Am Vortag zum Weltgesundheitstag hat das Bündnis Klinikrettung heute auf seiner Pressekonferenz Bilanz über die Krankenhausschließungen in Baden-Württemberg gezogen. Aktive aus Bürgerinitiativen und Beschäftigte beschrieben die zerstörerischen Konsequenzen der Schließungen für die regionale Gesundheitsversorgung.
Baden-Württemberg ist bundesweiter Spitzenreiter bei Krankenhausschließungen. Acht Baden-Württemberger Krankenhäuser schlossen in den Pandemiejahren 2020 und 2021, weitere mindestens 17 Schließungen drohen aktuell. Bereits jetzt hat Baden-Württemberg mit 508 Betten pro 100.000 die geringste Bettendichte in Deutschland. Dennoch gehen die Klinikschließungen dort weiter, flankiert von fragwürdigen Mega-Bauprojekten für Zentralkliniken.
Befeuert wird der radikale Abbau wohnortnaher Gesundheitsversorgung ausgerechnet von Gesundheitsminister Manfred Lucha. Der Grünen-Politiker wurde daher im Rahmen der Pressekonferenz zum ersten Preisträger der „Goldenen Abrissbirne“ gekürt. Mit diesem Schmähpreis des Bündnis Klinikrettung werden besonders renitente Krankenhausschließer ausgezeichnet. Am morgigen Weltgesundheitstag werden Aktive aus Baden-Württemberg die Trophäe, eine Karikatur der Illustratorin Katharina Greve, persönlich ins Landesgesundheitsministerium in Stuttgart tragen.
Dr. Rainer Neef, Bündnis Klinikrettung:
Die Krankenhauskonzentrationspolitik des Landes geht auf Kosten der wohnortnahen Gesundheitsversorgung. Während gigantische fast 3,5 Milliarden Euro für Zentralkliniken eingeplant sind, wird kleineren Krankenhäusern die notwendige Finanzierung versagt. Neben der Versorgung fallen dadurch medizinische Ausbildungsstätten, Arbeitsplätze und funktionierende Infrastrukturen weg.
Joachim Flämig, Bürgerinitiative Rettet unser Krankenhaus Rosmann-Breisach:
Die Schließungen der Gynäkologie und Allgemeinchirurgie im Krankenhaus Breisach wurden ausschließlich betriebswirtschaftlich begründet. Ein kritischer Blick auf die Bilanzen zeigt jedoch, dass das Krankenhaus wirtschaftlich gar nicht so schlecht da steht. Die Schließungen waren also nicht zwingend, sondern politisch gewollt. Die regionale Bedarfslage der Menschen interessiert die Verantwortlichen offensichtlich nicht.
Jannik Widon, Krankenhausbündnis Bodensee-Oberschwaben und Gewerkschaft ver.di:
Es ist ein Mythos, dass Zentralisierungen dem Personalmangel im Krankenhausbereich abhelfen. Im Gegenteil: Schließt ein regionales Krankenhaus zugunsten einer versprochenen Zentralklinik, verlieren wir viele Beschäftigte, die dem Standort verbunden sind und lange Wege nicht auf sich nehmen wollen. Krankenhausschließungen und Zentralisierung schaffen Unsicherheit und Frustration beim Personal. Die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten verbessern sie nicht. Als Gewerkschaft stellen wir uns deswegen gegen den Kahlschlag.
Auszüge aus der Laudatio der „Goldenen Abrissbirne“ von Laura Valentukeviciute und Dr. med. Bernd Hontschik, Bündnis Klinikrettung:
Manfred Lucha ist seit 2016 Gesundheitsminister in Baden-Württemberg und hat in dieser Zeit schon Beachtliches geleistet. Auf sein Konto gehen seit seinem Amtsantritt 2016 bis 2021 sage und schreibe 26 Krankenhausschließungen. Zum Vergleich: Zwischen 1990 und 2016 wurden in Baden-Württemberg pro Jahr durchschnittlich zwei (genau 1,96) Krankenhäuser geschlossen, seit seinem Amtsantritt hat Lucha das Tempo mehr als verdoppelt: Im Zeitraum 2016 bis 2020 schlossen im Durchschnitt mehr als 4 (4,3) Kliniken jährlich. Und der Minister lässt den Schließungsprozess nicht nur zu, sondern treibt ihn wie kein anderer Gesundheitsminister voran. So hat er jegliche Kritik […] abgeschmettert und sich richtig kämpferisch gezeigt mit den Worten: „Ich warne davor, nur eine Sekunde zu zögern. […]
Den Menschen in Baden-Württemberg wünschen wir derweil vor allem gute Gesundheit, nicht schwanger zu werden, am besten arbeitslose Angehörige, die im Krankheitsfall pflegen können. Und im Ernst der Stunde: Gottes Segen – in ein Krankenhaus schaffen sie es unter diesem Gesundheitsminister vielleicht nicht mehr rechtzeitig.