Nachdem die Iuventa seit fünf Jahren im Hafen von Trapani festgehalten und von der Hafenmeisterei aufgegeben wurde, wurde sie geplündert, weitgehend zerstört, und ist derzeit seeuntüchtig und droht zu sinken. In seinem gestrigen Urteil bestätigte ein Gericht die Auffassung der Kläger, dass diese Behandlung falsch war und entschied, dass umfangreiche Wartungsarbeiten an dem Schiff durchgeführt werden müssen, um es wieder in den Zustand vor der Beschlagnahme im August 2017 zu versetzen. Ob jedoch die Gerichtsentscheidung überhaupt realisiert werden kann, bleibt angesichts des schlechten Zustandes des Schiffes fragwürdig.
Kathrin Schmidt, Iuventa – Angeklagte: „Ich finde es etwas zynisch, dass diese Entscheidung getroffen wird, nachdem das einstige Rettungsschiff nur noch ein Trümmerhaufen ist. Angesichts der willkürlichen Behandlung und Maßnahmen gegen zivile Such – und Rettungsoperationen hält sie eine wichtige Botschaft bereit.“
Dieselbe Staatsanwaltschaft, die in diesem Fall von den Gerichten zum Handeln gezwungen werden musste, ist auch wegen ihrer Prozessführung im Fall der vier angeklagten Iuventa-Besatzungsmitglieder in die öffentliche Kritik geraten. Nun muss sie auch die Verantwortung für den jahrelangen Stillstand im Fall des Rettungsschiffs übernehmen. Die zuständigen Behörden haben sich über die offensichtlichen Anzeichen und klaren Hinweise verschiedener Parteien auf eine Verschlechterung des Zustandes des Schiffes hinweg gesetzt, und dadurch Zeit und Steuergelder verschwendet.
Francesca Cancellaro, Anwältin der Verteidigung: „Obwohl es sich für uns um eine bedeutende Korrektur handelt und wir sie als richtigen Schritt betrachten, betonen wir, dass die Beschlagnahme nicht notwendig war, um die Ermittlungen fortzusetzen, sie hätten ihre Ermittlungen auch ohne Beschlagnahme des Schiffes fortsetzen und zu Ende führen können.“
Nicola Canestrini, Anwalt der Verteidigung: „Ich stelle mir die Frage, wer die Verantwortung dafür übernehmen muss, dass die Iuventa seit Jahren verwahrlost gelassen wurde: falls erforderlich, werden wir unseren Beitrag leisten, um die Haftung festzustellen, und wir werden nicht aufhören, bis der Gerechtigkeit Genüge getan ist.“
Innerhalb eines Jahres rettete die Iuventa mehr als 14.000 Menschen aus Seenot. Seit ihrer Beschlagnahmung sind mehr als 10.000 Menschen im zentralen Mittelmeer gestorben. Wenn Rettungsmannschaften daran gehindert werden, dorthin zu gelangen, wo sie dringend benötigt werden, gehen Menschenleben verloren, die hätten gerettet werden können.
Dariush Beigui, Angeklagter der Iuventa: „Es ist kein Sieg für uns, wie könnte es angesichts der täglichen Tragödie an den Grenzen Europas. Obwohl wir es als richtigen Schritt begrüßen abseits der politischen und gerichtlichen Entscheidungen, die eine zunehmend aggressive Behandlung nicht nur von Menschen auf der Flucht, sondern auch von denen, die mit ihnen solidarisch sind, befeuern. Ein Sieg kann nur die Erkenntnis sein, dass das Unterstützen von Menschen auf der Flucht niemals ein Verbrechen sein kann, genauso wenig wie der Wille zu überleben und sich um Gerechtigkeit zu bemühen.“
Sascha Girke, Angeklagter der Iuventa: „Die Beschlagnahme des Schiffes war der Höhepunkt einer Verleumdungskampagne gegen SAR-NGO und die Solidarität mit den Menschen auf der Flucht. Ausgelöst durch rechtsradikale Denkfabriken und Meinungsmachern, deren geschmacklose Vorstellungen von einer faktischen Zusammenarbeit zwischen SAR-NGOs und libyschen Milizen zuerst von Frontex – Chef Leggeri und dem Staatsanwalt Carmelo Zuccaro bekräftigt und dann schließlich vom Staat durch den Minniti-Kodex (Verhaltenskodex) legitimiert wurden.“
Angesichts des zunehmend harten Vorgehens gegen die zivile Seenotrettung fordern wir jedermann dazu auf: Lasst das nicht noch einmal zu! Setzt euch für das Recht auf Leben, das Recht auf Asyl, das Recht auf Selbstbestimmung und für die Versammlungsfreiheit ein! Stoppt die Kriminalisierung der Flucht und Migration! Stoppt die Kriminalisierung der Solidarität!
Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Doris Fischer vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!