Ich ging mal mit einer Freundin und ihrem kleinen Sohn am See spazieren. Weil wir uns aus einer religiösen Gemeinde kannten, hatten wir oft im wahrsten Sinne Gespräche um Gott und die Welt. Ihr Sohn ist mit einer leichten Behinderung auf die Welt gekommen und sie hatte eine sehr schwierige Ehe hinter sich. Doch jetzt beim Spaziergang waren beide glücklich.
Nach einer Weile setzten wir uns auf eine Bank, schauten in die Sonne und über den großen weiten See. Alles war warm und friedlich. Sie hatte Butterkekse dabei und ich so runde Doppelkekse mit Schoko drin. Irgendwann biss ich in einen Keks und sagte dabei: „Ist es nicht schön, genau zu wissen, dass das der Sinn des Lebens ist?“ Sie lachte los, weil ihr gleich alle Schwierigkeiten und auch die ganzen Diskussionen einfielen um Religion, Politik und gutes Benehmen und wie wichtig auch viele aus der Gemeinde viele Dinge nahmen, bloß alles richtig zu machen. Doch sie gab mir Recht: „Ist das nicht irre?“
Einige Jahre später hatte ich eine Fortbildung in Projektmanagement. Da war auch jemand aus Eritrea dabei. Er war als kleines Kind nach Deutschland gekommen und überwiegend hier aufgewachsen. Als er das erste Mal nach Eritrea zu seiner Familie kam, wollte er gleich wieder weg. So groß war der Kulturschock und er wusste nicht einmal wie und wo er auf Toilette gehen durfte. So nach und nach fand er alles raus und akklimatisierte sich langsam. Wir unterhielten uns über das Verhältnis in Eritrea und Äthiopien. Er erzählte mir von dem Konflikt und wie Äthiopien nicht das Wasser nach Eritrea lässt. Ich schaute nach beiden Ländern und verstand nicht wie ein so grünes und fruchtbares Land wie Äthiopien jemals zur Dritten Welt zählen konnte. Er meinte: „Das versteht keiner. Unsere inoffizielle Hymne ist ein Lied: ‚Meine Natur ist das Lächeln‘.“
Als ich ihm von der Geschichte mit meiner Freundin erzählte platzte es aus ihm heraus: „Genau das ist mir auch passiert. Ich saß mit einem Freund am Straßenrand. Wir warteten auf den Bus und aßen süße, saftige Orangen. Da sagte mein Freund genau dasselbe: ‚Ist es nicht schön, genau zu wissen, dass das der Sinn des Lebens ist?‘“
In letzter Zeit hab ich mich nun wieder auf Diskussionen in interreligiösen Gruppen eingelassen. Da kam auch jemand dazu, der sehr viel zu allen Hintergründen und Zusammenhängen von Sprache, Kultur und Religion recherchiert hat. Er verfasst viele lange Texte dazu. Freunde sammeln diese in einer Webseite. Er selbst ist schon alt und hat viel an Diskriminierung erlebt. Als eine Schlussfolgerung zu allem beschreibt er eine innewohnende Sehnsucht nach gutem und einfachem Leben. Es sei ganz natürlich, in Stämmen und Gemeinden zu leben, Spaß zu haben, zu singen, zu tanzen und am Feuer Geschichten zu erzählen.
Bis heute bin ich überzeugt, dass die Orange der Schokokeks von Afrika ist. Und wieder kommt dieselbe Frage in mir auf – ist es nicht schön, genau zu wissen, dass das der Sinn des Lebens ist?