Der konstituierende Konvent Chiles hat den Entwurf einer neuen Verfassung vorgelegt, über die das Land in einer für den 4. September anberaumten Volksabstimmung entscheiden wird.
Erwähnenswert ist, dass dieses neue Dokument auf völlig demokratische Weise von 154 Wähler:innen, Vertreter:innen des gesamten Landesgebiets, Personen aus den verschiedensten Berufen und Gesellschaftsschichten, zum ersten Mal in der Welt paritätisch von Männern und Frauen und mit 17 Sitzen für Vertreter:innen der indigenen Völker, ausgearbeitet wurde. Schon die Zusammensetzung des Konvents ist äußerst innovativ und entspricht einer für das 21. Jahrhundert sehr typischen Auffassung von Demokratie und Inklusion, die mit den bisherigen traditionellen Verfahren zur Ausarbeitung der Grundrechtecharta in Chile bricht, die ausschließlich von einigen wenigen männlichen Experten und innerhalb von vier Wänden durchgeführt wurden.
Welchen Herausforderungen musste sich der Konvent stellen?
Zunächst einmal hatte der Konvent nur ein Jahr Zeit, mitten in der Covid-19-Pandemie, mit den Kapazitätsproblemen an den Arbeitsplätzen und im Transportwesen, sowie mit allem, was die Einschränkungen mit sich brachten. Er verfügte auch über ein sehr geringes Budget: 12 % des Budgets der Abgeordnetenkammer für ein Jahr, d. h. 8 Mrd. Pesos (ca. 9 Mio. Euro). Natürlich musste er seine eigenen Regeln und Verfahren entwickeln, da es sich um eine noch nie dagewesene Maßnahme handelt, die in gewisser Weise ein Modell darstellt, das studiert und befolgt werden sollte.
An jenem Montag, dem 16. Mai, wurde der Entwurf vorgelegt, und es begann die letzte Phase dieser gewaltigen Arbeit, in welcher der Konvent durch die Bildung von drei Kommissionen neu organisiert wurde: die Kommission für Übergangsnormen, die Harmonisierungskommission und die Präambel.
Was sind die wichtigsten Punkte, die aus diesem Entwurf hervorgehen?
- Er führt uns von einem subsidiären Staat zu einem sozialen und demokratischen Rechtsstaat (der Staat ist der Hauptverantwortliche für die Gewährleistung einer Reihe von Menschen- und Sozialrechten, z.B. die Wahrung der Menschenrechte, Gesundheit, Bildung, Wohnen, Streikrecht und viele andere Rechte).
- der Regionalstaat, die Regionen und Gemeinden erhalten mehr Befugnisse (es werden Regionen und autonome Gemeinden geschaffen). Der Senat wird durch die Kammer der Regionen ersetzt. Der Senat war auch ein Blockierer von Projekten. Die Kammer der Regionen ist eine zweite Kammer, die jedoch stärker auf die Stärkung der Regionen ausgerichtet ist.
- Einheimische Völker: Plurinationaler, interkultureller und ökologischer Staat. Die ursprünglichen Völker werden als Nationen anerkannt, mit kulturellen, historischen und kosmovisionellen Systemen. Sie erhalten gleiche Werte, gleiche Chancen und Möglichkeiten, an den Instanzen der Macht teilzunehmen. Das Recht der Völker auf Land, Territorien und Ressourcen wird anerkannt. Der historische Prozess der Enteignung wird anerkannt, und die Rückgabe von Land wird als bevorzugter Mechanismus vorgeschlagen.
- Nationale Wasseragentur, die erste Priorität der Wassernutzung ist die Nutzung durch den Menschen, die zweite der Gewässerschutz, und danach können Rechte an private Parteien vergeben werden, die „nicht verhandelbar“ sind.
- Justiz: Sie wird demokratisiert.
- Ernährungssouveränität
- Tiere sind fühlende Wesen und ihr Leiden ist zu vermeiden.
- Ökologie: Erkennt den Klimawandel an und übernimmt die Verantwortung, darauf zu reagieren und Maßnahmen zur Erhaltung und Umwandlung von Energie zu ergreifen.
- Sexuelle und reproduktive Rechte, auch das würdige Sterben wird anerkannt.
Die thematischen Kommissionen, an denen der Konvent gearbeitet hat, sind: Politisches System; Verfassungsgrundsätze; Staatsform; Grundrechte; Umwelt; Justizsysteme; Wissenssysteme.
Man kann sagen, dass sich der Entwurf auf das konzentriert, was die Substanz des 21. Jahrhunderts ausmacht, und sich damit auseinandersetzt, was keine andere Verfassung zuvor berücksichtigt hat, insbesondere in Anbetracht des demokratischen und epochalen Charakters dieses neuen Dokuments.
Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Anita Köbler vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!