Zalando, Adidas, Olymp & Co. haben keine Ausrede mehr: Die Clean Clothes Campaign hat ausgerechnet, was Textilarbeiterinnen und -arbeiter in Osteuropa und der Türkei aktuell verdienen müssten

Beschäftigte in der Modeindustrie brauchen einen Lohn, von dem sie leben können. Erst recht in Zeiten von Corona und Krieg. Das fordert die internationale Menschenrechtsinitiative Clean Clothes Campaign (CCC). Doch alle großen Modehäuser zahlen bislang nur den Bruchteil eines solchen living wage. Immer noch – das hat die Clean Clothes Campaign nun nachgerechnet. Die internationale Menschenrechtsinitiative unterstützt deshalb die Europäische Bürgerinitiative „ Good Clothes, Fair Pay „, die sich für eine EU-Gesetzgebung einsetzt, die Hungerlöhne verhindert.

Längst ist bekannt, dass „Made in Europe“ keineswegs ein Qualitätsmerkmal hinsichtlich Menschenrechten ist. In Osteuropa und der Türkei bekommen Textilarbeiterinnen und -arbeiter der großen Modemarken nur Hungerlöhne – und mitunter weniger als ihre Kolleginnen und Kollegen in Fernost. Leider hat sich diese Situation während der Coronakrise verschärft. Etwa ein Drittel der Arbeitsplätze ging verloren, wurde prekär oder gar nicht bezahlt, weil Modemarken ihre Aufträge stornierten. Die Inflation verschlimmert die Notsituation der Beschäftigten zusätzlich.

Das belegen aktuelle Zahlen der CCC: Textilarbeiterinnen und -arbeiter sind im Durchschnitt ärmer geworden, wenn sie den gültigen Mindestlohn verdienen. Der Anteil des Mindestlohnbetrages an der Höhe der EU-Armutsgrenze fiel zwischen 2018 und 2021 von 65 auf 61%, obwohl die Mindestlöhne in vielen Ländern nominell erhöht wurden. Textilarbeiter*innen verdienen üblicherweise nur Mindestlöhne – manchmal auch weniger. Noch dramatischer fällt die Kluft zwischen den Mindestlöhnen und dem Europäischen Basis-Existenzlohn aus. Nur mit einem solchen existenzsichernden Lohn können Familien ihre Grundbedürfnisse – also Ernährung, Kleidung, Wohnung, Mobilität, Hygiene, Kultur und Erholung – befriedigen und kleine Rücklagen bilden, mit denen sie etwa Lohnausfälle während der Pandemie und die Inflation überstehen. Im Durchschnitt bekommen die Beschäftigten in Osteuropa und der Türkei nur ein Viertel eines Einkommens, das zum Leben reichen würde.

In Serbien etwa betrug 2021 der gesetzliche Mindestlohn 275 Euro im Monat. Das sind gerade mal ein Viertel des Basis-Existenzlohnes von monatlich 976 Euro, in Bulgarien ein Fünftel, in der Ukraine ein Viertel und der Moldau ein Siebentel. Auch Länder, die nicht mehr Billiglohnländer sind, wie die Slowakei, Polen oder Ungarn, weisen einen Mindestlohn aus, der nur ein Drittel eines Lohnes zum Leben abdeckt – ein Verhältnis, das auch in Asien normal ist.

„Gerade für die nach wie vor in der Ukraine ordernden Modemarken ist der Basis-Existenzlohn eine Orientierung, wie sie ihren Sorgfaltspflichten aktuell nachkommen können,“ sagt Bettina Musiolek von der CCC. Sie setzt fort: „Mit unseren jüngsten Berechnungen für Europa haben Gewerkschaften, Zivilgesellschaft und das EU-Parlament nun eine Basis, auf deren Grundlage sie eine gesetzlich verbindliche Berücksichtigung von Existenzlöhnen in Lieferketten einfordern können – auch in Europa.“ In der Europäischen Bürgerinitiative „Good Clothes, Fair Pay“ wird die EU-Kommission aufgefordert, Rechtsvorschriften vorzuschlagen, mit denen Unternehmen der Bekleidungs- und Schuhindustrie verpflichtet werden, in ihren Lieferketten auf existenzsichernde Löhne zu achten.

„Europäische Unternehmen sollten Vorreiter in Sachen Menschenrechte und Klimaschutz sein und dafür braucht es klare gesetzliche Vorgaben – ein starkes Lieferkettengesetz, das keinen Platz für Schlupflöcher lässt“, sagt Gertrude Klaffenböck, Koordinatorin der Clean Clothes Kampagne in Österreich.

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