Eine starke Lobby von einigen Konzernen, Technik- und Wissenschaftsvereinigungen setzt sich dafür ein, neue Gentechnikverfahren von der Regulierung nach EU-Gentechnikrecht auszunehmen. Das würde dazu führen, dass Gentechnisch veränderte Organismen (GVO) ohne unabhängige Risikoprüfung und Kennzeichnungspflicht auf den Saatgut- und Lebensmittelmarkt kommen. Eine gentechnisch veränderte Tomate könnte dann nicht mehr von herkömmlich gezüchteten unterschieden werden.
Seit Jahren wird die Zulassung und Kennzeichnung von GVO in der Europäischen Union nach dem Vorsorgeprinzip geregelt: Nur zugelassene GVOs dürfen auf den Markt, nachdem sie auf ihre Risiken geprüft wurden. Sie müssen gekennzeichnet und rückverfolgbar sein. Das will die Europäische Kommission jetzt für neue Gentechniken aufweichen.
Nicht mit uns! Über 80 Prozent der Bürger*innen der EU wollen auch in Zukunft wissen, ob in ihrem Essen Gentechnik ist und sie wollen eine Risikoprüfung von GVO Produkten. Bäuer*innen fordern das Recht, weiterhin selbstbestimmt gentechnikfrei erzeugen zu können. Eine Deregulierung neuer Gentechniken wäre ein Frontalangriff auf unsere Wahlfreiheit und demokratische Selbstbestimmung darüber, was wir züchten, anbauen und essen.
Neue Gentechnik-Methoden, insbesondere die CRISPR/Cas Technologie, zur Veränderung von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen bergen auch neue und unabschätzbare Risiken. Der oberste Gerichtshof der EU hat deshalb 2018 festgestellt: Auch neue Gentechnik ist Gentechnik und ist als solche zu regulieren.
Jetzt werden in Brüssel die Weichen gestellt. Deshalb fordern wir die Verantwortlichen in der Politik, insbesondere Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und Bundesumweltministerin Steffi Lemke auf, sich für die Beibehaltung der Regulierung auch der neuen Gentechniken einzusetzen. Das umfasst: Kennzeichnung, Risikoprüfung, Zulassung, Rückverfolgbarkeit, Transparenz, Monitoring und Haftung.
Nicht hinter unserem Rücken: Jetzt unterschreiben
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft
Hintergrundinformationen zu den Deregulierungsplänen der EU-Kommission zu neuen Gentechniken:
Im September 2021 hat die EU-Kommission ein Verfahren gestartet, um das Gentechnikgesetz aufzuweichen. Kommt das durch, würden ein Großteil der zu erwartenden neuen Gentechnik-Pflanzen dann nicht mehr nach dem derzeit geltenden Gentechnikgesetz reguliert werden. Das würde dem in der EU geltenden Vorsorgeprinzip widersprechen. Bäuerinnen und Bauern könnten die Gentechnikfreiheit ihrer konventionellen oder ökologischen Produkte nicht mehr sicherstellen, genauso wenig wie die Lebensmittelverarbeitungsunternehmen oder der Handel. Verbraucher:innen hätten keine Wahlfreiheit mehr.
Derzeit findet eine öffentliche Konsultation der EU-Kommission statt (bis 29. Juli 2022). Eine erste Bewertung dazu findet sich in unserer Pressemitteilung vom 6.5.22: „Das Recht auf gentechnikfreie Lebensmittelerzeugung darf nicht gekippt werden!“
Bereits im Herbst 2021 fand eine erste öffentliche EU-weite Konsultation zu neuen Gentechniken statt. Damals haben sich über 70.000 Organisationen und Personen daran beteiligt und eine kurze Stellungnahme an die EU-Kommission geschrieben. Die Stellungnahme der AbL findet sich hier.
Eine Analyse der Argumente und Hintergründe zum Vorgehen der EU-Kommission findet sich im Artikel: EU-Kommission als Türöffner für Gentechnikkonzerne. Vorsorge und Gentechnikfreiheit bedroht. Erschienen in der Unabhängigen Bauernstimme.
In der Broschüre „CRISPR & Co. Neue Gentechnik – Regulierung oder Freifahrtschein?“ wird aus verschiedenen Perspektiven (Züchtung, Landwirtschaft, Verarbeitung, Verbraucherschutz, Ethik, Recht und Wissenschaft) die Thematik der neuen Gentechnik-Verfahren und ihre mögliche Deregulierung beleuchtet und dargestellt, was das für die Betroffenen bedeuten würde.
Link zu aktuellen Hintergründen zur Gentechnik
Gemeinsames Positionspapier „Gentechnik auch in Zukunft strikt regulieren!“, unterzeichnet von 95 Verbänden und Organisationen