Die über die Jahre des Kalten Krieges verlaufenden Ereignisse bis 1990 und danach können zwangsläufig zu unvollkommenen Gedanken über den Weltenlauf führen. Die Meinungsvielfalt misst sich an denkbaren, an einer breiten Palette plausibel erklärbaren Ansichten über eine mögliche Zukunft, meint Michael Andrick (BLZ 26.7.2022). Die Begleitmuster der Reise der USA sind erkennbar, aber simpel gedacht.
I. Ein erstes Etappenziel der Führungsgruppe der USA im 20. Jahrhundert ist bereits erreicht
Die UdSSR hat sich bis 1990 verkleinert und in die Gestalt der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) transformiert. Der Warschauer Pakt als bewaffneter Arm war aufgelöst, der Rat der Gegenseitigen Wirtschaftshilfe (RGW) hat sein Ende selbst beschlossen. Die von den Präsidenten Gorbatschow und Bush j. verabredete neue Sicherheitsarchitektur für die globale Welt blieb beim ersten guten Schritt der Bildung der OSZE und einigen Abrüstungsvereinbarungen stehen. Waren die Veränderungen der UdSSR und des sozialistischen Lagers fehlerhaft?
Trotz der Veränderungen blieb Russland der flächenmäßig größte Staat der Welt. Das Land belegt die 6. Stelle als Wirtschaftsmacht und ist ständiges Mitglied des Sicherheitsrates der UNO. Möglicherweise aus Verständnis für eine neue Zeit ohne Weltkriege, zog Russland 1986 seine militärischen Verbände aus Afghanistan zurück. Die Entscheidung zum Rückzug von Trump hatte andere Motive. Indes wurde die Waffenproduktion in Russland und den großen NATO-Staaten nicht gedrosselt. Eine Pattsituation bei Atomwaffen ist wohl keine Garantie für den ewigen Frieden.
Die USA verfolgte ihre Wegroute weiter mit einem Kompass, dessen Nadel auf „H“ (Hegemonie) ausgerichtet war. Doch nicht alles gelang, wie erwünscht. Eine Finanzkrise der Großen der Welt des Kapitals bereitete 2008 Sorgen, wie auch der globale Wirtschaftswettbewerb. Das Unwesen der Apartheid schien von der Regierung nicht beherrschbar zu sein. Die unaufhaltsame Spaltung der US-Gesellschaft in arm und reich wurde nicht verkleinert. Kriege unter Teilnahme der USA nahmen kein Ende. Afghanistan erteilte schließlich die Lehre, dass Gesellschaftssysteme nicht von außen militärisch verändert werden können. Hinterlassenschaften der Kriege im Irak, Libyen und Syrien geben zu denken.
Die neue Zeit reagierte zusätzlich mit Unbilden des Klimas, als Folge menschlicher Eingriffe in die Gesetzmäßigkeiten der Natur. Ungebremstes Wirtschaftswachstum und Unvernunft der Entsorgung störten natürliche Gesetze. Die Natur mahnt die Regierungen, dass das Prinzip der Freiwilligkeit nicht mehr reicht. Umstellungen sind in der Gesetzgebung erforderlich, um das Klima dem Menschen verträglich zu erhalten.
Und schließlich fordert das Auftreten der COVID-Pandemie von allen Regierungen international abgestimmte humanistische Entscheidungen jenseits egoistischer Positionen. Ein Anspruch, der nicht verwirklicht wird.
II. Die nächste Wegstrecke hat am 24. im Februar 2022 begonnen
Nachdem Präsident Putin in eine langfristig angelegte Falle der NATO unter Führung der USA getreten ist und Russland sich aus eigenem Willen ein vieldeutiges Oligarchen-System zugelegt hat, stieg der Hoffnungspegel von Präsident Biden und seinen Followern erheblich. Russland sei reif, in das neoliberale System eingereiht zu werden. Rechtlich unsaubere Wirtschafts-Sanktionen der G7 sollten Hilfestellungen dazu leisten, nicht ganz ohne Strafgedanken.
