Dutzende Journalist*innen haben Mitte November im Zentrum der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince gegen die Gewalt an Medienschaffenden demonstriert. Sie zogen bis zur Polizeistelle Delmas 33, wo der Journalist Romelson Vilsaint vom Radiosender Télé Zenith am 30. Oktober von Polizist*innen getötet worden war. Vilsaint war zur Polizei gegangen, um die willkürliche Festnahme des Journalisten Dimanche Robeste und vier weiterer Personen anzuzeigen.
In den vergangenen Monaten ist Haiti Schauplatz starker Proteste und Mobilisierungen gegen die Folgen der Wirtschaftskrise, die Regierung von Ariel Henry und drohende ausländische Interventionen geworden. Vor diesem Hintergrund haben auch die Angriffe auf Journalist*innen und führende Persönlichkeiten der Protestbewegung zugenommen. Zumeist gehen diese Angriffe von der Polizei und paramilitärischen Gruppen aus. Allein in diesem Jahr sind laut Daten der Interamerikanischen Pressegesellschaft SIP acht Journalist*innen in Haiti getötet worden.
Acht Morde und zahlreiche Angriffe auf Medienschaffende
Die jüngste dieser Gewalttaten ist der Mord an Fritz Dorilas, Co-Moderator der Sendung „Recht, Gesetz und Gerechtigkeit“ im Radio Megastar. Dorilas wurde am 5. November 2022 nahe seines Hauses im Viertel Tabarre im Nordosten der haitianischen Hauptstadt getötet. Weitere Fälle sind der bereits genannte Mord an Romelson Vilsaint am 30. Oktober, an Tess Gary von Radio Lebon FM am 24. Oktober, an Frantzsen Charles von FS News und Tayson Lartigue von Tijén Journalis am 11. September, an Maxihen Lazarre von Rois de Infos am 23. Februar sowie jener am Onlinejournalisten Wilguens Louissant und Amady John Wesley von Radio Écoute FM am 6. Januar dieses Jahres.
Weitere Medienschaffende sind in den vergangenen Wochen außerdem Opfer von Angriffen geworden. Dazu gehört Roberson Alphonse, der für das Onlineportal Le Nouvelliste und das Radio Magik 9 arbeitet. Am 25. Oktober wurde Alphonse in der Industriestadt Delmas in der Metropolregion Port-au-Prince von Bandenmitglieder angeschossen. Der Journalist Roubens „le Cayen“ wurde am 30. Oktober angeschossen. Die Polizei schoss auf ihn, als er mit vier weiteren Personen willkürlich festgenommen wurde. Der Vorwurf lautete: „öffentliche Störung und Aufruhr“.
Der Schriftsteller Clebert Eloius wäre am 3. November beinahe einem Mordattentat zum Opfer gefallen. Bewaffnete Gruppen hatten ihn in seinem Auto abgefangen, als er auf dem Weg zum Flughafen war. Seine beiden Begleiter erlagen ihren Schussverletzungen.
Besorgnis nimmt unter Journalist*innen zu
Jackson Jean, Telesur-Korrespondent in Haiti, meint, „es ist für Journalisten und Menschenrechtsaktivisten nichts neues, während Demonstrationen Tränengas und Kugeln ausgesetzt zu sein und die Gewalt von Banden zu erleben.“ Dennoch unterstreicht Jean: “Die Besorgnis unter Journalisten nimmt zu, denn in den vergangenen Monaten waren Medienschaffende das Hauptziel von Banden und der Polizei.“
Als Antwort auf diese Welle der Gewalt und um den getöteten Journalist*innen zu gedenken, hatte das Kollektiv von Onlinemedien CMEL für den 13. November zu einer Demonstration aufgerufen. Das Kollektiv ließ außerdem verlauten, dass seine Mitglieder weder über offizielle Einsätze der Polizei noch über andere Aktivitäten, die die Behörden bekannt machen wollen, berichten würden, bis die Polizei Berichte über die Ermittlungen in den Todesfällen öffentlich zugänglich macht. Damit forderte die Gruppe die Behörden dazu auf, in den Fällen getöteter Journalist*innen für Gerechtigkeit zu sorgen und bat die haitianische Gesellschaft darum, die Rechte von Journalist*innen zu respektieren, damit diese ihrer Arbeit friedlich nachgehen können.