Erklärung der ukrainischen Pazifisten-Bewegung, verabschiedet auf dem Treffen zum Internationalen Tag des Friedens am 21. September 2022.
Wir, die ukrainischen Pazifisten verlangen und werden bestrebt sein, den Krieg mit friedlichen Mitteln zu beenden und das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen zu schützen.
Frieden, nicht Krieg, ist der Maßstab für menschliches Leben. Krieg ist ein organisierter Massenmord. Unsere heilige Pflicht ist, nicht zu töten. Während die moralische Orientierung überall verloren geht und die selbstzerstörerische Unterstützung für Krieg und Militär steigt, ist es heutzutage besonders wichtig für uns, den gesunden Menschenverstand zu behalten, unserer gewaltfreien Lebensform treu zu bleiben, Frieden zu schaffen und friedfertige Menschen zu unterstützen.
Die UN-Generalversammlung verurteilte die russische Aggression gegen die Ukraine, forderte eine sofortige friedliche Konfliktlösung zwischen Russland und der Ukraine und betonte, dass die Konfliktparteien die Menschenrechte und das internationale Völkerrecht achten müssen. Wir teilen diesen Standpunkt.
Die gegenwärtige Kriegspolitik bis hin zum uneingeschränkten Sieg und der Geringschätzung der Kritik von Menschenrechtsverteidigern ist unzumutbar und muss geändert werden. Was wir brauchen sind ein Waffenstillstand, Friedensgespräche und ernsthafte Bemühungen, um die tragischen Fehler zu korrigieren, die auf beiden Seiten des Konflikts gemacht wurden.
Eine Verlängerung des Krieges hat katastrophale, tödliche Folgen und zerstört weiterhin das Wohl von Gesellschaft und Umwelt nicht nur in der Ukraine, sondern auf der ganzen Welt. Früher oder später werden sich die Parteien an den Verhandlungstisch setzen, wenn nicht aufgrund ihrer vernünftigen Entscheidung, dann unter dem Druck unerträglichen Leidens und Schwächung, wobei man letzeres durch die Wahl des diplomatischen Weges besser vermeiden sollte.
Es ist falsch, sich auf die Seite einer der kriegsführenden Armeen zu stellen, es ist unerlässlich, auf der Seite von Frieden und Gerechtigkeit zu stehen. Selbstverteidigung kann und sollte mit gewaltlosen und waffenlosen Maßnahmen durchgeführt werden. Jede gewaltsame Regierung ist rechtswidrig und nichts rechtfertigt die Unterdrückung von Menschen und das Blutvergießen für die trügerischen Ziele der absoluten Kontrolle oder der Eroberung von Gebieten. Niemand kann sich für seine eigenen Verbrechen der Verantwortung entziehen, indem er behauptet, ein Opfer der Verbrechen anderer zu sein. Falsches und sogar kriminelles Verhalten einer Partei kann nicht die Mythenbildung über einen Feind rechtfertigen, mit dem es angeblich ausgeschlossen ist, zu verhandeln, und der um jeden Preis, einschließlich der Selbstvernichtung, zerstört werden muss. Der Wunsch nach Frieden ist ein natürliches Bedürfnis eines jeden Menschen, und seine Ausdrucksform kann eine falsche Verbindung mit einem mythischen Feind nicht verantworten.
Das Menschenrecht auf Wehrdienstverweigerung aus Gewissengründen war in der Ukraine nicht einmal in Friedenszeiten nach internationalen Richtlinien gewährleistet, ganz zu schweigen von den derzeitigen Bedingungen des Kriegsrechts. Der Staat hat jahrzehntelang schändlicherweise eine ernsthafte Antwort auf die entsprechenden Vorschläge der UN-Menschenrechtskommission und auf die öffentlichen Proteste vermieden, und tut dies weiterhin. Obwohl der Staat dieses Recht nicht einmal in Kriegszeiten oder einem anderen öffentlichen Ausnahmezustand schmälern kann, wie es im Internationalen Abkommen für bürgerliche und politische Rechte heißt, weigert sich die Armee in der Ukraine, das allgemein anerkannte Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen anzuerkennen und lehnt sogar ab, die Wehrpflicht durch Aktivierung eines nichtmilitärischen Zivildienstes gemäß der Verordnung der ukrainischen Verfassung zu ersetzen. Solch eine skandalöse Missachtung der Menschenrechte sollte in einem Rechtsstaat keinen Platz haben.
