Zum wiederholten Male belegt der Fall Julian Assange die These der Rechtslastigkeit der Macht in westlichen Ländern, besonders der USA. Die opferreiche Geschichte Nordamerikas kennt eine Reihe von Beispielen, die bis tief ins 19. Jahrhundert zurückgehen.
Die Ureinwohner der USA erhielten erst 1924 den vollen Status als Staatsbürger des Landes (Snyder Gesetz). Der Raub des Ackerbodens und der Bodenschätze ohne Entschädigung der Ureinwohner ist angesichts noch laufender Verfahren juristisch nicht am Ende. 1847 wurde Krieg gegen Mexiko geführt, das die Sklaverei verboten hatte. Sklaven haltende Farmer in Texas, ein Gebiet, das zu jener Zeit zu Mexiko gehörte, riefen zum Krieg auf, in dessen Folge Mexiko etwa die Hälfte seines Territoriums verlor. Kalifornien, Arkansas, Texas und weitere Gebiete vergrößerten territorial die USA. Der Geist der Sklavenhaltung lebte in der Politik der Apartheit fort. Sie ist noch nicht voll überwunden, wie aktuelle Verhältnisse zeigen.
Im Sog der Charta der Menschenrechte von 1948 und angesichts der verbrecherischen Taten des deutschen Faschismus drängten die USA auf die Durchführung der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse. Ein Novum in der Geschichte der Kriege, dass ein internationales Gericht über Kriegsverbrechen urteilt. Jahre später lehnt es das nordamerikanische Rechtswesen strikt ab, dass eigene Militärangehörige vor den Internationalen Gerichtshof gestellt werden. Kriegsverbrechen in Jugoslawien und zwischen Ländern Afrikas jedoch haben Richter des internationalen Gerichtshofes behandelt. Den jüngsten Aufreger bieten die kriegerischen Handlungen in der Ukraine, wo gefangene Kämpfer aus den USA u.a. Ländern von Russland nicht unter Kriegsrecht gestellt werden sollen. Sie hätten juristisch den Status von Terroristen.
Das Rechtswesen im gegenwärtigen Deutschland, ist nicht von strikter Neutralität gegenüber den Bevölkerungsgruppen gesegnet. Prozesse gegen Großunternehmen enden überwiegend nicht mit einem Urteil, sondern mit Vergleichen. Das Sozialgerichtsgesetz zur Behandlung von Verstößen von Hartz-IV-Empfängern hat über 200 Paragrafen, das Wirtschaftsstrafgesetz dagegen nur 14 geltende Normen.
Für den Normalbürger unbegreiflich ist der zu einer Tragödie angewachsene Fall des Australiers Julian Assange. Ein Journalist, der Verbrechen des US-Militärs der Weltöffentlichkeit bekannt gemacht hat. Eine Pflicht, die von Verfassungen vieler Länder eingefordert wird. Sie ist zudem vom Menschenrecht der Meinungs- und Pressefreiheit gedeckt. Die Freigabe des Auslieferungsantrages der USA Regierung ist ein schwarzer Tag für die englische Justiz, schreibt die Berliner Zeitung vom 18./19. Juni 2022. Kriminell sei nicht die Handlung von Assange, sondern die Taten des Militärs und die Auslieferung.
Der Deutsch-Franzose Stéphane Hessel, der Eleanor Roosevelt geholfen hat die Charta der Menschenrechte fertig zu stellen, hat angesichts des politischen Zustandes der Welt der Jugend zugerufen „Empört Euch“ (Ullsteinverlag, 2011).