Martina Frei für die Onlinezeitung Infosperber
Viele Opfer sexueller Gewalt in den USA sollen anschliessend noch mehrere Tausend Dollar zahlen.
Bei einer Umfrage gab in den USA jede vierte Frau an, dass sie in ihrem Leben schon einmal vergewaltigt worden sei oder Opfer eines Vergewaltigungsversuchs wurde1. Das allein ist schon schlimm. Das Gesundheitssystem setzt aber noch eins drauf: Die Opfer sexueller Gewalt erhalten nämlich nicht selten noch eine happige Rechnung.
Allein im Jahr 2019 bekam schätzungsweise jede sechste betroffene Person solche Post. Überproportional häufig waren dies Frauen und Mädchen aus armen Quartieren. Absender der Rechnung war die Notfallambulanz, an die sich die Opfer hilfesuchend gewandt hatten.
Etwa 3’700 US-Dollar sollten die Opfer sexueller Gewalt, die keine Krankenversicherung hatten, durchschnittlich für die Untersuchung und Behandlung aus eigener Tasche bezahlen – wobei die Rechnung nach einer Vergewaltigung mit durchschnittlich etwa 2’900 Dollar geringer ausfiel als die Rechnung nach sexuellem Missbrauch (circa 4’350 Dollar).
Ein US-Gesetz verbietet es, in solchen Situationen Untersuchungen für die Beweiserhebung in Rechnung zu stellen. Doch verrechnet werden können die Wundversorgung, Beratung, Notfall-Anti-Baby-Pille und anderes mehr. Diese Praxis könnte dazu führen, dass gerade die armen Bevölkerungsgruppen, die am meisten von sexueller Gewalt betroffen sind, am wenigsten medizinische Hilfe suchen würden. Das befürchten die US-Medizinerinnen, die auf dieses Problem im «New England Journal of Medicine» aufmerksam machen.
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1 Diese Umfrage wurde im Auftrag der US-Gesundheitsbehörde CDC von September 2016 bis Mai 2017 durchgeführt. Nur 7,6 Prozent der Befragten antworteten. Dennoch geht die CDC aufgrund von weiteren Analysen davon aus, dass die erhobenen Zahlen für die USA repräsentativ sind oder sogar noch unterschätzt werden.