Daniela Gschweng für die Online Zeitung INFOsperber
Vier von fünf Einwohnern der USA haben das Herbizid Glyphosat im Urin. Das geht aus einer Untersuchung der US-Behörde CDC (Centers for Disease Control and Prevention) hervor.
Für Fachpersonen ist das nicht überraschend. Bei Einzelanalysen werden schon seit Jahren hohe Glyphosat-Werte im Urin gemessen. Nun gibt es eine repräsentative Untersuchung.
Vor der Einführung von resistentem Saatgut nicht nachweisbar
Das CDC hat dabei 2310 Urinproben von US-Einwohnern auf Glyphosat untersucht. In 1885 Proben fand es Glyphosat. Die Urinproben stammen aus einer Gesundheitsstudie von 2013 und 2014, die eine repräsentative Gruppe von US-Amerikaner*innen ab sechs Jahren abbildet. Fast ein Drittel davon waren Kinder, schreibt das Medium «The New Lede» in Zusammenarbeit mit dem «Guardian».
Vor den 1990er-Jahren war Glyphosat in menschlichem Urin selten bis gar nicht nachweisbar. Das änderte sich rasant, als gentechnisch verändertes und gegen Glyphosat resistentes Saatgut auf den Markt kam. Der Verbrauch des Herbizids stieg rapide an. Glyphosat findet sich heute in den meisten Nahrungsmitteln und im Wasser. Von 1993 bis 2017 hat sich die Belastung der Amerikaner verfünffacht.
Glyphosat noch immer nicht abschliessend bewertet
In Europa ist das nicht viel anders. Glyphosatrückstände finden sich in vielen Lebensmitteln, zum Beispiel in Senf und Bier. 75 Prozent der Einwohner Deutschlands haben deutliche Glyphosatmengen im Urin. In einer Untersuchung von 2000 Proben wurden in mehr als 99 Prozent mindestens Spuren des Totalherbizids nachgewiesen. Diese Stichprobe wird aus verschiedenen methodischen Gründen kritisiert. Die Daten des CDC werden von Forschenden in der Regel als qualitativ hochwertig eingeschätzt.
Die Frage, ob und inwieweit Glyphosat gesundheitsschädlich ist, ist noch immer umstritten. Die internationale Krebsforschungsagentur unter dem Schirm der Weltgesundheitsorganisation WHO hatte Glyphosat 2015 als «wahrscheinlich krebserregend» eingestuft.
Die US-Umweltagentur EPA hielt nachweislich Dokumente über die Krebsgefahr zurück (Infosperber berichtete) und stufte das Herbizid als unbedenklich ein. Im Juni wurde die EPA wegen Fehlern bei der Zulassung aber von einem US-Gericht dazu verurteilt, die Einstufung zu wiederholen. Auch in den EU-Ländern steht eine endgültige Bewertung noch aus (Infosperber berichtete).
Problematisch vor allem für Kinder
Dank der neuen CDC-Forschungsergebnisse wisse man nun, dass ein grosser Teil der US-Bevölkerung Glyphosat im Urin habe, sagt Lianne Sheppard, Professorin im Fachbereich Umwelt- und Arbeitsmedizin der University of Washington, die «The New Lede» befragt hat. «Viele Menschen werden darüber nachdenken, ob das auch für sie gilt», vermutet die Umweltmedizinerin.
Sheppard ist Co-Autorin einer Studie, die einen Zusammenhang zwischen Glyphosat und Non-Hodgkin-Lymphom nahelegt, einer seltenen Krebsart. Das Ergebnis der CDC-Studie sei bedenklich, sagt auch der Kinderarzt und Epidemiologe Phil Landrigan, der am Boston College ein Programm für Global Public Health leitet.
Dem möglicherweise schädlichen Pestizid am meisten ausgesetzt seien Kinder. Im Verhältnis zum Körpergewicht «essen und trinken Kinder mehr und atmen mehr Luft als Erwachsene», erklärt Landrigan, der sowohl für das CDC wie auch für die EPA gearbeitet hat. Kinder hätten zudem noch viele Lebensjahre vor sich, während derer sich Krankheiten wie Krebs entwickeln könnten.