den derzeitigen Stand der Dinge angeht, so betonte Kozlow: „Die Frage der SOZ-Dialogpartnerschaft wird aktiv geprüft, während die mögliche Mitgliedschaft Saudi-Arabiens in den BRICS derzeit konzeptionell geprüft wird“.
Vor allem für die BRICS wäre Saudi-Arabien Experten zufolge ein immenser Gewinn, was auch erhebliche Folgen auf das geopolitische Gleichgewicht der Welt haben dürfte. Das Königreich ist der weltgrößte Erdölexporteur und übt in dieser Rolle bereits einen erheblichen Einfluss auf die globale Erdölpolitik sowie auf die Energiemärkte aus. Außerdem gehen die Saudis außenpolitisch unlängst auf Distanz zu den USA, indem sie sich einerseits weigern, sich an antirussischen Sanktionen und damit am “Erdölkrieg“ des Westens gegen Russland zu beteiligen. Andererseits unterstützt Riad offensichtlich die von den BRICS-Staaten forcierte De-Dollarisierung, indem es Chinas Initiative akzeptiert, den bilateralen Handel von fossilen Rohstoffen mit Peking künftig in Yuan abzuwickeln.
Darüber hinaus könnte der Golfstaat nicht nur als eine weitere wichtige Brücke in die arabische Welt fungieren, sondern auch die arabischen Interessen innerhalb der BRICS vertreten. Mit Algerien, das im November offiziell die Mitgliedschaft beantragt hat und alle dafür erforderlichen Maßnahmen umgesetzt haben soll, wäre Saudi-Arabien das zweite arabische Land, das der Gemeinschaft beitritt.
Allerdings gäbe es bei der Erweiterung der BRICS um Saudi-Arabien eine sehr große geopolitische Herausforderung: Die Überwindung des schwierigen Verhältnisses des Königreichs mit dem Iran, der als der Hauptkonkurrent der Saudis um die regionale Hegemonie am Persischen Golf gilt und der im vergangenen Jahr bereits die Aufnahme zu der Staatengruppe beantragt hat. Die politische Annäherung und Bereitschaft zur Zusammenarbeit zwischen den beiden rivalisierenden islamischen Systemen im Rahmen von BRICS würde definitiv neue Möglichkeiten eröffnen, Frieden und den ökonomischen Aufschwung in der Nahost-Region zu stärken.