Der Staat und die Gesellschaft müssen die Gewaltherrschaft und den rechtlichen Nihilismus der ukrainischen Streitkräfte beenden, die sich in einer Politik der Bedrohungen und krimineller Bestrafung äußert wegen der Ablehnung, sich am Kriegseinsatz zu beteiligen und der erzwungenen Umkehrung von Zivilisten in Soldaten, aufgrund derer sich Zivilisten weder innerhalb des Landes frei bewegen noch ins Ausland gehen können, selbst wenn sie existenzielle Bedürfnisse haben, um sich vor der Gefahr zu retten, eine Ausbildung zu erhalten, Mittel für den Lebensunterhalt, für berufliche und gestalterische Selbstverwirklichung usw. zu finden.
Die Regierungen und bürgerlichen Gesellschaften auf der Welt, die in den Strudel des Konflikts zwischen der Ukraine und Russland und der weitreichenden Feindschaft zwischen NATO-Ländern, Russland und China hineingezogen wurden, schienen ohnmächtig gegenüber der Geißel des Krieges. Sogar die Androhung der Vernichtung allen Lebens auf dem Planeten durch Atomwaffen hat dem irrsinnigen Wettrüsten kein Ende gesetzt, und der Haushalt der UNO, der wichtigsten Institution für Frieden auf der Erde, beläuft sich nur auf drei Milliarden Dollar, während die weltweiten Militärausgaben um das Hundertfache höher sind und einen verrückten Betrag von zwei Billionen Dollar überschritten haben. Wegen ihrer Neigung, ein Massenblutbad zu veranstalten und Menschen zum Töten zu zwingen, haben Nationalstaaten bewiesen, für eine gewaltlose demokratische Staatsführung und der Durchführung ihrer Grundfunktionen zum Schutz des Lebens und der Freiheit der Menschen nicht in der Lage zu sein.
„Nach unserer Ansicht wird die Eskalation der bewaffneten Konflikte in der Ukraine und in der Welt dadurch ausgelöst, dass die bestehenden wirtschaftlichen, politischen und rechtlichen Systeme, das Bildungswesen, die Kultur, die Zivilgesellschaft, die Massenmedien, die Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die Führungskräfte, die Wissenschaftler, die Sachverständigen, die Fachleute, die Eltern, die Lehrer, die Mediziner, die Denker, die kreativen und religiösen Akteure ihre Aufgaben zur Festigung der Normen und Werte einer gewaltfreien Lebensform nicht in vollem Umfang wahrnehmen, wie es die Erklärung und das Maßnahmenprogramm über eine Friedenskultur, verabschiedet von der UN-Generalversammlung, vorsieht. Beweise für die versäumten friedensstiftenden Aufgaben sind die veralteten und gefährlichen Praktiken, die beendet werden müssen: militärisch-patriotische Erziehung, Wehrpflicht, Fehlen einer systematischen, öffentlichen Friedenserziehung, Kriegspropaganda in den Massenmedien, Unterstützung des Krieges durch Nichtregierungsorganisationen, Abneigung einiger Menschenrechtsaktivisten, sich konsequent für die vollständige Realisierung der Menschenrechte auf Frieden und Kriegsdienstverweigerung aus Gewissengründen einzusetzen. Wir erinnern die Interessenvertreter an ihre friedensstiftenden Aufgaben und werden eisern auf die Erfüllung dieser Aufgaben pochen“, so der Exekutivsekretär der ukrainischen Pazifisten-Bewegung, Juri Schejaschenko.
Wir fassen es als Ziele unserer Friedensbewegung und aller Friedensbewegungen der Welt auf, das Menschenrecht auf Verweigerung des Tötens, auf Beendigung des Krieges in der Ukraine und aller Kriege in der Welt, auf Gewährleistung eines nachhaltigen Friedens und Entwicklung für alle Menschen auf dem Planeten zu wahren. Um diese Ziele zu erreichen, werden wir die Wahrheit sagen über das Böse und die Irreführung des Krieges, praktisches Wissen lernen und vermitteln über ein friedliches Leben ohne Gewalt oder mit deren Minimierung, und wir werden den Notleidenden helfen, insbesondere denjenigen, die durch Kriege und ungerechtem Zwang betroffen sind, die Armee oder die Kriegsbeteiligung zu befürworten.
Krieg ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, aus diesem Grund sind wir entschlossen, keine Art von Krieg zu unterstützen und die Beseitigung sämtlicher Kriegsursachen anzustreben.
Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Doris Fischer vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!