Pascal Sigg für die Onlinezeitung Infosperber
Schweden lieferte Flüchtlinge an die Türkei aus, deren Asylanträge abgelehnt wurden. Einer von ihnen war mutmasslich PKK-Mitglied.
Schweden lieferte kürzlich zwei Flüchtlinge an die Türkei aus. Dies bestätigte die Migrationsministerin Maria Malmer Stenergard gegenüber dem Sender «Sveriges Television» (SVT). Beim einen Mann soll es sich um ein mutmassliches PKK-Mitglied handeln, das in der Türkei zu sechs Jahren Haft verurteilt worden war. Er beantragte im Oktober 2015 eine Aufenthaltsbewilligung in Schweden. Diese wurde im März 2020 abgelehnt. Im Februar 2021 wurde auch sein Rekurs abgelehnt. Am 24. November 2022 wurde er im Rahmen einer Verkehrskontrolle verhaftet.
Sein juristischer Vertreter sagte gegenüber der Nachrichtenagentur TT: «Das ist furchtbar. Dies betrifft nicht nur ihn, sondern vor allem die Demokratie und die Menschenrechte.»
Dem türkischen News-Portal «Duvar» sagte der Mann angeblich, der schwedische Geheimdienst habe ihm mitgeteilt, er würde von der Türkei gesucht und gelte deshalb als gefährlich. Er habe entgegnet, er habe bloss an zwei Demonstrationen teilgenommen. «Ich habe mich auf die Seite der Unterdrückten gestellt und den Kampf für Demokratie unterstützt. Wenn dies Terrorismus ist, dann bin ich ein Terrorist.»
Der Mann wurde bei seiner Ankunft in der Türkei verhaftet. Gemäss dem Türkei-Korrespondenten von SVT berichteten türkische Medien breit über die Auslieferung. «Es wird als grosser Erfolg der Regierung bezeichnet, dass man Schweden im Zusammenhang mit dem NATO-Beitrittsgesuch dazu brachte, dies umzusetzen.»
Türkei fordert weiterhin Auslieferung eines Exiljournalisten
Die Türkei droht, den NATO-Beitritt Schwedens unter Umständen zu verhindern. Eine der Bedingungen der Türkei für den schwedischen NATO-Beitritt ist die Auslieferung von Personen, welche sich in Schweden befinden und von der Türkei als Sicherheitsbedrohung eingestuft werden. Im Frühling zirkulierte eine Liste mit 33 Namen, welche von der Türkei als terrorverdächtig eingestuft wurden. Gemäss SVT befand sich der am Freitag ausgelieferte Mann nicht auf dieser Liste. Anfang November besuchte der neue schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson die Türkei. Dabei sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, er sehe die Bedingungen noch nicht erfüllt.
Anlässlich dieses Treffens nannte Erdoğan auch als einzigen den Namen des Exiljournalisten Bülent Keneş, der seit 2016 in Schweden lebt. Dass Schweden Keneş wegen seiner Verbindungen zur Gülen-Bewegung ausliefert, gilt allerdings als höchst unwahrscheinlich. Im Gegensatz zu den letzte Woche ausgelieferten Männern hat er politisches Asyl erlangt.
Vier ähnliche Auslieferungsbegehren wurden im vergangenen Sommer vom höchsten schwedischen Gericht abgelehnt. Dessen Präsident sagte jüngst, man folge bei der Beurteilung von Auslieferungsbegehren dem geltenden Recht und nicht der Politik. Häufig seien die von der Türkei festgestellten Vergehen der betroffenen Personen in Schweden nicht strafbar. Keneş selber schrieb vor wenigen Wochen in der «Zeit», er glaube, Erdoğan benutze ihn, um andere geheime Zugeständnisse Schwedens zu erhalten.