Außenministerin Baerbock reist zur Ausweitung der deutschen Pazifikaktivitäten nach Palau. Das Land musste seine Militärpolitik der Ex-Kolonialmacht USA übertragen. Spannungen im Pazifik nehmen zu.
Mit Gesprächen von Außenministerin Annalena Baerbock am letzten Samstag in Palau weitet die Bundesregierung ihre gegen China gerichteten Aktivitäten im Pazifik aus. Offiziell heißt es, die Ministerin stelle den Kampf gegen den Klimawandel in den Mittelpunkt ihres Besuchs. Allerdings ist auch geplant, die allgemeine Kooperation mit Palau zu intensivieren. Das Land ist immer noch nicht abschließend entkolonialisiert; es verzichtet auf eine eigenständige Militärpolitik und hat die Kompetenz dazu der ehemaligen Kolonialmacht, den Vereinigten Staaten, übertragen. Palau nimmt einen hohen Stellenwert in der US-Militärstrategie gegen China ein. Zudem ist es einer der vier letzten Pazifikstaaten, die noch offizielle Beziehungen zu Taipeh anstelle zu Beijing unterhalten. Es beteiligt sich an einer US-Kampagne zur Aufwertung Taiwans und hat erst vor wenigen Tagen versucht, Personen aus Taiwan unter Bruch einer gültigen UN-Resolution in eine UN-Konferenz einzuschleusen. Baerbocks Reise findet zu einem Zeitpunkt statt, zu dem der Machtkampf zwischen den USA und China im Pazifik erheblich an Schärfe gewinnt.
Sicherheitsabkommen mit China
Die äußeren Machtkämpfe um Einfluss auf die Inselstaaten des Pazifiks hatten sich im vergangenen Jahr zugespitzt, als es auf den Salomonen, rund 2.000 Kilomenter nordöstlich von Australien gelegen, zu Unruhen kam. Die Salomonen gelten als strategisch wichtig; um ihre Kontrolle wurden im Zweiten Weltkrieg erbitterte Kämpfe geführt. Auslöser für die Unruhen waren innere Spannungen, die von außen – von den USA und Taiwan – gezielt geschürt worden waren, seit der Inselstaat im Jahr 2019 diplomatische Beziehungen zu China aufgenommen hatte. Es kam zu Angriffen auf die Chinatown in der Hauptstadt Honiara. Drei Menschen wurden dabei umgebracht.[1] Premierminister Manasseh Sogavare beschleunigte anschließend Verhandlungen über ein Sicherheitsabkommen mit Beijing, das in diesem März schließlich unterzeichnet wurde. Es sieht chinesische Hilfen für die Polizei der Salomonen vor und eröffnet die Option, im Fall künftiger Unruhen Unterstützung durch chinesische Polizisten anzufordern. Daneben erlaubt es Marineschiffen aus China, auf den Salomonen Zwischenstopps einzulegen und Versorgungsgüter an Bord zu nehmen. Beide Seiten weisen gezielt verbreitete Gerüchte zurück, der Aufbau einer chinesischen Marinebasis auf den Salomonen sei geplant.[2]
Keine alleinige Dominanz mehr
Der Abschluss des Sicherheitsabkommens zwischen den Salomonen und China hat Honiara massivem Druck vor allem seitens der USA, Australiens und Neuseelands ausgesetzt, die den Pazifikstaat dazu zu nötigen suchen, seine Beziehungen zu China wieder zu reduzieren. Premierminister Sogavare und seine Regierung verwahren sich dagegen mit dem trockenen Hinweis, die Salomonen seien ein souveräner Staat und dürften ihre Außenbeziehungen selbst gestalten; ohnehin sei völlig unverändert ein altes Sicherheitsabkommen mit Australien in Kraft, und der Westen könne nicht auf Dauer einen Anspruch auf alleinige Dominanz im Pazifik beanspruchen.[3] Der Konflikt hat sich noch weiter zugespitzt, als Beijing im Mai die Grundlagen für weitere Sicherheitsvereinbarungen mit insgesamt zehn Pazifikstaaten legte; dabei geht es unter anderem um einen Ausbau der Kooperation bei der Polizeiausbildung und um gemeinsame Maßnahmen in puncto Cybersicherheit. Eine umfassende Vereinbarung kam wegen energischer Interventionen vor allem der USA und Australiens noch nicht zustande. Sowohl die Biden-Administration als auch die neue australische Labor-Regierung, deren Vorgänger die Pazifikregion weitgehend ignorierten, haben angekündigt, dort wieder stärker Einfluss zu nehmen.
