Das Schiff Humanity 1 der NGO „SOS Humanity” lief vergangenen Samstagabend mit 179 Schiffbrüchigen an Bord im Hafen von Catania ein.
Wie in einer neuen Verordnung festgelegt, wurde eine Gesundheitsuntersuchung durchgeführt, um geschwächte Frauen und Kinder zu identifizieren – die einzigen, denen erlaubt wurde, an Land zu gehen.
Nach Angaben der NGO blieben am Ende der Untersuchung 35 Schiffbrüchige und nicht 24 wie ursprünglich angegeben an Bord des Schiffes. Es handelt sich dabei um erwachsene Männer ohne gesundheitliche Probleme. Somit wären 144 der 179 an Bord des Schiffes befindlichen Geflüchteten in Catania an Land gegangen.
“Die ersten, die von Bord gingen, waren Minderjährige und kleine Kinder, die von ihren Müttern begleitet wurden. Die Untersuchungen dauern noch an, doch Catania wurde uns nicht als sicherer Hafen zugewiesen“, so Petra Krischok, Sprecherin für SOS Humanity gegenüber Journalist*innen am Levante-Pier, nachdem die ersten Geflüchteten von Bord geholt wurden.
„Ich bin nicht die Kapitänin, ich entscheide nicht“, fügte sie hinzu, „doch wenn wir den Hafen von Catania verlassen und nicht alle Personen an Land gehen konnten, so wäre das illegal, denn sie sind alle Geflüchtete“. Zusätzlich zur Küstenwache waren im Hafen auch Ordnungskräfte, Ambulanzen, Freiwillige des Zivilschutzes und städtische Busse, die die von Bord gegangenen Personen zum Palaspedini, der Sporthalle an der Piazza Spedini transportierten.
“Die Infrastruktur”, so Marco Romano vom Zivilschutz der Stadt Catania, „ist bereit, alle an Bord der Humanity 1 befindlichen Gäste willkommen zu heißen. Selbst wenn sich das Gerücht bewahrheitet, dass noch mehr NGO Schiffe morgen in Catania einlaufen werden, werden wir uns bemühen, wie immer unsere bestmögliche Gastfreundschaft anzubieten“.
Der Entscheidung, die Frauen und Kinder von Bord zu holen, war ein zweiwöchiges Umherirren und 21 Ersuche an die zuständigen Behörden vorangegangen, die Geflüchteten an Bord in einen sicheren Hafen zu bringen. Am vergangenen Freitagabend war die Humanity 1 auf Grund eines Sturms und zum Schutz vor dem starken Wind und den hohen Wellen vor der sizilianischen Hafenstadt Catania in italienische Hoheitsgewässer eingelaufen, nicht ohne vorab das italienische Zentrum zur Rettungskoordination zu informieren und sich mit der verantwortlichen Hafenbehörde abzusprechen.
Am gleichen Abend hatte der Kapitän der Humanity 1 ein von den Ministern für Inneres (Matteo Piantedosi), Verteidigung (Guido Crosetti) und Infrastruktur & Mobilität (Matteo Salvini) unterzeichnetes Schreiben erhalten. Die Verordnung untersagte der Humanity 1 den Verbleib in italienischen Gewässern für einen längeren Zeitraum als „notwendig, um Rettungs- und Hilfsmaßnahmen für Menschen in Notsituationen und prekären gesundheitlichem Zustand durchzuführen“. Die Verordnung sah vor, dass besonders vulnerable Personen identifiziert würden und nur ein Teil der Überlebenden von dem Schiff, dass vor dem Hafen vor Anker lag, heruntergebracht würden.
„Die Verordnung des italienischen Innenministers ist ohne Zweifel rechtswidrig“, so Mirka Schäfer, Menschenrechtsbeobachterin bei SOS Humanity. „Geflüchtete an der italienischen Grenze zurückzudrängen, verstößt gegen die Genfer Flüchtlingskonvention und gegen internationales Recht. Alle 1078 Personen, die von der Humanity 1 sowie von den zivilen Rettungsschiffen Ocean Viking, Geo Barents und Rise Above aus Seenot gerettet wurden, sind schutzbedürftig. Italien ist verpflichtet, alle Geretteten sofort an Land gehen zu lassen.“
Mit Blick auf eine mögliche Auswahl der Geretteten an Bord der Humanity 1, für die das Schiff keinerlei Instruktionen erhalten hatte, führte Schäfer weiter an: „Alle 179 Überlebenden an Bord der Humanity 1 sind Menschen, die aus Seenot gerettet wurden und die nach internationalem Recht unverzüglich an einen sicheren Ort an Land gebracht werden müssen. Die Überlebenden sind aus Libyen geflohen, wo sie Menschenrechtsverletzungen wie der Folter ausgesetzt waren. Als Geflüchtete sind sie eindeutig in einem vulnerablen Zustand, einige von ihnen sind sichtbar traumatisiert. Den Geretteten muss es gestattet werden, sofort an Land zu gehen, wo sie medizinische und psychologische Hilfe erhalten können und sie ihr Recht ausüben können, um internationalen Schutz zu ersuchen. Sowohl nach internationalem Gesetz wie auch aus humanitärer Perspektive wäre es inakzeptabel, nur eine Auswahl der Überlebenden an Land zu lassen.“
Der Kapitän der Humanity 1, Joachim Schäfer, stellte klar: „Als Kapitän bin ich verantwortlich für alle Menschen an Bord. Nach über zwei Wochen auf See, unter diesen stürmischen Bedingungen und besonders mit dem im Hintergrund, was die Überlebenden in Libyen erlebt haben, sind all diese Menschen schutzbedürftig. Bald werden auch unsere Lebensmittel an Bord zur Neige gehen. Wir benötigen dringend einen sicheren Anlandungsort für jeden dieser Menschen. Das ist ihr Recht und ich werde dafür kämpfen.“
Seit Freitag litten die Menschen unter dem plötzlichen Wetterumschwung. Sie froren auf dem Deck, das nur notdürftig mit einer Plane geschützt ist und sie wurden nass während der regnerischen und stürmischen Nacht. Diese Wettersituation setzte den Menschen zusätzlich zu, besonders den mehr als 100 unbegleiteten Minderjährigen. Zusätzlich zu dem sich erheblich verschlechternden Wetter, wäre auch bald die angemessene Versorgung mit Lebensmitteln zu Ende gegangen: Für nur noch drei weitere Tage könnten zwei warme Mahlzeiten bereitet werden. Danach wären nur noch Couscous und Reis auf dem Schiff übrig.
„Wir rufen die europäischen Staaten und die Zivilgesellschaft auf, sofort zu handeln und nicht untätig zu bleiben und diese Ungerechtigkeit zu akzeptieren“, betonte Schäfer.
Gestern am späten Abend ging dann die Kraftprobe mit der neuen Regierung in Rom zu Ende und alle Geflüchtende durften in Catania das Rettungsschiff verlassen. Die Erleichterung bei den Hilfsorganisationen war entsprechend groß.
„Unsere Arbeit ist nicht vorbei, auch nicht, wenn die italienischen Behörden der Meinung sind, dass unsere Arbeit nicht rechtmäßig ist. Sie ist Pflicht, sie ist menschliche Pflicht, sie ist gesetzliche Pflicht,“ sagte Rummenhohl, der Einsatzleiter gegenüber DPA.
Der Beitrag wurde von Silvia Sander übersetzt und überarbeitet. Wir suchen Freiwillige!