Die Welt dreht sich schneller, als die Polizei erlaubt. Und wie oft ist die Tinte der Glossenschreiber noch nicht einmal richtig trocken, sind die Wahlurnen noch nicht versiegelt und die Pistolen noch nicht mal nachgeladen, da schmort der Wahlsieger bereits im Knast, ist kalt- oder wenigstes ruhiggestellt oder auch schon im Ausland. Weiß man’s?
Jair Bolsonaro jedenfalls hatte zeitlebens die Götter und Götzen hinter sich, die echt Evangelikalen, die dick Katholischen mit den roten Käppchen und die smarten Deutschen mit dem Klingelbeutel. Die große Mehrheit der in Brasilien tätigen deutschen Unternehmen hat sich unumwunden, offen, frech und frei – und rechtzeitig vor den Wahlen – für den sich jugendlich gebenden Gangster ausgesprochen: Bei ihm sind die Gewinnchancen am größten, wussten sie, der Holzeinschlag am kräftigsten, die seltenen Erden am seltensten und der Export hierzulande längst verbotener giftiger Substanzen nach Brasilien am sichersten. Und nicht wenige kannten ja noch aus den Zeiten der NSDAP (AO) das Prozedere der Teilhabe an Macht und fremdes Eigentum.
Aber vielleicht ist dieser Lula ja noch da? wird jetzt meine Omi Glimbzsch in Zittau fragen. Omi, dann wird ihm die Koalition der Obengenannten Feuer unterm Arsch machen, jeden Tag neu. Ganz vorn in dieser Liga von Populisten, Umweltzerstörern und Demokratie-Rettern spielt übrigens der Putschmacher Elon Musk mit: Er will endlich seine Meinungsfreiheit und Meinungsführerschaft retten, den Urwald kaufen und Bolsonaro küssen, wo auch immer. Am liebsten als Präsidenten.
Dass die Würde des Menschen unantastbar ist, glaubt nicht mal unser Bundespräsident. Und so holt er bei seiner neulichen Rede an die Nationen für Generalissimus Putin erstmal den Knüppel aus dem Sack: Pazifismus war gestern, Freundchen! Hier wird nicht verhandelt, hier wird gekämpft. Der clevere Sozialdemokrat erinnert sich möglicherweise gern an den Hindukusch, an dem auch ja bis zum Geht-nicht-mehr unsere Werte, unsere Würde und Freiheit verteidigt wurden, bis das letzte Flugzeug abhob und so mancher Zurückgebliebene traurig hinterher winkte, wie im echten Leben.
Seit wir wissen, dass auch unsere Demokratie zur kritischen Infrastruktur gehört und dass sie gewaltig unter Druck steht, wird mehr von Demokraten verlangt, mehr als Bekenntnisse. Es wird Engagement verlangt, Widerstandsgeist und Widerstandskraft, sagt Frank Walter Steinmeier. Jetzt wird es ernst. Jetzt müssen wir alle zusammenhalten – ob preiswerte Rentnerin oder teurer Mineralölkonzern. Jeder an seinem Platz.
Der eine an der Börse, der andere ohne Börse und in der Wärmestube.
Peter Grohmann’s „Wettern der Woche“
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