Diejenigen, die sich nicht bewegen, werden ihre Fesseln nicht bemerken (Rosa Luxemburg) – Julian Assange hat sich bewegt.
Der Whistleblower Julian Assange sitzt seit fast drei Jahren in einem Hochsicherheitsgefängnis in London. Er soll an die USA ausgeliefert werden, wo ihm harte Strafen wegen Spionage drohen. Die US-Justiz will Assange wegen Spionagevorwürfen den Prozess machen. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu 175 Jahre Haft. Vorgeworfen wird ihm, gemeinsam mit der Whistleblowerin Chelsea Manning geheimes Material von US-Militäreinsätzen und von Kriegsverbrechen im Irak und in Afghanistan gestohlen, und veröffentlicht zu haben.
Laut Nils Melzer, Sonderberichterstatter für Folter der Vereinten Nationen, handelt es sich bei dem Fall um einen der „größten Justizskandale aller Zeiten“.
Seit dem 7. Dezember 2010 wird Julian Assange eingekastelt und seiner Freiheit beraubt. In Untersuchungshaft, anderthalb Jahre mit einer elektronischen Fußfessel, fast 82 Monate in der ecuadorianischen Botschaft in London – und seit bald drei Jahren im britischen Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh.
Vor allem das Asyl in der Botschaft sollte den heute 50 Jahre alten Australier vor einer Auslieferung in die USA schützen. Doch dieser Schritt erscheint inzwischen als immer wahrscheinlicher. Denn anders als erwartet darf Assange nun doch nicht vor das höchste britische Gericht ziehen.
Der Oberste Gerichtshof Großbritanniens wird sich nicht mit seinem Berufungsantrag im Verfahren um seine Auslieferung an die USA befassen, weil es keine ausreichenden Rechtsgründe dafür gebe.
Was sagt das werteorientierte (feministische) deutsche Außenministerium dazu, welches uns ja aus dem Tal der Rohheit, wie es in der unfeministischen Vergangenheit herrschte, laut Betitelung und Versprechen endlich herausführen wollte.
Befrag, hat sich Annalena Baerbock seinerzeit als Oppositionspolitikerin am 14. September 2021 klar für die Freilassung von Julian Assange ausgesprochen:
„Aufgrund schwerwiegender Verstöße gegen grundlegende Freiheitsrechte der Europäischen Menschenrechtskonvention im Umgang mit Julian Assange – allen voran gegen das Verbot von Folter (Art. 3), gegen das Recht auf Freiheit und Sicherheit (Art. 5), gegen das Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6) und gegen das Recht, keine Strafe ohne Gesetz zu erhalten (Art. 7) – schließen wir uns der Resolution der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 27. Januar 2020 sowie dem Appell des UN-Sonderbeauftragten Nils Melzer an und fordern die sofortige Freilassung von Julian Assange.“
Von dem Auswärtigen Amt ist nun unter Ministerin Annalena Baerbock 2022 folgendes zu vernehmen:
Die Bundesregierung hat keinen Anlass, an der Rechtstaatlichkeit, des Verfahrens und des Vorgehens der britischen Justiz zu zweifeln. (Auswärtiges Amt, 09.02.2022)
Ich plädiere dafür, dieses nicht als Widerspruch aufzulösen, schon gar nicht als Getue über die Zwänge des Regierens. Vielmehr sehe ich eine absolute, in sich logische Kontinuität am Werk: Man positioniere sich als Sachwalter des Guten, beanspruche darüber das Monopol für das Gute schlechthin – die Definitionshoheit darüber, was gut ist – und nun geht schlicht und ergreifend die Reise rückwärts. Wenn von mir das Gute angesteuert wird, dann ist alles, was ich mache – vor allem auch und gerade mit Staatsgewalt ausgerüstet – gut.
Dieses schlichte Verfahren beansprucht ja nun inzwischen den Rang einer Allbegründung für jedwede politische Lage, ob des Präferierens eines Lohnsklavenstaates wie Katar oder dem Absichern des Schlachtrufes „Waffen, Waffen, Waffen“. Der Vorteil dieses Verfahren besteht zweifelsohne darin, dass es Einwände gar nicht geben kann. Das Pendant zu „gut“ heißt nun einmal nicht Argument anderer politischen Orientierung, welcher Couleur auch immer, sondern „böse“. Und Böses gehört nun einmal isoliert und die Ecke gestellt – und zwar argumentlos.
Während sich große Teile Welt nach Ansicht der deutschen Regierung streng wertebasiert schwerer Menschenrechtsverletzungen zu Schulden kommen lässt, insbesondere der Unterdrückung und Einkerkerung alternativer Journalisten, geht es bei der nun schon jahrelangen Inhaftierung von Julian Assange streng rechtsstaatlich zu.
Und – jetzt das entscheidende Argument – das findet doch bei uns im freien Westen statt und wir sind doch diejenigen, die die Maßstäbe setzen und damit sind wir aus dem „Wettbewerb“.
Und das ist auch gut und richtig so. Wir sind schließlich über jeden Zweifel erhaben. Wer das bezweifelt, ist möglicherweise schon mal genauer in Augenschein zu nehmen.
Zu den geplanten Aktionen für Julian Assange am 10.12 2022 bitte die links (Quellen) aufsuchen: