Daniela Gschweng für die Online-Zeitung INFOsperber
Bereits 2021 sind die Lebensmittelpreise weltweit laut der Welthungerhilfe um 28 Prozent gestiegen. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine gab es noch einmal einen drastischen Anstieg, inzwischen sind sie wieder etwas gesunken. Bis Anfang August bezahlten Konsumentinnen und Konsumenten weltweit 11,5 Prozent mehr als 2021, meldeten die Vereinten Nationen am 5. August.
Für die einen bedeutet das Rekordgewinne, für andere Wohlstandsverlust und drohende Hungersnot. Profitiert haben vor allem die Logistikunternehmen und die grossen globalen Lebensmittelkonzerne.
Die Gewinner: Archer-Daniels, Bunge, Cargill, Louis Dreyfus
Ohne «ABCD» geht auf dem Lebensmittelmarkt nichts. Damit bezeichnet der «Guardian» die Grössten der Branche. Zusammengefasst werden damit die Konzerne Archer-Daniels-Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Das Quartett kontrolliert zusammen schätzungsweise 70 bis 90 Prozent des globalen Getreidehandels.
Nicht die gesamte Preissteigerung sei durch Knappheit begründet. Daten, die die Konzerne selbst gemeldet haben, bestätigen: Den Lebensmittelgiganten geht es so gut wie selten.
- Archer-Daniels-Midland machte im zweiten Quartal 2021 die höchsten Profite der Unternehmensgeschichte.
- Der Umsatz von Bunge stieg im zweiten Quartal um 17 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum, der Gewinn wurde laut dem «Guardian» von vorherigen Belastungen beeinflusst.
- Cargill meldete eine Gewinnsteigerung um 23 Prozent für das Ende Mai endende Geschäftsjahr, der Konzern machte 165 Milliarden Dollar Gewinn.
- Louis Dreyfus meldete für 2021 einen Gewinnanstieg von 80 Prozent, insgesamt stiegen die Gewinne auf 1,62 Milliarden Dollar.
«Die globalen Getreidemärkte sind noch stärker konzentriert als die Energiemärkte und noch weniger transparent, so dass die Gefahr von Profitmacherei gross ist», sagt Olivier De Schutter, Co-Vorsitzender des Internationalen Expertengremiums für nachhaltige Ernährungssysteme (IPES Food) und UN-Sonderberichterstatter für extreme Armut und Menschenrechte gegenüber dem «Guardian».
Der Krieg in der Ukraine ist nur einer von vielen Gründen
Der russische Angriff auf die Ukraine hat eine schon angespannte Lage verschärft. Dazu kommen Wetterextreme in vielen Regionen der Welt, hohe Düngemittel- und Energiepreise, Mitnahmeeffekte und die Furcht vor weiterer Knappheit.
Getreide wird dabei nicht nur immer teurer, es kostet auch immer mehr, es zu transportieren. Das hatte und hat mehrere Gründe, Transport- und Logistikunternehmen wie Maersk jedenfalls haben davon ebenfalls überproportional profitiert, listet die BBC in einer Sammlung der Krisengewinner auf.
Ein weiterer Grund für steigende Preise sei Spekulation, sagt Alex Maitland von Oxfam, das sich für eine Übergewinnsteuer einsetzt, was auch die EU-Kommission ihren Mitgliedern empfiehlt.
Die Verlierer: Libanon, Zimbabwe, Venezuela, Türkei
Die steigenden Lebensmittelpreise werden viele Länder einen Teil ihres Wohlstands kosten, etwa ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts BIP sei möglich, prognostiziert die Weltbank. Länder, deren Schuldenrahmen ausgereizt ist, steuerten auf eine ernste Krise zu.
Stark betroffen sind beispielsweise Zimbabwe, wo Lebensmittel nach neuesten Daten um 309 Prozent teuer wurden, Venezuela (155 Prozent) und die Türkei (95 Prozent). Bangladesh und Sri Lanka haben den Internationalen Währungsfonds um Hilfe gebeten.
Am schlimmsten erwischt hat es den Libanon. Nach der Explosion eines Beiruter Getreidelagers vor zwei Jahren stiegen die Preise für Lebensmittel bis Juni um 332 Prozent, die Inflation im Land liegt bei über 150 Prozent.
Die von Hunger Bedrohten: Äthiopien, Südsudan, Jemen, Nigeria, Libanon
Libanon gehört zu den Ländern, in denen es nicht mehr um sinkenden Wohlstand geht, sondern um Hunger. Betroffen sind laut der Weltbank fast alle Länder mit mittlerem und niedrigem Einkommen.
Die Zahl der von Nahrungsmittelknappheit bedrohten Menschen habe sich im Vergleich zur Zeit vor der Covid-Pandemie von 135 Millionen auf 345 Millionen mehr als verdoppelt, gibt der «Guardian» mit Verweis auf die Food and Agriculture Organization (FAO) der Vereinten Nationen an. Die meisten davon leben im globalen Süden, der grösste Teil in Afrika.
Die Welthungerhilfe geht davon aus, dass weltweit 828 Millionen Menschen hungern und mehr als zwei Milliarden mangelernährt sind. Besonders kritisch sei die Situation in Ländern, die gleichzeitig von steigenden Preisen, internen Konflikten und der Klimakrise betroffen sind. Sie warnt vor Hungersnöten in Äthiopien, Südsudan, Jemen und Nigeria.