Ich lese das Thema gerade in einem Buch, das von einem Indigenen geschrieben ist. Sein Volk kam in einen Frieden und wurde sich auch einig, darin zu bleiben. Für ihre jungen Krieger war das am schwierigsten, weil sie sich als Kämpfer, Beschützer und Versorger fühlten. Was blieb für sie zu tun, woran konnten sie sich abreagieren, wenn es keine Jagd und keine Feinde mehr geben sollte?
Auf einer Coaching Seite habe ich dazu gelesen, dass Extrovertierte und Introvertierte sich darin unterscheiden welche Botenstoffe sie brauchen, um sich wohlzufühlen. Extrovertierte brauchen die Botenstoffe für Gefahr, Risiko und Herausforderung, Introvertierte die für Sicherheit, Frieden, Stabilität. Doch wie passen diese beiden zusammen?
Ebenso kenne ich es, dass organisatorischer Aufwand exponentiell zur Gruppengröße wächst. Eine doppelt so große Gruppe hat also Aufwand hoch zwei. Wenn es dazu stimmt, dass die Weltbevölkerung innerhalb von nur 200 Jahren von einer Milliarde auf sieben Milliarden angewachsen sein soll, erklären sich dadurch leicht die aktuellen Schwierigkeiten mit Globalisierung und Selbstversorgung. Das heißt natürlich auch, dass große Gruppen in aller Regel sehr viel heterogener und schwerer zu führen sind als übersichtliche Stämme. Und es gibt auch immer weniger Möglichkeiten, sich zurückzuziehen und rauszuhalten. Wie lassen sich hier für alle gute Lösungen finden?
Wenn es um Frieden geht, plädieren viele dafür, Militär und Polizei gänzlich abzuschaffen. Sie stellen sich gegen Imperialismus für Anarchie und insgesamt gegen „ismen“ wie auch Kapitalismus und Sozialismus. Es muss einfach alles weg, was herrschen und kontrollieren will. Ein anderer Teil der Friedensbewegung hingegen scheint typisch links aufgestellt und Frieden im Kampf gegen Kapitalismus und für das Proletariat zu sehen. Man will einfach selbst die Kontrolle übernehmen. Es gibt hier also selbst unter Friedensbewegten noch große Unterschiede und nicht immer den Sinn dafür, dass staatliche Kräfte und Regelungen sich auch gegen organisiertes Verbrechen und Schwerstkriminalität richtet. Gute und böse Kräfte sollten darin zumindest deutlich zu unterscheiden sein und das wird dann aus meiner Sicht auch von so ziemlich allen kritisiert, dass Regierungen nicht immer gut und die Verbrechen nicht immer klar sind.
Was Frieden genau ist und wie weit er gehen kann, scheint also recht unterschiedlich definiert. Frieden als Harmonie der Verständigen, die sich gemeinsam für Versorgung und Gemeinwohl einsetzen, scheint dabei allerdings das Verbindende, das für alle im Mittelpunkt der Bemühungen steht.
Nun braucht es in so einer Harmonie der Verständigen, allerdings wie aufgezeigt auch immer noch Neuland, was zu erobern, neu zu entdecken, zu verteidigen ist. Oder kurz gesagt Wettbewerb und Nervenkitzel für alle, die das brauchen, um sich nicht zu langweilen. Niemand kann gegen seine eigene Natur an oder eben mal umerzogen werden. Ein Wettbewerb könnte z.B. darin bestehen, immer friedlicher, harmonischer und fürsorglicher zu werden. Das könnte allerdings bei so manchem Haudegen schlecht ankommen. Das wäre ja, als würde er sich selbst aushebeln oder einfach zu seicht werden müssen. Auch in Acker- und Häuserbau sich auszutoben wäre eine Möglichkeit. Da müsste man sehen, wie weit es dafür genug sinnvolle Einsatzbereiche gibt. Und für die Feuerwehr kann man ja nun auch nicht extra Katastrophen schaffen. Andererseits müsste es ja gerade im Bereich Brand- und Katastrophenabwehr Übungsfelder geben, die wir aktuell wohl genug hätten. So gibt es zwar generell Möglichkeiten eher Ausrichtung und Betätigungsfeld zu wechseln als ganz zu verbieten. Doch das muss in jedem Fall natürlich individuell auch passen.
