Zwei Artikelbeiträge in der Berliner Zeitung vom 31. Mai 2022 sorgen für Unruhe in der Bevölkerung. Die „Teuerung steigt auf 7,9 Prozent“ und „100 Milliarden für die Bundeswehr“.
Beide Meldungen stehen in einem direkten Zusammenhang. Während die Teuerung den Geldbeutel der Familien unmittelbar jeden Tag berührt, schmälern die 100 Milliarden die künftigen Staatshaushaltsausgaben für die Bereiche des Gemeinwohls, etwa des Gesundheits- und Bildungswesens, des Wohn- und Kulturbereiches, sowie für die Klimasicherheit oder der Wirtschaftsförderung.
Die Zusammenhänge ergeben sich aus dem Zusammenfluss der Hauptquellen zu einem Geldfluss:
- Wertschöpfung im Bereich der Wirtschaft und Verwaltung,
- Steuereinnahmen des Staates und der Gemeinden,
- Kredite inländischer und äußerer Banken und Fonds.
Inflationsgeschehen ebenso Kriege mit ihren Vorbereitungsphasen kommen nicht wie Gewitter über die menschlichen Gesellschaften. Alle beide zerstören gewohnte Finanzkreisläufe durch Handlungen der Regierung oder großer Interessensgruppen.
Zum ersten Artikel, die Inflation: Regierende Parteien in Deutschland haben aus ernst zu nehmenden Gründen entschieden, atomarbetriebene Kraftwerke wegen Betriebsrisiken und der ungelösten Endlagerung der Brennstäbe still zulegen. Später auch aus Kohle betriebenen Kraftwerken, wegen der Schädigung des Klimas. Das Grundgesetz lässt solche Enteignungen gegen einen Zahlungsausgleich (Artikel 15) zu. Die Kapitaleigner bestehen auf einer weit überzogenen Bezahlung ihrer noch nicht getilgten Investitionskredite und auf entgangene künftige Gewinne. Die Regierung ist im ersten Schritt nicht in der Lage, die geforderten Geldsummen aus ihrer Steuerkasse zu begleichen. Sie hatte für die Stilllegung der Atomkraftwerke 3,6 Milliarden Euro geboten, zu wenig für die Besitzer. So belasten die Kraftwerksbesitzer zur Befriedigung ihrer Ansprüche ihre Kunden mit höheren Preisen aus den noch laufenden Verträgen zur Energielieferung. Ihre Monopolstellung macht es möglich. Strompreiserhöhungen wurden in Deutschland zu einer Initialzündung für die Inflation. Gewerbliche Energieverbraucher anderer Branchen zogen nach. Da in Deutschland die Gewinnlogik als Gesellschaftsordnung herrscht, steht am Ende der Kette der inflationären Preissteigerung die Bevölkerung.
Die Regierung wird zur Eindämmung der Inflation nicht tätig und unterlässt ihre rechtlichen Möglichkeiten.
Sanktionen Deutschlands und der Europäischen Union auf die Lieferung russischer Rohstoffe zur Energieerzeugung heizen die Preissteigerungen zusätzlich an und erhöhen das Volumen der Nachfrage. Mit den Preissteigerungen erhöhen sich automatisch die Einnahmen des Staatshaushaltes aus der Mehrwertsteuer. Die Regierung ist automatisch einer der Gewinner des Inflationsprozesses.
In der Bundesrepublik konnte die Inflation seit etwa 1974 auf einem durchschnittlichen Niveau von 2 Prozent gehalten werden. Das entspricht im groben dem Wertverlust materieller Güter und konnte durch Abschreibungssätze für die Wirtschaft steuerlich ausgeglichen werden. Die Bevölkerung glich gewisse Steigerungen durch tarifliche Lohn- und Gehaltserhöhungen aus. Die Streik-Lohn-Spiralen kennen in Zeiten der Inflation stets nur die Abhängigen als Verlierer. Besonders hart wurden in Deutschland Sparguthaber der unteren Schichten getroffen, die für ihre Rentnerzeit Geld ohne Zinsertrag angespart haben und von der Inflation enteignet wurden.
Ende 2021 und zum Anfang 2022 wird die Inflation in Deutschland zusätzlich von außen angetrieben. Befeuert aus internationalen Wettbewerbsgründen und nationalen Gründen hat der Zyklus des Inflationsprozesses in den USA schon 2021 begonnen. Die Raten liegen 2 bis 3 Prozentpunkte über der deutschen Inflation. Die EU ist gleichfalls vom Zyklus betroffen.
Zum zweiten Artikel „Sonderfonds 100 Milliarden Euro“: Mit der Begründung, die Sicherheit gegen äußere Angriffe zu stärken, hat die deutsche Regierung am 2.Juni 2022 beschlossen den „Sonderfonds“ zweckgebunden für das Verteidigungsministerium neben dem normalen ausgeglichenen Haushalt einzurichten. Als Begründung diente das militärische Eindringen in die Ukraine im Februar des Jahres. Zuvor übten die USA in der Amtszeit des Präsidenten Trump auf die Mitglieder der NATO einen Druck, zur Erhöhung der „Verteidigungsausgaben“ aus. Steuererhöhungen werden von der Ampelkoalition, insbesondere von der liberaldemokratischen Partei abgelehnt. Es bleibt nur die Erhöhung der Staatsverschuldung über die bestehende Größe von 2,01 Billionen Euro hinaus. Dazu werden noch Beitragserhöhungen zur Deckung des angekündigten Fonds von 700 Milliarden an die Europäische Union kommen.
Ein Grundproblem für die Volkswirtschaft besteht darin, dass die Gelder des Verteidigungshaushalts nicht einem Bereich zufließen, der reproduziert, sondern ein reiner Verbraucherbereich im Sinne des Kapitalkreislaufes ist. Dazu kommt, dass im Ernstfall für die Volkswirtschaft noch materielle Zerstörungen eintreten, die zur Wiederherstellung Investitionsmittel benötigen.
Historisch diente die Inflation in Deutschland, um staatliche Schulden nach dem 1. Weltkrieg abzutragen. Nach dem 2. Weltkrieg wurden ein Teil der Kriegsschulden erlassen, mit dem Hintergrund, dass sich die BRD im Ost: Westkonflikt in die „westliche Welt“ einordnet. Das war neben dem Kredit im Rahmen des Marshallplans die Eintrittskarte in die NATO.
Die Inflation und die Verschuldung berühren volkswirtschaftliche Dimensionen. Beide sind Instrumente der Finanzwirtschaft und besitzen komplexen Charakter. Verluste können zu bitteren Konsequenzen führen, wie die geschichtlichen Erfahrungen lehren. Sie stehen mit Verteilungs- und Entscheidungsfragen in Berührung, und so mit Systemfragen. Im deutschen Rechtsstaat haftet der Bürger für die Schulden seiner Regierung.
Rechnergestützte Planungen, die die Entwicklung von Disproportionen mit wissenschaftlicher Voraussicht vermeiden, sind eine Alternative. Wirtschafts- und Politikwissenschaften sind gefragt, wie auch Politiker in Parlamenten und der Regierung, die schneller Schlussfolgerungen aus wissenschaftlichen Erkenntnissen zu ziehen vermögen.