Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU) skizziert Optionen zur Verschärfung der Konfrontation mit China, schließt dabei aber „beträchtliche Schäden“ für die deutsche Industrie nicht aus.
Berlin zieht eine Verschärfung der Konfrontationspolitik gegenüber China in Betracht. Dies zeigt ein aktuelles Strategiepapier, das die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung jetzt vorgelegt hat. Zu den Vorschlägen, die das Papier enthält, gehören eine verstärkte Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Volksrepublik, zudem „öffentliche Kampagnen“, in denen Beijing „Desinformation und Propaganda“ vorgeworfen werden, sowie der Versuch, China die Kooperationspartner etwa in Afrika abspenstig zu machen. Parallel gelte es die Widerstandsfähigkeit („Resilienz“) der eigenen Bevölkerung zu stärken – zum Beispiel durch „eine strategische Medien- und Informationspolitik in Deutschland und der EU“. Um die Stellung der Volksrepublik in der Weltwirtschaft zu schwächen, könne man die global verankerte WTO durch einen neuen Zusammenschluss der G7 mit der OECD („WTO des Westens“) ersetzen, schreibt die CDU-Stiftung. Sie weist darauf hin, dass mit chinesischer Gegenwehr und mit massiven Schäden für deutsche Unternehmen zu rechnen sei – zu einer Zeit, zu der die deutsche Wirtschaft schwer unter dem Sanktionskrieg gegen Russland zu leiden beginnt.
Einmischung in China
In ihrem aktuellen Strategiepapier zieht die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung eine Verschärfung der Konfrontationspolitik gegen China in Betracht. Als mögliche Mittel gelten der Stiftung etwa Maßnahmen, die geeignet sind, Unruhe innerhalb der Volksrepublik zu schüren. So könnten, heißt es, „Vertreter der EU und ihrer Mitgliedstaaten in Hongkong sich verstärkt koordinieren“, um abgestimmt Partei für die Opposition in der südchinesischen Metropole zu ergreifen.[1] Die Bundesrepublik könne darüber hinaus „über soziale Medien“ „chinesische Zielgruppen“ ansprechen und agitieren. Die Stiftung erwähnt nicht zuletzt auch die Option, Taipeh stärker gegen Beijing in Stellung zu bringen und so Taiwans friedliche Wiedervereinigung mit dem chinesischen Festland zu torpedieren, die nicht nur Beijing, sondern auch starke Kräfte in Taipeh – die Guomindang – anstreben. In Deutschland und der EU nehmen entsprechende Aktivitäten zu, seit die USA im Herbst 2021 die diplomatische Aufwertung Taiwans zu ihrem Ziel erklärt haben.[2] Litauen hat Ende vergangenen Jahres – in enger Abstimmung mit den Vereinigten Staaten – ein „taiwanisches Vertretungsbüro“ in Vilnius eröffnet und so gezielt gegen die auch im Westen anerkannte Ein-China-Politik verstoßen.[3] Erst kürzlich hielt sich mit der Vizepräsidentin des Europaparlaments Nicola Beer (FDP) die bisher ranghöchste EU-Politikerin in Taipeh auf, um die vom Parlament beschlossene „umfassende und verstärkte Partnerschaft“ mit Taiwan zu fördern.[4]
„Strategische Medienpolitik“
Ergänzend zu einer möglichen verschärften Konfrontation plädiert die Konrad-Adenauer-Stiftung dafür, mit Blick auf etwaige Gegenmaßnahmen Chinas die „Resilienz“ im eigenen Land zu stärken. So könne Berlin beispielsweise „auf eine strategische Medien- und Informationspolitik in Deutschland und der EU hinwirken“. Das solle einerseits beitragen, „den Zusammenhalt in der EU zu stärken“, andererseits „das europäische Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell“ offensiv bewerben. „Möglich sind auch öffentliche Kampagnen“, in denen der Volksrepublik „Desinformation und Propaganda“ vorgeworfen würden, heißt es. Dabei solle sich „das Informationsangebot“ auch an Schulen und Jugendliche wenden. Mit ähnlicher Zielsetzung könnten sich Berlin und Brüssel auch fremde Staaten vornehmen – etwa „die strategisch wichtigsten EU-Beitrittskandidaten und Partnerländer weltweit“. Ersteres zielt vor allem auf Serbien, das immer enger mit China kooperiert und dabei unter anderem im Kampf gegen die Covid-19-Pandemie erheblich profitierte.[5] Zum anderen richtet sich der Vorschlag auf die Staaten Afrikas, die ihre Zusammenarbeit mit der Volksrepublik ebenfalls seit Jahren systematisch intensivieren und schon jetzt nicht einmal bereit sind, sich im Machtkampf zwischen dem Westen und Russland auf die Seite des Westens zu schlagen. Die westlichen Mächte werfen China seit Jahren vor, Afrikas Staaten durch eine angebliche Schuldenfalle von sich abhängig zu machen. Das verfängt bislang freilich nicht.