Die Zielstellung der vom Kapital getriebenen Welt, eine Kehrtwende Russlands zu erzwingen, ist nicht neu. Winston Churchill hat sie durchdacht und seinen nordamerikanischen Freunden so erklärt: „Auch wenn Russland nicht in die Hände der Bolschewisten gelangt wäre, müsse es wegen seiner Marktgröße und seines Rohstoffreichtums in den direkten Aktionsbereich des Kapitalismus geholt werden“. (Winston Churchill, 6-bändige Geschichte des 2. Weltkrieges, Bern). Mit der „Operation Unthinkable“ plante Churchill 1945 unter Einbeziehung Deutschlands, die westlichen Militärkräfte gegen die Sowjetunion operieren zu lassen. Erste Verhandlungen mit Abgesandten von Himmler hatten stattgefunden.
Ausgehend von der gestärkten UdSSR nach dem 2. Weltkrieg überzeugte Churchill 1947 den damaligen Präsidenten Truman zu einer neuen außenpolitischen Doktrin der USA: Den Sozialismus Russlands und der anderen sozialistischen Länder „aufzuhalten und zurückzudrängen“ (Containment). Der Status quo sei nicht heilig (Wikipedia). Das deutet auf eine bewusste Bereitschaft zur Führung von Kriegen. Die Doktrin fand über die Jahre ihre militärische Anwendung in Korea, Vietnam, Kambodscha, Kongo. Chile, Kuba, Nicaragua u.a. Europäische Regierungen, die kommunistische Parteien nach Wahlen in Koalitionen aufzunehmen beabsichtigten, wurden unter Druck gesetzt, bezeugte Enrico Berlinguer, der große kompromissbereite linke Politiker Italiens (ND, 30.6.2022).
Der Aufruf des Präsidenten Biden am 25.3.2022 in Warschau zum Sturz des russischen Präsidenten Putin hat weltweit, auch in Peking die Alarmglocken ausgelöst. Putin soll mit seiner „Spezial-Operation“ in der Ukraine mithilfe der Sanktionen und der Waffenlieferungen der NATO-Staaten scheitern. Logistische Beihilfen der NATO waren vorgesehen.
Der Generalsekretär der UNO, seine Verantwortlichen der Spezialorganisationen und der Papst suchen nach Wegen, aus dem Konflikt zwischen Russland und der Ukraine auf Verhandlungswegen herauszukommen. Er ist in der Realität ein Konflikt zwischen zwei gesellschaftlichen Ordnungssystemen. Das Problem: Täglich sind seit Wochen Menschenopfer und materielle Zerstörungen zu beklagen. Homo Sapiens wird humane Vernunft und Vertrauen aufbringen müssen, um zu einer akzeptablen Lösung im Ukraine-Konflikt zu kommen.
Zwischendurch haben verschiedene Präsidenten der USA selektive Flüge von bewaffneten Drohnen in die Weltregionen genehmigt. Präsident Biden zusätzlich auch Kriegsmaterial in die Ukraine senden lassen.
Politiker sind überzeugt, dass die Welt gegenwärtig erneut vor einer Zeitenwende steht. Eine plausible Bestätigung der Philosophen und Wissenschaftler sind öffentlich kaum vernehmbar. Ein „Weiter so“ darf es indes nicht mehr geben. Alternativen entwickeln sich in Afrika, in arabischen Ländern und in Lateinamerika. Mexiko hatte bereits 1974 der UNO eine „Neue Weltwirtschaftsordnung“ vorgeschlagen und den ersten atomwaffenfreien Teilkontinent auf diplomatischen Wegen organisiert. Asien zeigt praktische Lösungen mit anderen Konzepten. Die Zukunft der Welt wird nicht mehr allein den Stempel Europas und seiner Zöglinge in Nordamerika und Australien tragen.
