Die Lügen führen seit jeher zu Bewaffnung und Krieg und die mit Abstand beste Lüge ist die halbe Wahrheit. Friedensarbeit ist zuerst einmal die Suche nach Wahrheit. So ist es Teil der Friedensarbeit die fehlende Hälfte hinzuzufügen.
Hier wird nicht auf die Schrecken des Krieges und auf die Verbrechen der russischen Armee hingewiesen. Das liegt einfach daran, dass jene „Hälfte“ in allen Medien ausgiebig beleuchtet wird.
Zu Beginn des Krieges waren sich alle Militärstrategen einig darin, dass die ukrainische Armee der russischen keinen großen Widerstand entgegenbringen könne. Diese Strategen haben die Waffenarsenale gegeneinander aufgerechnet und dabei kam heraus, dass der Widerstand der ukrainischen Armee in einer offenen Schlacht in zwei-drei Tagen vernichtet gewesen wäre.
Das wusste auch der Präsident Zelensky und sein Militär. Deshalb wurde diese Option von der ukrainischen Militärführung nicht in Erwägung gezogen. Sie wussten von Anfang an, dass militärischer Widerstand ausschließlich unter dem humanen Schutzschild der Zivilbevölkerung möglich sei.
Westliche Militärexperten, die zu Beginn des Krieges eine schnelle Niederlage voraussahen, haben nicht mit der Bereitschaft der ukrainischen Regierung gerechnet die Zivilbevölkerung zu opfern. Die ukrainische Armee hat umgehend auf die Taktik des Guerillakrieges gesetzt, was für die ukrainische Verhältnisse Häuserkampf bedeutet.
Wo also steht die ukrainische Armee? Im Netz und in den Nachrichten werden uns täglich zerbombte zerschossene Wohnblocks, Theater und auch Krankenhäuser gezeigt. Aber es gibt keine Fotos und Videos von Kampfhandlungen (es sei denn aus der Ferne). Wir sehen höchstens hier und da ukrainische Soldaten Schützengräben ausheben. Zigtausende von Handys könnten dokumentieren. Aber kein Foto zeigt uns, dass aus den Wohnblocks geschossen wird. Es ist so offensichtlich, dass die russische Armee von oben aus den Wohnblocks heraus beschossen wurde. Es wäre für die russische Armee militärstrategisch völlig blödsinnig wahllos auf Wohnungen, Theater und Krankenhäuser zu schießen wie uns weißgemacht werden soll.
Nur die Städte bieten der ukrainischen Armee einen gewissen Schutz vor der russischen Satellitenaufklärung. Die Soldaten und zivile Kämpfer können mit öffentlichen Verkehrsmitteln und die Waffen können mit zivilen oder als solche getarnten LKWs bewegt werden. Verteidigungsstellungen in den Wohnblöcken und öffentlichen Gebäuden sind von den Satelliten schwer auszumachen. Die ukrainische Armee (und die zivilen Helfer), versteckt sich in den Wohnblocks und Krankenhäusern und spekuliert auf die Hemmung des Gegners die zivile Bevölkerung anzugreifen und wenn der Gegner es dann doch tut, wird es der Weltöffentlichkeit als Kriegsverbrechen präsentiert.
Jeglicher Missbrauch der Zivilbevölkerung ist ein Kriegsverbrechen; ob sie nun als Schutzschild benutzt oder bombardiert werden, um Soldaten zu treffen.
Der internationale Gerichtshof in Den Haag wird Russland für die Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung zur Verantwortung ziehen. Und Russland wird auf die internationalen Konventionen zum Kriegsrecht hinweisen.
Nach internationalem Kriegsrecht sind Zivilisten, wenn sie bewaffnet sind, nicht mehr vom Kriegsrecht geschützt.
Und weiter, nach internationalem Kriegsrecht haben bewaffnete Zivilisten auch nicht die Rechte von Kriegsgefangenen, solange sie keine Uniform tragen. Nach internationalem Kriegsrecht können sie als Kriminelle behandelt werden.
Das ist selbstverständlich kein Freibrief der russischen Armee ein Land zu überfallen und zum Mord an Zivilisten. Aber eine Regierung, die Waffen an die Zivilbevölkerung abgibt, muss sich bewusst sein, dass diese den ihnen nach Kriegsrecht zustehenden Schutz verlieren und zu Kombattanten werden!