„WTO des Westens“
Weitere Maßnahmen schlägt die Konrad-Adenauer-Stiftung auf den Feldern der globalen Wirtschafts- und Technologiepolitik vor. So heißt es nicht nur allgemein, die G7 sollten ihren „Einfluss in multilateralen Organisationen“ – darunter besonders solche mit wirtschaftlicher Bedeutung – „strategisch ausbauen“. Es heißt darüber hinaus, man solle „eine Alternative zur WTO ohne China zumindest vor[…]bereiten“; das liefe auf einen Schritt in Richtung auf die ökonomische Isolierung Chinas hinaus. Dazu gebe es mehrere Möglichkeiten. Eine bestehe darin, die G7 und die OECD [6] zu einer Art „WTO des Westens“ zu fusionieren. Die G7 allein erschienen „in ihrer aktuellen Form überholt“, da „die Funktion der Koordination der wichtigsten Wirtschaftsmächte“ mittlerweile „von den G20 übernommen“ worden sei. Ergänzend zum Versuch, einen mächtigen, vom Westen geführten Wirtschaftsblock unter Ausschluss der Volksrepublik zu schaffen, rät die Stiftung zu entschiedenen Maßnahmen zur High-Tech-Förderung. Mit Blick auf die immense Bedeutung von Technologien wie 5G, Robotik oder Biotechnologie sprächen „nicht wenige … mittlerweile von einem Zeitalter der Geo-Technologiepolitik“, heißt es in dem Strategiepapier. „Deutschland und Europa“ sollten sich diesbezüglich „besser und umfassender aufstellen“, so etwa mit einer „transatlantischen Technologieallianz“. An einer solchen arbeiten Berlin, Brüssel und Washington bereits im Rahmen des EU-US Trade and Technology Council (TTC).[7]
Die Grenzen des Euro
Darüber hinaus bringt die Konrad-Adenauer-Stiftung auch die Bedeutung der EU-Währung für die globalen Rivalitäten ins Gespräch. „Für eine auf internationale Märkte ausgerichtete, offene Volkswirtschaft wie Deutschland“ sei „die eigene Währung von großer Bedeutung“, heißt es in dem Strategiepapier. Doch stießen „die wirtschaftspolitischen Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten für Deutschland und die EU“ derzeit „schnell an ihre Grenzen, da die internationale Rolle des Euros weit hinter der realwirtschaftlichen, geoökonomischen Bedeutung der EU zurückliegt“. Sei der Euro etwa „im Jahr 2012 noch wichtigste Zahlungswährung weltweit“ gewesen, so seien im Jahr 2019 „internationale Zahlungen nur zu rund 32 Prozent in Euro fakturiert“ worden, zu ungefähr 42 Prozent aber in US-Dollar. Besser sei die Lage immerhin mit Blick auf die „internationale Emission von Anleihen und Schuldtiteln“, insbesondere bei „grünen Anleihen“; von Letzteren seien auf den globalen Finanzmärkten im ersten Halbjahr 2021 gut 42 Prozent „in Euro gezeichnet“ worden, nur 27 Prozent hingegen in US-Dollar. Freilich räumt die Stiftung ein, die Eurozone stehe vor so manchen „ungelösten Problemen“. Erst in der vergangenen Woche urteilte der Chefökonom von Economiesuisse, Rudolf Minsch, seiner Auffassung nach sei eine erneute Eurokrise in absehbarer Zeit „nicht auszuschließen“. Zudem sei die EZB-Zinserhöhung zum „absolut späteste[n] Zeitpunkt“ erfolgt, „um überhaupt noch die Inflation … unter Kontrolle zu bringen“.[8] Die Chancen für den Euro verbessert dies kaum.
„Beträchtliche Schäden“
Unabhängig davon weist die Konrad-Adenauer-Stiftung darauf hin, dass die Verschärfung der Konfrontationspolitik gegenüber China mit erheblichen Risiken behaftet ist. „Viele deutsche Unternehmen“ hingen „in beträchtlichem Maße vom chinesischen Absatzmarkt ab“, konstatiert das Strategiepapier; „große Investitionen in China“ hätten dies „in den vergangenen Jahren noch einmal deutlich verstärkt“. Bei einer Zuspitzung des Konflikts mit Beijing hätten „viele deutsche Unternehmen … beträchtliche betriebswirtschaftliche Schäden zu befürchten“. Tatsächlich erwirtschaften manche deutsche Spitzenkonzerne, darunter solche aus der Kfz-Industrie, bereits mehr als ein Drittel ihres Umsatzes in China; sollten sie unter Druck geraten, ziehen einige bereits die Abspaltung ihres Chinageschäfts in Betracht – mit gravierenden Folgen für die deutsche Wirtschaft (german-foreign-policy.com berichtete [9]). Die Debatte über eine Verschärfung der Konfrontation gegenüber Beijing erfolgt zu einer Zeit, zu der bereits der Wirtschaftskrieg gegen Russland zu ernsten Einbrüchen in der deutschen Industrie zu führen und die Bundesrepublik in die Rezession zu stürzen droht. Ob die deutsche Wirtschaft einen zusätzlichen Schock durch herbe Verluste im Chinageschäft verkraften könnte, ist ungewiss. Es kommt hinzu, dass auch eine deutliche Verschärfung militärischer Schritte diskutiert wird. german-foreign-policy.com berichtet in Kürze.
[1] Zitate hier und im Folgenden: Konrad-Adenauer-Stiftung: Das Ende der Naivität – Deutschland und die EU im globalen Wettbewerb zwischen den USA und China. kas.de.
[2] S. dazu Der Konflikt um Taiwan (I) und Der Konflikt um Taiwan (II).
[3] S. dazu Washingtons Prellbock und Washingtons Prellbock (II).
[4] Friederike Böge, Thomas Gutschker: „Es darf keinen 24. Februar in Asien geben“. Frankfurter Allgemeine Zeitung 20.07.2022.
[5] S. dazu Die Impfstoffdiplomatie der EU und „Das ist unser Hinterhof!“ (II).
[6] Der OECD gehören 38 Staaten an, darunter insbesondere die westlichen Industriestaaten.
[7] S. dazu Die euroatlantische Technologieallianz.
[8] Chefökonom: „Eine Eurokrise ist leider nicht auszuschliessen“. srf.ch und21.07.2022.
[9] S. dazu Die Geschäftsgrundlage der deutschen Industrie (I) und Die Gesc