In ihrem Buch Geld appelliert die Millionenerbin Marlene Engelhorn an die Notwendigkeit der Eröffnung eines transparenten, partizipativen und öffentlichen Diskurses über Geld. Was ist Geld überhaupt und wo kommt es her? Wer hat wie viel und wer entscheidet darüber? Was macht Geld mit Menschen und wie bestimmt Geld ihr Beziehungsverhalten?
„Mich beschäftigt, wie wir miteinander über Geld sprechen und schweigen“, so die Autorin in ihrem Buch.
Eine Rezension von Linda Michels
Ob zu viel oder zu wenig Geld, ist eine strukturelle Frage. Nicht überwundene feudale Herrschaftsstrukturen eröffneten wenigen Menschen erhebliche Machtstrukturen, welche Ungleichheiten produzierten und legitimierten. Die Verteilung von Geld sei gekoppelt an Ausbeutungsstrukturen und bestimme die Möglichkeit der aktiven Teilnahme an der Gesellschaft oder eben die Verwehrung dieser.
Auf einprägsame Weise betont die Autorin die von ihr selbst stetig erfahrene Nicht-Existenz einer Debattenkultur über Geld. In ihrem überreichen Sozialisationskontext dominiere das Schweigen und im Allgemeinen prägten Schamgefühle das Sprechen über Geld. Ein gemeinsames Vokabular müsse generiert werden, das im Diskurs Orientierung bieten und Ungerechtigkeiten benennen könnte.
„Geld ist Macht. Macht ist ein Beziehungsmittel.“ Beziehungen werden mit und durch Geld gestaltet und das Wie dieser Gestaltung zeige das Beziehungsverhalten, sowohl auf privater Ebene als auch auf einer größeren politischen Makroebene.
Armut und Überreichtum müssten daher abgeschafft und Wege hin zu nachhaltigen, demokratischen Umverteilungsmechanismen geebnet werden, um Menschen ihre bedingungslose Würde nicht weiter abzusprechen, welche in einer auf Finanzen basierten Welt an Leistungen gekoppelt ist. Die Gleichheit aller Menschen zu betonen, sei eine Lüge, wenn gleichzeitig von Leistungsgesellschaft gesprochen werde. Marlene Engelhorn dekonstruiert mit Nachdruck das „dreiste“ Narrativ der selbst erzeugten Armut durch mangelnde Anstrengung der einzelnen Person und den Mythos der Self-made Millionär:innen.
In einer öffentlichen, inklusiven Debatte müsse darüber debattiert werden, ob ein großes Vermögen in wenigen Händen gebündelt sein dürfe.
In ihrem Buch verwendet Marlene Engelhorn eine wenig komplexe und zugängliche Sprache, die ihren Wunsch nach kollektivem Einbezug aller und nach Transparenz widerspiegelt, sie wirkt wie ein Katalysator für die von ihr gewünschte Diskursgenerierung.
Was nach dem Lesen am meisten nachgeklungen hat, ist die Forderung nach einer Kultur der Kommunikation, die auf Transparenz und Partizipation beruht, bedingungslos. Es ist intransparent, wer genau zu dem kleinen, aber so mächtigen Prozentsatz der überreichen Menschen gehört und noch intransparenter ist das, was mit ihrem Vermögen passiert. Welche Auswirkungen dies auf das Leben der restlichen 90% der Gesellschaft hat, die paradoxer Weise die reichsten 10% durch ihre Steuern noch weiter subventionieren, kristallisiert sich ebenso wenig heraus. Von allgemeinen Steuern finanzierte Kultureinrichtungen zum Beispiel bleiben vielen Menschen, die sie mit stützen, vorenthalten, da ihr Leben in einem neoliberalen, kapitalistischen System auf das Erhalten der eigenen Existenz beschränkt wird und für die Teilhabe an der Gesellschaft kaum Raum bleibt. Dieser Punkt findet in Engelhorns Argumentation ebenfalls Erwähnung.
Ziel sollte es sein, ein Konglomerat aus Stimmen verschiedener Sozialisationserfahrungen zu Wort kommen zu lassen, das die öffentliche Aufmerksamkeit befeuert und zudem sollte das präferierte Erklingen der Stimmen nicht an ihren finanziellen Status gebunden sein. Das mediale Interesse an der Geschichte einer überreichen Person sollte das gleiche sein wie das an Menschen der restlichen Gesellschaft. Akzeptieren wir nicht weiter das gelernte Schweigen über Geld und die Ohnmacht, die sich als gefühltes Resultat durch die Narrative der selbstverschuldeten Armut sowie des Reichtums in uns einnistet. Geld und die durch Geld generierte Einflussnahme müssen demaskiert und das Täter-Opfer-Narrativ in Sachen Steuern genau unter die Lupe genommen werden: wer sind die Personen, die dem Steuersystem wirklich zur Last fallen?
Buchinfo
Marlene Engelhorn
Geld
Hardcover kaschiert, 176 Seiten
Kremayr & Scheriau, 2022
ISBN: 978-3-218-01327-7