Die Klimakrise verursacht weltweit Schäden. Sie verletzt Menschenrechte und entzieht Lebensgrundlagen. Vor allem im Globalen Süden und bei Menschen, die kaum dazu beigetragen haben. Wie auf der indonesischen Insel Pari. Dort nehmen wegen des steigenden Meeresspiegels Überflutungen zu und beschädigen Häuser, Straßen und Geschäfte. Werden die globalen CO2-Emissionen nicht rasch reduziert, dürfte die Insel in 30 Jahren zu weiten Teilen unter Wasser stehen.
Die Massnahmen zum Schutz ihrer Insel müssen die Menschen auf Pari selbst bezahlen – obwohl sie kaum zum Klimawandel beigetragen haben. „Das ist ungerecht“, sagt der Fischer Edi Mulyono, einer der vier Kläger. Zudem erleiden sie bereits jetzt konkrete Schäden. „Wegen der Überschwemmungen kommen weniger Gäste, unser Einkommen sinkt“, berichtet Asmania, die auf Pari ein Gästehaus besitzt.
„Call for Climate Justice“
Mit ihrem am Montag in Zug eingereichten Schlichtungsgesuch wollen die vier Kläger nun den Schweizer Zementkonzern Holcim in die Verantwortung nehmen. Sie fordern daher die anteilmässige Entschädigung bereits entstandener klimabedingter Schäden sowie die Mitfinanzierung notwendiger Flutschutzmassnahmen. Vor allem aber verlangen sie die schnelle Reduktion der übermässigen CO2-Emissionen des Konzerns – damit künftig weniger Schäden entstehen. Die drei Organisationen unterstützen diese Forderungen mit der Kampagne Call for Climate Justice und einem entsprechenden Appell an den Zementkonzern Holcim.
Holcim ist der weltweit führende Hersteller von Zement, dem Grundstoff von Beton, und einer der 50 grössten CO2-Emittenten unter allen Unternehmen weltweit. Bei der Produktion von Zement werden riesige Mengen CO2 freigesetzt. Eine neue Studie zeigt: Der Schweizer Konzern hat von 1950 bis 2020 über sieben Milliarden Tonnen CO2 ausgestossen. Das sind 0.42 Prozent aller globalen industriellen CO2-Emissionen seit dem Jahr 1750. Oder mehr als doppelt so viel, wie die gesamte Schweiz im gleichen Zeitraum verursacht hat. „Damit trägt Holcim eine massgebliche Mitverantwortung für die Klimakrise“, sagte Yvan Maillard Ardenti, Klimaexperte bei HEKS, „und damit für die Situation auf der Insel Pari.“
„Bahnbrechendes“ Verfahren
Die Einreichung des Schlichtungsgesuchs der Betroffenen aus Indonesien läutet das erste ordentliche Zivilverfahren in der Schweiz gegen einen Konzern wegen seines Beitrags zum Klimawandel ein. Dabei berufen sich die Betroffenen auf die Menschenrechte und die Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte. „Wenn ein Unternehmen einen Schaden angerichtet hat, soll es dafür geradestehen“, betonte Nina Burri, Fachverantwortliche Unternehmen und Menschenrechte bei HEKS. Aber letztlich gehe es auch um „globale Gerechtigkeit.“
Das Verfahren gegen Holcim ist Teil einer weltweiten Bewegung. „Vielerorts in Europa klagen Menschen gegen Staaten und Unternehmen, um diese zum Klimaschutz zu verpflichten“, erklärte Miriam Saage-Maaß, Legal Director des ECCHR. Das Verfahren gegen Holcim sei indessen erst das zweite weltweit, das von Betroffenen aus dem Globalen Süden getragen wird. Zudem fordert es von Holcim nicht nur die historische, sondern mit der Forderung nach schneller Reduktion der Emissionen auch die künftige Verantwortung ein. „Damit kombiniert das Klageverfahren zwei verschiedene Ansätze“, so Saage-Maaß, „und ist deshalb bahnbrechend.“
Unsere juristischen Interventionen zielen darauf ab, die Mächtigen in Politik und Wirtschaft dazu zu bringen, anders zu handeln, und dabei die Rechte der von klimaschädlichen Projekten Betroffenen zu schützen und zu stärken.
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