III. Ein weiteres Ziel der Reise hat der Präsident bereits skizziert
Ein verengtes nächstes Reiseziel soll die Volksrepublik China sein. Das Land wurde seit Längerem von führenden Politikern der USA und der EU in die Ecke des Bösen gestellt. Politiker und westliche Medien aller Art zeichnen das Land und Volksgruppen in dunklen Farben (Arte, ZDF Doku, Phönix u.a.). Die Realität ist nebensächlich. Hauptsache böse und dunkel. Einmalig in der Weltpolitik bezeichnete Präsident Biden coram publico auf den letzten Gipfeltreffen der NATO in Madrid und der G7 in Elmau: „China als seinen Feind Nr. 1“.
Das Land hat mit seiner realen Entwicklung ein Potential erreicht, das die wirtschaftliche, wissenschaftlich-technische und soziale Entwicklung der USA in Frage stellt. China hat im Wettbewerb deutliche Pluspunkte in wichtigen Bereichen gesammelt. Die Befriedigung der Bedürfnisse der Bevölkerungen im Gesundheits- und Bildungswesen unterscheiden sich beachtlich.
Seit Jahren werden vom Westen ausgehend hauptsächlich 4 Übungsfelder mit einer ausgewählten Reisediplomatie und medial für Konfrontationen vorbereitet:
- In Hongkong streben die führenden G7-Länder einen Zustand an, wie er gesellschaftlich etwa in den Staaten der G7 herrscht. Dagegen sprechen die internationalen Vertragsrechte, die einen dauerhaften Wert besitzen und zweitens das Trauma Chinas aus der Zeit eines Entwicklungslandes, das nicht löschbar ist. Allein der von Europäern erzwungene Handel mit Opium und der ungleiche Handelsaustausch mit westlichen transnationalen Konzernen haben ungeheures Leid in China angerichtet und finanzielle Werte herausgezogen. Hongkong hat gegenwärtig den Status einer Sonderverwaltungsregion mit Teilautonomie. Die Außen- und Sicherheitspolitik wird vertragsgemäß vom Parlament in Peking bestimmt. Die chinesische Verfassung ist oberste Rechtsnorm. Verstärkt seit dem Abschluss des Abkommens von 1984 besteht kein Zweifel: Hongkong ist integraler Teil des chinesischen Mutterlandes. Den gegenwärtig gültigen Vertrag haben beide Seiten bis 2034 terminisiert.
- Die flächenmäßig mit 36 Tausend Quadratkilometern kleine Insel Taiwan misst nur die Hälfte der Fläche des deutschen Bundeslandes Bayern. Das Eiland war zum Ende des chinesischen Bürgerkrieges Fluchtort der abtrünnigen Tschiang Kai-Tschek-Regierung. Mit Billigung der UNO und der USA hat die Insel den Status „Ein Land, zwei Systeme“. Bis auf wenige Ausnahmen haben alle Länder ihre Botschaften ausschließlich in Peking eingerichtet. Die Verfassung in Peking genießt Autorität. Das Taiwanproblem ist eine innere Angelegenheit der Volksrepublik China. Eine militärischer Aktion Chinas wäre für die USA möglicherweise ein gewünschter Anlass, einzugreifen. Entsprechende Beistandsabkommen zwischen Taiwan und den USA bestehen seit dem Bürgerkrieg. Schließlich steht der Militär-Apparat der USA nach dem Abzug aus Afghanistan im Standby-Modus. Auffällig sind gegenwärtig die Besuchsreisen „wichtiger westlicher Politiker“ nach Taiwan. Das Fallenstellerspiel (?) wird bis hin zum beabsichtigten Besuch von Nancy Pelosi (Nr. 3 im Ranking nach dem Präsidenten und seinem Vize) mit der kleinen Insel betrieben. Pelosis Wegstrecke soll militärisch lückenlos abgesichert werden, berichtet die Berliner Zeitung vom 29.07.2022. Hoffentlich bleibt den Verantwortlichen beider Seiten ein menschliches Versagen erspart.