Es ist sehr wahrscheinlich, dass von der russischen Armee schlimme Kriegsverbrechen begangen wurden. Gewiss waren die gefundenen Toten nicht alle bewaffnete Zivilisten. Sich darüber zu wundern hieße aber, den Schrecken des Krieges, wie aller Kriege, zu verkennen. Wenn jetzt Politikerinnen und Militärs sich öffentlich erschreckt von diesen Verbrechen zeigen, dann sind sie entweder dumm oder ziehen ihre Show ab; und dumm sind sie nicht.
Zu Beginn des Krieges haben wir alle die Fotos und Videos gesehen in denen Ukrainer mit bloßen Händen russische Panzer aufgehalten haben. Ein Video wurde viral, in dem ein altes Ehepaar mit Worten und Gesten eine Gruppe russischer Soldaten von ihrem Hof gejagt haben. Es bestand seitens der russischen Führung nicht die Absicht die Ukraine zu zerstören.
Die Ukraine ist angegriffen worden und verteidigt sich gegen den Angreifer. Da gibt es keinen Zweifel. Aber es ist auch wahr, dass die ukrainische Regierung das eigene Volk als Geisel benutzt. Die zivile Bevölkerung ist das Pfand in den Händen der Kriegsparteien.
In diesem Krieg, wie in allen modernen Kriegen, ist es ein militärischer Vorteil beider Seiten Leid und Tod der Zivilbevölkerung als Waffe zu benutzen. Dazu braucht es keine Boshaftigkeit, das ist einfache militärische Logik. Bilder von Tod und Verzweiflung in alle Welt zu senden, ist eine bessere Waffe als ein neuer Panzer. Die zivile Bevölkerung ist das Pfand in diesem Krieg. Das Opfer der Zivilbevölkerung war von Anfang an der dominierende Teil der militärischen Strategie der ukrainischen Führung und sich nicht davon beeindrucken zu lassen, ist jetzt offensichtlich die Strategie der russischen Regierung.
In der Phase, in der die Zivilbevölkerung die Kriegswaffe ist, kann der Angreifer nur gewinnen, indem er diese „Waffe“ zerstört. Im Gegenteil, ganz bestialisch wird es, wenn der Angreifer nicht nur die Zivilbevölkerung als Schutzschild ignoriert, sondern durch gezielte Massaker das selbst als Waffe einsetzt.
Die amerikanische Kriegsführung im Irak, Serbien und Afghanistan hat diese „Schwächung durch Rücksicht auf die Zivilbevölkerung“ umgangen, indem sie erst aus der Luft alles plattgemacht hat, bevor die Panzer einrückten. Aber der amerikanischen Führung war die Zerstörung der Länder letztlich egal; sie hatte diese Länder ja auch nicht einverleiben wollen.
Das alles ist im Außenministerium und im Kanzleramt bekannt. Wie zynisch ist es also vor diesem Hintergrund zu sagen, dass „der Krieg in der Ukraine auf dem Schlachtfeld beendet werden“ müsse.
„Wir werden bis zum Ende kämpfen“, haben wir auf deutschem Boden schon einmal gehört. Der wiederholte Ruf nach dem Einsatz von NATO-Streitkräften, mit den unweigerlichen Folgen die ein solcher Eingriff mit sich bringen würde, zeigt, dass der ukrainische Widerstand seiner Art nach dem Volkssturm näher ist als dem Partisanenkrieg. Die bestimmenden Elemente des Partisanen Kampfes sind die Freiwilligkeit und das Bestreben die Zivilbevölkerung zu schützen.
Jetzt meldet die ukrainische Führung: „Die beste humanitäre Hilfe sind Waffenlieferungen.“ Ein Präsident muss Schaden von der Bevölkerung abwenden und nicht „bis zum Ende kämpfen“, wie er sagt.
Die Hisbollah, ISIS und Taliban wurden dafür kritisiert, dass sie die zivile Bevölkerung als humaner Schutzschild benutzten und Kinder an Waffen ausbilden würden. Nein, es geht nicht darum die ukrainische Regierung mit diesen Organisationen zu vergleichen. Aber wer jetzt Waffen an die Ukraine sendet muss wissen, dass die ukrainische Regierung genau das tut.