Wirkliches Neuland hingegen – Terra incognita – scheint es so kaum noch zu geben. Früher lebten Menschen und Stämme eher regional und weit genug weg voneinander, zu wandern oder zu reisen war noch das große Wagnis, das unbekannte Abenteuer. Heute durch die Globalisierung ist alles schon sehr viel bekannter und wir brauchen nur ins Internet schauen für sämtliche Informationen rund um den Erdball. Wirklich Unbekanntes gibt es eigentlich nur noch in Weltall und Tiefsee, allerdings auch in Bewusstsein und Absolutem. Und natürlich im eigenen individuellen Erleben, sich selbst und die Welt zu erforschen, auch wenn das anderen schon längst bekannt ist.
So kann ich hier mit Sicherheit kein abschließendes Ergebnis zum Thema liefern, das immer, überall und für alle Fälle, für alle und jeden passt. Dazu gehöre ich selbst auch zu wenig zu den großen Pionieren, Abenteurern, Spekulanten, Hasardeuren, Kämpfern und Kriegern, um mich in diese hineinzuversetzen und adäquat für sie zu schreiben. Ich müsste da wohl eher mal fragen, wie die das so sehen und hoffen, dass ich mich darin verständlich machen kann. Es bräuchte also aus meiner Sicht wohl sehr viel guten Willen und Einigkeit von allen Beteiligten und eine entsprechende Verständigung zwischen Extrovertierten und Introvertierten, zwischen Kämpfern und Friedensbewegten aller Art. Das sehe ich tatsächlich in vielen Bereichen von Mediation, Supervision, Demokratie, Gesprächskreisen, Diskussionsrunden und Gemeinschaftsprojekten. Und was machen wir mit allen, die keinen Bock darauf haben? Was machen wir mit der Natur des großen Kämpfers oder sogar Herrschers?
Nach dem Vedischen besteht unsere Welt aus den drei großen Eigenschaften Tugend, Leidenschaft und Unwissenheit oder auch Erhaltung, Schöpfung und Zerstörung genannt. Eine geballte Mischung aus Leidenschaft und Unwissenheit oder deutlicher aus Gier und Ignoranz wird hier als sehr durchsetzungsfähig erkannt. Was zunächst mal böse klingen mag, erweist sich als ganz natürliches Prinzip. Um so zu leben wie wir sind und unsere Wünsche und Bedürfnisse zu erfüllen, müssen wir alles andere dafür beiseite schieben. Wie auch der Indigene in seinem Buch erklärt, gehören Durchsetzungsvermögen und Widerstandsfähigkeit genauso zu den guten und edlen Eigenschaften wie Toleranz, Fürsorglichkeit, Weisheit und Würde. Wenn sie in Diskussionen allerdings zu sehr herrschen, können sie sich leicht als Rechthaberei und Selbstdarstellung zeigen, mit denen wir andere ins Unrecht setzen. Und noch einen Schritt weiter führen sie zu Verteidigung, Angriff und Krieg. Dem lässt sich durch Tugend, Erhaltung oder auch Harmonie und Ausgeglichenheit begegnen, die sich auch im friedlichen Widerstand erkennen lassen, der heute oft zu sehen ist. Und durch weitere Loslösung kann es von der Kriegslogik zur Friedenslogik führen, wie der weise Krieger, der nach langen Kämpfen Frieden in seiner Erfüllung findet.
Ich glaube, hierin ist es wichtig, dass wir von Gesprächen und Einigungen zu Umsetzungen und konkreten Tätigkeiten kommen, die unser alltägliches Leben umgestalten. Sonst bleibt das gerne in Diskussion, Recherche, Dokumentation, Analyse und Information stecken wie die Linke im Klassenkampf. Es braucht klare Beispiele und Übungsfelder, die zeigen, wie es geht. Ein Entgegenkommen könnte darin liegen, dass Harmonische, Friedliebende, Introvertierte, Pioniere, Kriegerische und Extrovertierte sich schrittweise für einander öffnen. Und dafür müsste natürlich auch wieder Freiraum und Neuland geschaffen werden, die es zu beschützen und verteidigen gilt.