- Ein dritter Unruheherd aus der Sicht der G7 existiert seit dem Kalten Krieg im autonomen Gebiet von Xinjiang, der Uiguren. Die Genozid-Konvention von 1948 führt die Uiguren als Betroffene. Sollten Menschenrechte von der Zentralregierung ernsthaft verletzt werden, wären Proteste der human gesinnten Welt angebracht. Michelle Bachelet musste harsche Kritik der G7 hinnehmen, weil der Bericht ihres Besuches keine besondere Situation in Xinjiang feststellte. Vieles deutet darauf hin, dass die Uiguren instrumentalisiert werden, um das Bild des heutigen Chinas international in dunklen Farben erscheinen zu lassen. Die Volksgruppe der Uiguren erhält von der Zentralregierung Förderprogramme für Investitionen zur Schaffung von Arbeitsplätzen, zur Bewässerung ihrer Felder, für die berufliche Weiterbildung. Sie stellt Finanzmittel für die Verbesserung der Wohnverhältnisse, der Verkehrsinfrastruktur in der gleichen Weise, wie die 5-Jahrespläne der Regierung alle zurückgebliebenen Gebiete des Landes bevorzugt behandeln. Der World Uyghur Congres (WUC) unterhält seinen Sitz in München. Er genießt das Vertrauen der G7.
- Unruhe verspüren die USA und die EU durch die Entwicklung des chinesischen Militärs und die Investitionen auf Inseln des Südchinesischen Meeres. Bei ihrem Besuch in Japan am 11.7.2022 warnte die deutsche Außenministerin „vor Territorialansprüchen Chinas. Regeln würden „nicht unbedingt gelten“ und „Wir werden die Änderung der regionalen Lage nicht zulassen“ (BLZ 12.07.2022).
Die „China Daily“ schrieb am 28.03.2022: Chinas Regierung wolle nicht in die Falle „Demokratie versus Autoritarismus“ tappen. Präsident Xi empfahl im kürzlichen Telefongespräch: Präsident Biden solle seine „America First“ Strategie überdenken.
IV. China könnte der Weltgemeinschaft geopolitisch nützliche Dinge anbieten, die bei Reisen der Oberen der USA ausgelotet werden sollten.
- Friedliche Koexistenz versus Sieger-Mentalitäten der bürgerlichen Weltgemeinschaft
- Eine Wirtschaftspolitik auf gleicher Augenhöhe
- Beispielrolle für ehemalige Entwicklungsländer zur Überwindung der Rückstände aus den Kolonialzeiten
- Alternativen zur Politik der Hegemonie
- Konstruktive Zusammenarbeit mit der UNO zugunsten einer konfliktfreien internationalen Zusammenarbeit der Staaten
- Konzepte für eine wirksame Klimapolitik in enger Kooperation mit anderen Regierungen
- Verwaltungsmechanismen zwischen Zentralbehörden und den Territorien oder Bundesstaaten großer Länder
- Praktische Beispiele zur Anwendung der Digitalisierung
- Rolle der Genossenschaften im Wirtschaftsgeschehen des Landes
- Jahrhundertealte Philosophien stehen zum Meinungsaustausch mit den Philosophien Europas, der arabischen Welt, Lateinamerikas und anderer Völker bereit
Große Fragen bleiben, wenn ein mächtiges Land eine Weltreise unternimmt: Wie lassen sich notwendige Alternativen aus Asien, Lateinamerika, Afrika mit dem europäischen Modell der G7 verbinden? Wie sollten technologische, digitale Planungs- und Verwaltungsprozesse global mit der Kultur der bestehenden Nationen und mit Ländergrenzen umgehen? Werden technologische und finanzielle Zwänge soziale, humane Gesichtspunkte weiter verdrängen? Können industrielle, militärische Komplexe mit Aufgaben zur Klimarettung und der Epidemie-Verhinderung betraut werden? Wie kann die UNO als Koordinierungsorgan mit mehr Vollmachten ausgestattet werden?