Unter dem Thema „Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, danach kannst du sehen und den Splitter aus dem Auge deiner Schwester oder deines Bruders ziehen. (Lukas 6,42) – Spaltung. Krieg. Gewaltfreiheit“ haben sich vor wenigen Tagen mehr als 100 Mitglieder und Freund*innen von Church and Peace aus vielen Ländern zur diesjährigen internationalen Konferenz in Kroatien getroffen.
Es ging darum, voneinander und von den Erfahrungen der Friedensstifter*innen im Land und in der Region zu lernen. Im Zentrum stand die schwierige Frage des Festhaltens an der gewaltfreien Vision des Evangeliums in den heutigen Zeiten des Krieges.
Angesichts der verheerenden Auswirkungen des Ukraine-Kriegs fordert das europäische Netzwerk Church and Peace in seiner diesjährigen Konferenz dazu auf, alles zu unternehmen, damit schnell ein Waffenstillstand erreicht wird und diplomatische Verhandlungen beginnen können.
Die Konferenz war eine Chance, von den Friedensstifter*innen in der Region Westbalkan/Südosteuropa zu lernen. Sie alle, ob Christ*innen oder Muslim*innen, haben Erfahrungen mit gewaltfreiem Handeln im Krieg sowie in der Versöhnungsarbeit der Nachkriegszeit, die auch 25 Jahre danach noch immer notwendig ist, um einen nächsten Krieg zu verhindern.
Eindrücklich war ihre Feststellung:
„Wenn man den Krieg vom Anfang her anschaut, scheint militärischer Widerstand plausibel, scheint er eine mögliche Lösung.
Wenn man ihn vom Ende her anschaut, ist die ‚militärische Lösung‘ eine Katastrophe.
Wir haben wahrhaftig Erfahrungen damit, was Krieg bedeutet.“
Eindrücklich war ebenso die Erfahrung der Friedensstifter*innen, welch zentrale Bedeutung der Zugang zu Wissen hat, sowohl über alternative Informationsquellen als auch über gewaltfreie Widerstandsformen wie zivilen Ungehorsam.
Die mehr als 100 Teilnehmenden aus 13 europäischen und 4 außereuropäischen Ländern[1] teilten die Erfahrungen von schärfer werdenden Auseinandersetzungen und Spaltungen in Bezug auf Klimakrise, Flüchtlingssituation, Pandemien, Auseinanderdriften von Armut und Reichtum sowie die Konsequenzen aus dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine.
„Wir müssen den Balken im eigenen Auge sehen und damit unseren Anteil an und unsere Verantwortung für diese Krisen übernehmen, um glaubwürdig und klarsichtig zu sein und die richtigen Schritte zu tun“, so Antje Heider-Rottwilm, Vorsitzende von Church and Peace.
Die Teilnehmenden stellten fest:
Wir sind unglaubwürdig, wenn wir uns immer noch drücken vor Selbstbegrenzung und dem Teilen von Ressourcen, und damit die globale Spaltung und die Klimakrise eskalieren.
Und wir sind unglaubwürdig in Bezug auf die ‚westlichen‘ Werte wie Menschenrechte und Solidarität, wenn wir nicht Geflüchtete und Kriegsdienstverweigerer aufnehmen und ihnen sichere Räume bieten.
Wir sind unglaubwürdig, wenn wir – trotz allen Entsetzens angesichts der Brutalität im Ukraine-Krieg – nicht weiterhin für eine Grundvoraussetzung aller Konflikttransformation eintreten: die jeweils andere Seite mit ihrer Geschichte und ihren Interessen wahrnehmen sowie ihre Verstrickung mit globalen Machtinteressen.
Die Konferenz unterstrich, dass der Krieg in der Ukraine nicht als Beweis für die Unwirksamkeit von Gewaltfreiheit herhalten kann, denn eine konsequent gewaltfreie ‚westliche‘ Sicherheitspolitik wurde bisher nicht entwickelt.
Sie schloss sich dem Votum der 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Karlsruhe an:
„Als Antwort auf wachsende Militarisierung, Konfrontation und Proliferation von Waffen rufen wir die Regierungen Europas und der gesamten internationalen Gemeinschaft zu viel größeren Investitionen in die Suche nach und Förderung von Frieden sowie zur Stärkung von Maßnahmen zur friedlichen Konfliktbewältigung, zivilen Konflikttransformation und Versöhnungsprozessen, anstatt in die Ausweitung von Konfrontation und Teilung auf…[2] Wir erkennen an, dass es im Krieg keine ‚Gewinner‘ gibt und dass niemand jemals auf Krieg zurückgreifen sollte.“[3]
Church and Peace insistiert darauf, das Vertrauen in zivile Konflikttransformation und politische Lösungen nicht zu diskreditieren und hält stattdessen an der gewaltfreien Vision des Evangeliums fest – auch und gerade in Zeiten des Krieges.
Zugleich geht es aber auch darum, die Entscheidungen der Menschen in der Ukraine und anderen Konfliktgebieten zu respektieren und dennoch diese Vision einer gewaltfreien Alternative offenzuhalten.
Die Bibel berichtet, dass Noah die Taube ausschickte und sie erst beim zweiten Mal zurückkam mit einem Olivenzweig, dem Hoffnungszeichen für einen Neubeginn. Noch bringt die Taube keinen Olivenzweig! Wir hoffen, beten und lassen uns nicht entmutigen im Vertrauen auf den Gott des Friedens.
[1] Aus Ägypten, Belgien, Bosnien-Herzegowina, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Kanada, Kroatien, Litauen, Niederlande, Nord-Mazedonien, Schweden, Schweiz, Serbien, Togo, USA
[2] https://www.oikoumene.org/de/resources/documents/war-in-ukraine-peace-and-justice-in-the-european-region
[3] s.o.