Zum Internationalen Frauentag am 8. März lohnt es sich, einen Blick auf die Themen zu werfen, die feministische Organisationen, Frauen und Queers in diesem historischen Moment in Chile auf die Tagesordnung bringen. In diesem Jahr werden besonders die grenzüberschreitenden Kämpfe betont. Nur so könne die Prekarität des Lebens als Folge des Patriarchats überwunden werden.
Im Jahr 2021 haben sich feministische Organisationen vereint, um gegen die Kandidatur des rechten Präsidentschaftskandidaten José Antonio Kast zu kämpfen. Sie haben die Debatte um die neue Verfassung von Anfang an mitbestimmt und eigene Kandidatinnen aufgestellt. Sie haben ihre Vorstellungen für den neuen politischen Rahmen in Chile umgesetzt, indem sie eigene Initiativen in den Verfassungskonvent eingebracht haben. Heute, wenige Tage vor dem Internationalen Frauentag, arbeiten die feministischen Organisationen des Landes unermüdlich weiter. Nun bereiten sie den nächsten „8M“ vor und bestimmen, welche Aspekte sie in einem chilenischen Kontext – und natürlich auch auf weltweiter Ebene – besonders betonen wollen.
Der 8. März wird „immer inklusiver“
Der 8. März ist inzwischen Teil des Gemeinsinns. Für die chilenische Gesellschaft als ganzes ist es keine Überraschung mehr, dass Hunderte Frauen und Queers aller Generationen auf den Straßen sind – nicht nur an diesem spezifischen Datum, sondern den ganzen März über. Sie fordern ein Leben ohne Patriarchat. Und das bedeutet, sichtbar zu machen, dass damit nicht nur gemeint ist, die Beziehung zwischen Mann und Frau zu hinterfragen. Sichtbar werden müssen auch all die Konstruktionen der dahinterliegenden Makrokultur. Darauf haben die Feministinnen im Verfassungskonvent bestanden, als sie etwa die Geschlechterparität und eine Geschlechterparität in allen thematischen Kommissionen des Verfassungskonvents durchgesetzt haben.
Dementsprechend werde auch der 8. März „immer inklusiver“, betont Wayra Villegas, Sprecherin der feministischen Dachorganisation Coordinadora Feminista 8 de Marzo in einem Interview bei Radio y Diario Universidad de Chile. Und auch wenn die Ursprünge dieses Datums im Kampf für die Rechte der Arbeiter*innen liegen, „kann man heute sagen, dass es ein intersektionaler, intergenerationeller, antikapitalistischer und antiextraktivistischer Kampf ist. Denn er versucht, all jenen Problemen und Fragen zu begegnen, die die feministische Bewegung angehen“, erklärt Villegas.
Fahrplan für ein feministisches 2022
In diesem Zusammenhang erläutert die Sprecherin auch, dass die Schwerpunkte dieses feministischen März auf dem 4. Plurinationalen Treffen von Frauen und Queers, die kämpfen, gesetzt wurden. Dort hätten über 50 Organisationen einen „Kampfplan“ für das Jahr 2022 erarbeitet. Er trägt den Titel „Für das Leben, das sie uns schulden“ und sieht eine Strategie auf vier Ebenen vor: Die erste Strategie besteht darin, politische Institutionen mit der Kraft des Feminismus herauszufordern. Zweitens soll die feministische Bewegung die neue Regierung auffordern, die feministischen Mindestmaßstäbe ihres Programms einzuhalten. Drittens gilt es, den Alarmzustand zu erklären sowie aufmerksam und unabhängig vom Staat zu handeln. Zuletzt brauche es eine Strategie für die Territorien, die sowohl auf allgemeine Forderungen als auch auf die der lokalen Aktivist*innen eingeht und von dort aus auf eine Kampagne für das Ja zu einer neuen Verfassung hinarbeitet.
In diesem Sinne sei laut Villegas der Leitsatz der feministischen Mobilisierungen zum 8. März sowie das ganze Jahr über „ein Leben gegen das Patriarchat und den Faschismus“ durch einen grenzüberschreitenden Kampf. „Besonders der weltweite aktuelle Kontext setzt voraus, dass wir auf internationaler Ebene Verbindungen zu allen feministischen Organisationen knüpfen und erhalten müssen. Nur so können wir klar und deutlich sagen: Nichts für den Krieg, alles für das Leben. Denn es ist offensichtlich, dass der grenzüberschreitende Feminismus seine Kämpfe nicht nur auf dem Gebiet eines Staates oder innerhalb einer Grenze, sondern für eine ganze Welt führt. Die Welt braucht heute unsere Hilfe, damit wir sagen können, wie wir Leben möchten und wie wir diese Welt bewohnen wollen. Die Welt, die wir uns als Feministinnen vorstellen, ist eine Welt ohne Grenzen, ohne Xenophobie, ohne Patriarchat, ohne Gewalt an Kindern. Für uns ist auch dieser 8. März also ein Schritt, damit wir alledem im Jahr 2022 etwas näherkommen“, so die Aktivistin.
Die Vergehen der alten Regierung anprangern, die neue Regierung wachsam beobachten
Daniela Osorio, ebenfalls Sprecherin der Coordinadora 8M, fügt hinzu, eines der Ergebnisse des 4. Plurinationalen Treffens sei es gewesen, angesichts des Amtsantritts der neuen Regierung (am Freitag, Anm. d. Übers.) eine wachsame Haltung zu entwickeln. Man müsse aufmerksam beobachten, dass die Krise nicht zum Schaden der Frauen und der Klasse der Arbeiter*innen verlaufe. Im Hinblick auf die aktuelle Regierung unter Sebastián Piñera fordern die Feminist*innen das Justizsystem auf, dass die nun scheidende Regierung „für ihre faschistischen Praktiken, die Menschenrechtsverletzungen, die Gewalt und Militarisierung in Wallmapu, für die politischen Gefangenen und ihre Verantwortung in der Krise um Migrant*innen zahlt“. Auch all diese Themen werden demnach bei den Mobilisierungen im feministischen März präsent sein.
„Diese kriminelle Regierung ist in vielerlei Situationen straflos geblieben. Für uns ist es bei der Demo zum 8. März wichtig, diese Regierung weiterhin anzuprangern. Zu zeigen, dass mindestens wir Feministinnen ihnen die Rechnung für alle die Schikanen an den Menschenrechten und die verschiedensten Formen politischer Gewalt seit der Revolte, aber zum Beispiel auch die anhaltende Militarisierung in Wallmapu, übergeben. Für uns ist es ein sehr wichtiger Aspekt, diese Verurteilung stark zu machen“, so Osorio.