Attac: Steuer ist angesichts der Energiekrise unverändert nötig
Vor knapp 10 Jahren, am 9. Oktober 2012, einigten sich elf EU-Länder inklusive Österreich beim EU-Finanzministerrat in Luxemburg auf die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. (1) Die Umsetzung wurde kurz danach bereits mit Jänner 2014 ins Auge gefasst.
Doch obwohl der Beschluss nach wie vor gültig ist, gibt es die Steuer bis heute nicht. Auch die Gruppe der „willigen Staaten“ besteht schon lange nicht mehr. Von der Absicht, den Finanzsektor an den Kosten der Finanzkrise zu beteiligen, ist nichts übrig geblieben.
Verantwortlich dafür ist das jahrelange massive Lobbying des französischen und deutschen Bankensektors sowie großer Investmentbanken, unter ihnen Citigroup, Goldman Sachs und Morgan Stanley. Sie haben die Umsetzung erfolgreich torpediert. (2)
„Die Finanztransaktionssteuer ist ein trauriges Beispiel dafür, wie die Regierungen den Profit-Interessen von Banken Vorrang gegenüber den Interessen der Allgemeinheit einräumen“, kritisiert Mario Taschwer von Attac Österreich. Denn eine umfassende Finanztransaktionssteuer würde kurzfristige Spekulationen unattraktiv machen, die Märkte stabilisieren, Finanzkrisen vorbeugen und reale Investitionen fördern. (3)
Auch in der Energiekrise fehlt die Finanztransaktionssteuer
Die Notwendigkeit und Richtigkeit der Steuer ist unverändert. Das zeigt auch die aktuelle Energiekrise: „Eine Finanztransaktionssteuer wäre ein effektives Mittel, um die verrücktspielenden Preise auf den Energiebörsen zu stabilisieren. Der Anreiz, Energie-Terminkontrakte zu immer höheren Preisen zu kaufen und zu verkaufen, würde reduziert. Das würde auch die Preissteigerungen dämpfen“, erklärt Taschwer. Zu diesem Schluss kommt auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). „Während die Profiteure auf den Energiemärkten kurzfristige Profite machen, leiden Menschen, Betriebe und – wie der Fall der Wien Energie zeigt – auch die Energieunternehmen selbst unter dem unregulierten Energie-Casino“, sagt Taschwer.
Die Einnahmen der Steuer könnten zudem für Investitionen in erneuerbare Energien verwendet werden. Eine Studie des DIW bezifferte schon 2015 die erwartbaren Einnahmen für Österreich mit bis zu 1,5 Milliarden Euro.
Attac: Finanztransaktionssteuer muss wieder auf die politische Agenda
Nicht nur die Energiekrise, sondern auch die grundsätzliche Instabilität auf den Finanzmärkten ist für Attac Grund genug, eine umfassende Finanztransaktionssteuer wieder auf die politische Agenda zu setzen. (3) Der Gesetzesvorschlag der EU-Kommission aus dem Jahr 2011 bildet nach wie vor einen geeigneten Ausgangspunkt. Attac fordert dabei die flächendeckende Einführung eines einheitlichen Steuersatzes von 0,1 Prozent ohne Ausnahmen bei der Steuerbasis – insbesondere bei Derivaten.
Risiko einer schweren Finanzkrise ist noch immer groß
Die Finanztransaktionssteuer ist die Gründungsforderung von Attac. (Siehe auch: Eine kleine Geschichte der Finanztransaktionssteuer). Sie ist ein notwendiges, aber bei weitem nicht ausreichendes Mittel, um Finanzmärkte effektiv zu regulieren:
„Egal ob Finanztransaktionssteuer, Zerteilung systemrelevanter Banken, die Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken, die Regulierung von Schattenbanken oder ein Verbot riskanter Finanzprodukte und Geschäftspraktiken – keine dieser Mindestanforderungen für eine strengere Regulierung des Finanzsektors wurde umgesetzt. Auch die Eigenkapitalanforderungen für Großbanken sind nach wie zu niedrig. Das Risiko einer schweren Finanzkrise ist noch immer groß. Und im Ernstfall muss wieder die Allgemeinheit die Kosten tragen“, warnt Taschwer.
(1) Die 11 Staaten: Österreich, Deutschland, Frankreich, Belgien, Griechenland, Portugal, Slowenien sowie Estland, Spanien, Italien und die Slowakei.
(2) Detailliert nachgezeichnet unter anderem in „The Struggle Over the Financial Transactions Tax – A Politico-economic Farce, Stephan Schulmeister, WIFO Working Papers, No. 474
(3) Der zuletzt kolportierte deutsch-französische Vorschlag für eine reine Aktiensteuer ist das Ende der Finanztransaktionssteuer. Nicht erfasst wären damit aber genau jene Finanzinstrumente, die der Spekulation dienen und die Wirtschaft destabilisieren – darunter Derivate und alle außerbörslichen Transaktionen. Damit würde auch die erhoffte Lenkungsfunktion der Steuer völlig entfallen.
(4) Eine vor 3 Jahren eingereichte parlamentarische Bürgerinitiative zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer liegt seit 2 Jahren unbehandelt im Finanzausschuss des österreichischen Parlaments.