Am 2. Juli 2022 demonstrierten 4.000-6.000 Menschen in Berlin unter dem Motto „Wir zahlen nicht für eure Kriege! 100 Milliarden für eine demokratische, zivile und soziale Zeitenwende statt für Aufrüstung“.

Für die Demonstration hat sich ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis  zusammengefunden (friedensbewegte Studenten und Rentnerinnen, Ärztinnen und Hafenarbeiter, Aktive aus DKP, Kirche, Jugendorganisationen, LINKE, GRÜNE und SPD, IPPNW, Gewerkschaften, Friedens- und Antifa-Gruppen und vielen weiteren). Die gemeinsame positive Entwicklungsambition für die Menschheit entgegen der plan- und hilflosen militärischen Eskalation fand auch in einer solidarischen Kultur zwischen allen Teilnehmenden und Bündnispartner:innen Ausdruck.

Die Demonstration endete mit lebensbejahenden Brecht-/Eisler-Interpretationen von Gina Pietsch sowie der Rezitation von Wolfgang Borcherts „Sag nein!“ durch Rolf Becker, anschließend an zahlreiche Redebeiträge und Grußworte. Die Rednerinnen und Redner stifteten aus der eigenen politischen Tätigkeit Perspektive für die verallgemeinerbaren Ansprüche auf eine solidarische Kultivierung der Gesellschaft durch massive öffentliche Investitionen und dauerhafte Ausgabenerhöhungen für Soziales, Gesundheit, Bildung, Kultur und Klima – „zur zivilen, demokratischen und sozialen Wohlentwicklung weltweit“ (wie es im Demoaufruf heißt). Mit Sprechchören wie „100 Milliarden für Bildung und Gesundheit!“, „Noch mehr Rüstung, noch mehr Waffen werden keinen Frieden schaffen“ und „Hoch die internationale Solidarität!“ zog die Demonstration lautstark, ausgreifend und positiv gestimmt durch das Berliner Regierungsviertel. Die Sprechchöre sowie die eindrückliche Aufnahme von Oskar Werner, der „Drei Minuten Gehör“ von Kurt Tucholsky liest, regte in der Friedrichsstraße viele Passant:innen dazu an, sich in die Demonstration einzureihen.

Für die Initiator:innen der Demonstration „Zivile Zeitenwende“ charakterisierten Katharina Jessen und Gunhild Berdal im Eröffnungsbeitrag die Bedeutung des Friedensbündnisses:

„Wir stehen vor einer historischen Entscheidungssituation, gesellschaftlich und persönlich: Zivilisation oder Barbarei? So wie es ist, bleibt es nicht. Die Herrschenden versuchen die tiefgreifende, globale Krise als Reaktion auf und in Bekämpfung der Notwendigkeit und Möglichkeit für sozialen Fortschritt mit mehr Gewalt, Militarisierung und Krieg zu beantworten.“

Die Lösung für die Krise liege jedoch in den sozialen Bewegungen für eine bessere Zukunft:

„Das ist unser gemeinsamer und unteilbarer Kampf! Indem wir heute mit dieser Demo hier zusammenkommen, von- und miteinander lernen und unser Wirken vereinen, gestalten wir jetzt schon den Aufbruch in eine demokratische, zivile und soziale Zeitenwende!“

Elsa Rasbach überbrachte Grußworte von US-Amerikanischen Friedensorganisationen, darunter von der Kampagne Ban Killer Drones, die betonte, dass der anhaltende Widerstand gegen bewaffnete Drohnen in Deutschland ein Ausgangspunkt für ihre Kampagne war: „Dank dieser Art von Solidarität werden wir Friedensorganisatoren gewinnen.“ Von Code Pink übermittelte sie die Freude darüber, mit einer wiedererstarkenden Friedensbewegung in Deutschland gemeinsam wirkungsvoll zu sein:

„Eure Graswurzelbewegung zeigt den Weg auf, sich wirksam gegen die undemokratischen Versuche in Deutschland und in anderen NATO-Ländern zu wehren, das Militär, die Kräfte der Zerstörung, in diesem entscheidenden Moment der Geschichte unseres Planeten aufzurüsten. Sie geben nicht nur den Menschen in Deutschland Hoffnung, sondern auch uns in den USA und möglicherweise den Menschen in der ganzen Welt. Ich danke Euch.“

An diese globale Bedeutung der Friedensbewegung in Deutschland erinnerten in einem aufgezeichneten Grußwort auch die Ostermarsch-Initiator:innen Helga und Konrad Tempel, die 1961 mit europäischen und US-amerikanischen Friedensbewegten am Marsch von San Francisco nach Moskau teilgenommen hatten.

Martina Basso von der Berliner Mennonitischen Gemeinde schöpfte aus der biblischen Einheit von Frieden und Gerechtigkeit einen ethischen Humanismus gegen entwertende Feindbilder und gestiftete Hoffnungslosigkeit:

„Gewaltfreiheit ist nicht Nichtstun. Gewaltfreiheit baut nicht auf Muskeln und Waffen. Sie baut auf das unentwegte Bewusstsein, dass es auf Erden keine Menschen gibt, so brutal und feindselig er auch sei, der aus biblischer Sicht nicht als Gottesebenbildlichkeit angelegt ist.“ „Vor fast 40 Jahren schmiedete Stefan Nau in Wittenberg ein Schwert zu einer Pflugschar, und das wurde zu einem Symbol vor allem der christlichen Friedensbewegung in Ost und West. […] Symbole helfen mir, nicht zu verzweifeln, nicht zu resignieren und weiterhin Kraft zu schöpfen, um gegen alle Kriegstreiberei und Waffenproduktion meine Stimme zu erheben. Mit Ihnen und euch zusammen. Über die Grenzen von unterschiedlichen Ideologien hinweg.“

Für das Bündnis „Jugend gegen Krieg“ machte Loreen Schreck aus dem Bundesvorstand von SDJ – Die Falken deutlich, dass diese Generation alles andere als verloren ist. Das Bündnis streitet mit Solidarität gegen Vereinzelung: „Egal wo wir leben, und egal wie alt wir sind, wir können und wollen nur miteinander und nur im Frieden leben. Wir kämpfen für eine Ausfinanzierung von Bildungseinrichtungen und gegen die Präsenz der Bundeswehr in Schulen, Betrieben und Universitäten. Weil Bildung und Vernunft das ist was wir der Brutalität des Kriegs entgegensetzen.“. –

 „Wir sind nicht bereit, für die Kriege der Herrschenden herzuhalten. Denn wir wissen: Die Jugendlichen in anderen Ländern, auf die wir in fünf, zehn oder 20 Jahren schießen sollen, haben tausendmal mehr mit uns gemein, als die, die uns befehlen wollen zu schießen.“

Diese und alle weiteren Rede- und Kulturbeiträge wurden aufgezeichnet und werden sukzessive hier veröffentlicht: https://www.youtube.com/playlist?list=PLKdNIB3v2sDh0DvDDOWac_K674x7Eootz.

Das Bündnis wird auch über die Demonstration hinaus für weitere gemeinsame Aktionen zusammenwirken: Die aus dem Bundesgebiet angereisten Teilnehmenden und Organisationen sind aufgerufen, die neu gebildeten Erkenntnisse in ihren Städten weiterzutragen – am Antikriegstag sowie an selbst geschaffenen Anlässen. Hin auf eine weitere bundesweite Demonstration der Friedensbewegung am  8. Oktober 2022 will das Bündnis das gemeinsame Interesse einer demokratischen, zivilen und sozialen Zeitenwende voranbringen.

Alle Informationen zur Demonstration, zu den Unterstützenden sowie zum Programm sind unter www.zivilezeitenwende.de zu finden.