Militärpolitik: den USA übertragen
Palau, wo Außenministerin Annalena Baerbock am morgigen Samstag eintreffen wird, zählt zu denjenigen pazifischen Inselstaaten, deren Entkolonialisierung bis heute nicht wirklich abgeschlossen ist. Nach wechselvoller Geschichte und brutalen Schlachten im Zweiten Weltkrieg unter US-Kontrolle geraten, wurde es von Washington erst 1994 in die Unabhängigkeit entlassen – allerdings nur, nachdem es in einem Assoziierungsvertrag („Compact of Free Association“) zugesichert hatte, es werde auf jede eigene Militärpolitik verzichten und die Kompetenz dazu den Vereinigten Staaten übertragen. Die USA haben bis mindestens 2044 das Recht, militärpolitische Entscheidungen bezüglich Palau zu treffen – Ausnahme: die Entscheidung über Krieg und Frieden –, dort Truppen zu stationieren und fremden Staaten militärische Kontakte zu dem Inselstaat zu untersagen. Palaus strategische Bedeutung ist nicht gering: Es liegt hinter der sogenannten ersten Inselkette rings um China, die von Japan über Taiwan und die Philippinen bis nach Borneo reicht und helfen kann, die chinesische Marine vor der Küste der Volksrepublik einzuschließen. Von Palau aus ist es möglich, etwaige Lücken in der ersten Inselkette zu kontrollieren – ein bedeutender Pluspunkt im strategischen Ringen mit China.
Die Taiwan-Kampagne
Die Vereinigten Staaten haben in den vergangenen Jahren die militärische Nutzung Palaus deutlich intensiviert. Soeben erst ist das größte US-Manöver in dem Inselstaat seit 1945 zu Ende gegangen.[4] Darüber hinaus zieht Washington den Bau eines Marinestützpunktes dort in Betracht.[5] Zusätzlich wird Palau nicht nur militärstrategisch, sondern auch politisch immer weiter in den Machtkampf des Westens gegen China hineingezogen. So beteiligt sich das Land an einer im Herbst gestarteten US-Kampagne [6], die darauf abzielt, die Stellung Taiwans in UN-Gremien zu stärken. Das liefe auf einen Bruch der UN-Resolution 2758 hinaus, die am 25. Oktober 1971 feststellte, lediglich die Volksrepublik repräsentiere China; Taiwan habe dazu kein Recht. In Europa betätigt sich vor allem Litauen mit der Eröffnung eines „taiwanischen Vertretungsbüros“ als Prellbock im Sinne der US-Kampagne – german-foreign-policy.com berichtete.[7] Jetzt hat Palau versucht, die UN Ocean Conference, die vom 27. Juni bis zum 1. Juli in Lissabon stattfand, in vergleichbarer Weise zu nutzen; es hat in seine Delegation für die Konferenz mehrere Personen aus Taiwan aufgenommen – mit dem Ziel, auf diese Weise Taiwan eine offiziell unzulässige Präsenz bei dem UN-Event zu verschaffen.[8] Die UNO unterband den billigen Trick.
Tankstopp in Palau
Über die Gespräche, zu denen Bundesaußenministerin Baerbock morgen in Palau erwartet wird, heißt es offiziell, im Zentrum stehe der Kampf gegen den Klimawandel, der die pazifischen Inselstaaten in ganz besonderem Maß bedroht. Baerbock trifft dort zu einer Zeit ein, zu der die Bundesregierung dem Machtkampf gegen Russland Vorrang vor dem Kampf gegen den Klimawandel einräumt. Größere Bedeutung kommt womöglich Absprachen zu, die Baerbock mit Palau über künftige deutsche Aktivitäten im Pazifik treffen will. Dazu sollten auch Möglichkeiten zur Kooperation mit Palau selbst gehören, war unlängst in der Bundespressekonferenz zu erfahren. Details sind noch nicht bekannt. Bekannt ist allerdings, dass die Fregatte Bayern, als sie im vergangenen Jahr auf Asien-Pazifik-Fahrt war, auf dem Weg aus Australien in die US-Kolonie Guam einen Tankstopp in Palau einlegte.[9]
[1] Solomon Islands unrest: three killed in Honiara‘s Chinatown, burnt bodies found. scmp.com 27.11.2021.
[2] Solomon Islands says China security deal won’t include military base. npr.org 01.04.2022.
[3] Stephen Dziedzic: Solomon Islands Prime Minister ups ante with criticism of Australia while praising China during tirade in parliament. abc.net.au 04.05.2022.
[4] Oyaol Ngirairikl: Palau hosts its largest joint US military exercise since WWII. postguam.com 15.06.2022.
[5] Derrick Malama: Pacific News Minute: Palau designated by the Pentagon as the possible site of a new military base. hawaiipublicradio.org 03.01.2022.
[6] S. dazu Der Konflikt um Taiwan (I).
[7] S. dazu Washingtons Prellbock.
[8] Palau slams U.N. for blocking Taiwan delegates from attending Ocean Conference. swissinfo.ch 01.07.2022.
[9] S. dazu Die Fregatte Bayern auf Kolonialfahrt (II).