Die «ungerechtfertigte und brutale Invasion im Irak» war ein Versprecher von George W. Bush. Er entschuldigte ihn mit seinem Alter.
Helmut Scheben für die Online-Zeitung INFOsperber
In seiner Studie «Psychopathologie des Alltagslebens» führt Sigmund Freud gewisse sprachliche Fehlleistungen auf das Wirken des Unbewussten zurück. Da komme zum Vorschein, was ein Mensch bei sich selbst zensuriert, verschwiegen oder verdrängt habe. Der Wiener Tiefenpsychologe und Kulturtheoretiker hätte wohl – wäre er nicht schon mehr als siebzig Jahre tot – geschmunzelt, wenn er in der Zeitung gelesen hätte, was sich letzten Mittwoch, 18. Mai, in Texas zutrug. Da lieferte nämlich George W. Bush, ehemaliger Präsident der USA, ein kabarettreifes Muster einer Freudschen Fehlleistung.
Bush sprach im nach ihm benannten George W. Bush Institute in Dallas vor einem vollen Saal über die Ukraine und geisselte den russischen Präsidenten, welcher Russland zerstöre und Oppositionelle vergifte. So weit, so erwartbar. Völlig unerwartet holte er dann aber aus zu einer Schimpftirade über die
«Entscheidung eines einzigen Mannes, eine komplett ungerechtfertigte und brutale Invasion des Irak zu starten».
Zwei Sekunden Schweigen im Saal. Dann merkt Bush seinen Fehler und korrigiert: «Ich meine die Ukraine!» Dann murmelt er halblaut wie zu sich selbst «Iraq too, anyway», und als er sich schliesslich gefasst hat, erklärt er grinsend: «Fünfundsiebzig».
Gelächter im ganzen Saal, das Publikum nimmt es als guten Witz. Er wollte wohl darauf hinweisen, dass einem im hohen Alter von 75 Jahren Derartiges mal passieren kann. Kein Stand-up Komiker hätte einen besseren «Slip of tongue» hinbekommen.
Im Irak wird man wohl weniger darüber lachen können als in Texas. George W. Bush hat als Präsident der USA und Oberbefehlshaber der Armee den Angriff auf den Irak im März 2003 zu verantworten. Die Öffentlichkeit wurde damals von der Regierung Bush mit der Lüge getäuscht, Präsident Saddam Hussein sei an den Anschlägen von 9/11 beteiligt gewesen, besitze Massenvernichtungswaffen und sei eine Gefahr für den Westen. Bereits in der ersten Angriffswelle sollen nach vorsichtigen Schätzungen mehr als 100’000 Menschen ums Leben gekommen sein. Im Westen wurden nie offizielle Stimmen vernommen, die forderten, Bush und seine Minister müssten dafür vor Gericht gestellt werden.
George W. Bush ist immer wieder durch frappierende Pannen aufgefallen, die ihn in Widersprüche verwickelten. Unbegreiflich ist zum Beispiel, dass er in seinen Memoiren «Decision Points» in aller Breite schildert, wie er seine eigenen Geheimdienste desavouiert. Diese hatten ihm 2007 einmütig attestiert, dass der Iran seit 2003 die Entwicklung einer Atombombe eingestellt habe. Bush hatte aber seit langem die Trommel gerührt mit der Take-Action-Parole, man müsse den Iran daran hindern, die Bombe zu bauen. Bei einem Treffen in Saudi-Arabien habe er, so schreibt Bush, dem König gesagt, dieses «National Intelligence Estimate» sei von den Geheimdiensten produziert worden: «Darüber bin ich genauso verärgert wie Sie.» Nun sei es nämlich für ihn, Bush, schwieriger geworden, den Iran militärisch anzugreifen.
Gleichermassen entlarvend ist in den Memoiren die Passage, wo Bush schildert, wie bei Besprechungen mit den Armeespitzen unmittelbar nach den Anschlägen von 9/11 diskutiert wurde, ob man nicht nur Afghanistan, sondern gleich auch den Irak angreifen sollte. Verteidigungsminister Donald Rumsfeld sei der Meinung gewesen: «Dealing with Iraq would show a major commitment to antiterrorisme.» (Decison Points S.189) Es gab zu diesem Zeitpunkt keinerlei belastbare Beweise für die Verwicklung der Taliban oder der irakischen Regierung in die Anschläge. Die Szene illustriert, mit welcher Leichtfertigkeit jene sogenannten «Kriege gegen den Terror» geplant und begonnen wurden, die bis heute kein Ende nehmen.
Freudsche Versprecher sind im Übrigen die Juwelen und Muntermacher im faden Einerlei der offiziellen Reden. Und da hatte George W. Bush guten Beistand. Seine Sicherheitsberaterin und spätere Aussenministerin Condoleezza Rice sagte einmal in einer Pressekonferenz: «I told this to my husb. . . ehm. . . my president.»