Ex-Präsident Alberto Fujimori ist wieder auf freiem Fuß. Kurz vor Beginn des Prozesses wegen der Zwangssterilisationen von mehr als 2000 Frauen hat das peruanische Verfassungsgericht entschieden, den ehemaligen Präsidenten und Ex-Diktator auf freien Fuß zu setzen und das Urteil, mit dem die Begnadigung Alberto Fujimori aufgehoben wurde, für ungültig zu erklären. Im Dezember 2017 hatte der damalige Präsident des Landes, Pedro Pablo Kuczynski, Ex-Präsident Fujimori begnadigt. Zu dem Zeitpunkt hatte dieser fast die Hälfte seiner Haftstrafe verbüßt. Er war wegen Verbrechen gegen die Menschheit und verschiedener Verbrechen wie Menschenrechtsverletzungen, Veruntreuung, Korruption und Amtsanmaßung zu 25 Jahren Haft verurteilt worden und saß seit 2007 im Gefängnis. Im Oktober 2018 erklärte der Oberste Gerichtshof die Begnadigung für nicht rechtskräftig und ordnete die Fahndung nach dem Ex-Diktator sowie seine sofortige Festnahme an. Der Politiker wurde zwei Monate lang im Krankenhaus behandelt und im Januar 2019 erneut ins Gefängnis verbracht, wo er sich die letzten drei Jahre durchgehend aufgehalten hatte.
Gewählter Präsident, Putschist und Diktator
Am 17.3. hob das Verfassungsgericht auf Antrag von Fujimoris Verteidigung die vom Obersten Gerichtshof 2018 beschlossene Nichtigkeit der 2017 getroffenen gerichtlichen Entscheidung wieder auf und erklärte die von Ex-Präsident Kuczynski verfügte Begnadigung erneut für gültig. Kuczynski selbst war im Oktober 2018 vom Präsidentenamt zurückgetreten, nachdem seine Verbindung zur Odebrecht-Affäre aufgedeckt worden war. Peruanische Verfassungsrechtler*innen argumentieren, das Urteil vom vergangenen Donnerstag verstoße gegen internationales Recht, da Fujimori wegen Verbrechen gegen die Menschheit verurteilt worden sei. Daher wird erwartet, dass der Fall in den nächsten Tagen vor dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte verhandelt und die jüngste Entscheidung des Verfassungsgerichts für nichtig erklärt wird. Für die Dauer des Verfahrens bleibt der 83-jährige auf freiem Fuß. Fujimori regierte das Land zwischen 1990 und 1992 als gewählter Präsident. Durch einen sogenannten Selbstputsch (die Auflösung des Parlaments) setzte er sich selbst an die Spitze einer De-facto-Regierung bis zu seiner Wiederwahl im Jahr 1995. Fünf Jahre später, im Jahr 2000, gewann er die Wahlen erneut, musste aber im November desselben Jahres zurücktreten: Wie in einem im Fernsehen veröffentlichten Video zu sehen war, hatte Vladimiro Montesinos, Fujimoris rechte Hand und de facto Chef des peruanischen Geheimdiensts, Oppositionsabgeordnete offenbar durch satte Bestechungsgelder dazu bewegt, auf die Seite des Präsidenten zu wechseln.
Fujimoris Strafregister – eine kleine Auswahl
Fujimori wurde wegen verschiedener Korruptionsdelikte und Menschenrechtsverletzungen zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt und sollte eigentlich bis 2032 in Haft bleiben. Aus seinem umfangreichen Strafregister sollen ein paar Fälle exemplarisch genannte werden: das Massaker von Barrios Altos im Jahr 1991, bei dem 15 Menschen von der paramilitärischen Organisation Grupo Colina getötet und vier weitere verletzt wurden. Die Gruppe unterstand dem Geheimdienst und wurde von Montesinos angeführt. Bei dem Massaker von La Cantuta im Jahr 1992, bei dem ebenfalls die Organisation Colina beteiligt war, wurden zehn Menschen getötet: Neun Studenten und ein Professor der Universidad Nacional de Educación Enrique Guzmán y Valle wurden von der paramilitärischen Gruppe entführt, gefoltert und ermordet. Fujimori wurde auch wegen der Entführung des Journalisten Gustavo Gorriti und des Geschäftsmannes Samuel Dyer Ampudia für schuldig befunden. Weil er eine Razzia im Haus der Ex-Frau von Vladimiro Montesinos geleitet und manipuliert hatte, wurde er außerdem wegen Amtsanmaßung verurteilt. Dazu wurde er in mehreren Fällen wegen Veruntreuung für schuldig befunden: Kurz vor seiner Flucht erhielt Montesinos noch 15 Millionen Dollar aus der Staatsbank für seine Dienste, ferner hatte Fujimori Telefonspionage gegen Oppositionelle und die Zahlung von Bestechungsgeldern an Medien und an mehrere Kongressabgeordnete verfügt. Außerdem hatte er 122 Millionen Soles aus dem Haushalt der Streitkräfte veruntreut und für den Kauf von Leitartikeln in den so genannten „Chicha-Zeitungen“ ausgegeben, deren Sensationsjournalismus in der Bevölkerung große Verbreitung findet. Wegen der Zwangssterilisierung von von mehr als 2.100 Bäuerinnen in den peruanischen Anden wird weiterhin gegen Fujimori ermittelt. In den Augen der Regierung galt die Vermehrung des bäuerlichen Bevölkerungssektors als Entwicklungshemmnis.