Fred Rose (eigentlich Fishel Rosenberg) war der einzige Kommunist, der jemals in das kanadische Parlament gewählt wurde. Ein Erfolg für die kanadische ArbeiterInnenklasse, der prompt von der Bourgeoisie zunichte gemacht wurde.

Von Andreas P. Pittler

Von Polen nach Kanada

Fred Rose wurde am 7. Dezember 1907 als Fishel Rosenberg im polnischen Lublin geboren, wo er in einer kinderreichen jüdischen Arbeiterfamilie aufwuchs. Wie viele Werktätige sah Roses Vater angesichts der angespannten ökonomischen Situation nach dem Ende des Ersten Weltkriegs in Europa keine Perspektive mehr, weshalb die Familie 1920 nach Kanada auswanderte. Dort besuchte Rose eine jüdische Schule, ehe er mit 18 Jahren in einer Konservenfabrik zu arbeiten begann.

Dort kam Rose in Kontakt mit der verhältnismäßig kleinen kanadischen Kommunistischen Partei, der er sich noch 1925 anschloss. Naturgemäß dauerte es nicht lange, ehe die kanadische Polizei (die berühmten „Mounties“) auf ihn aufmerksam wurde, die ihn spätestens seit 1928 permanent überwachte. Als er 1931 eine Broschüre veröffentlichte, in der er die Sowjetisierung Kanadas propagierte, wurde er prompt wegen „Aufruf zum Aufruhr“ und „Störung der öffentlichen Ordnung“ inhaftiert. Rose war insbesondere dem Premierminister von Quebec ein Dorn im Auge, nachdem Rose in mehreren Artikeln dessen Sympathie für die deutsche Nazi-Regierung publik gemacht und dabei die Verbindungen des Regierungschefs zu Mussolini offengelegt hatte. Und da Rose aktiv für die in Spanien aktiven „Internationalen Brigaden“ warb, war er für das kanadische Establishment buchstäblich ein rotes Tuch.

Engagierter Antifaschist

Genau zu diesem Zeitpunkt übernahm die 1921 gegründete Kommunistische Partei die Stafette und kandidierte erstmals 1930 bei den Parlamentswahlen – wenngleich mit ähnlichem Erfolg wie ihre US-amerikanische Schwesterorganisation. 1930 stimmten landesweit keine 5.000 Menschen für die Kandidaten der CPC, 1935 waren es knapp über 20.000 Voten.

Doch selbst dieser geringe Zuspruch schien die Herrschenden zu beunruhigen, nahmen diese doch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zum Vorwand, die CPC zu verbieten. Um das Verbot zu unterlaufen, gründeten die KommunistInnen die „Progressive Labor Party“, unter deren Fahne Fred Rose 1943 bei einer Nachwahl in Quebec antrat.

Wahlsieg in Quebec

Haushoher Favorit war der Kandidat der regierenden Liberalen Partei, hatte dessen Vorgänger (dessen Tod die Nachwahl erforderlich machte) doch 65 Prozent der Stimmen des Wahlkreises eingeheimst. Die Konservativen rechneten mit einem Drittel der Stimmen, auf Rose hätte wohl kein einziger Buchmacher eine Wette angenommen. Umso erstaunlicher war dann das tatsächliche Wahlergebnis. Auf den Liberalen entfielen 4.200 Stimmen, auf den Konservativen 5.600 Stimmen, auf Rose jedoch 5.789 Stimmen, womit der Kommunist ins Parlament gewählt war. Für die Regierung eine Blamage, die sie noch dazu zähneknirschend erdulden musste, da man mittlerweile mit der UdSSR als Teil des Commonwealth in der Anti-Hitler-Koalition verbündet war. Die Aberkennung eines kommunistischen Wahlsiegs hätte mithin außenpolitische Verwicklungen hervorgerufen, welche die kanadische Regierung (noch) nicht riskieren wollte. Die Zurückhaltung fiel ihr umso leichter, als das Parlament zu Kriegszeiten ohnehin eine überaus nachgeordnete politische Rolle spielte.

Das änderte sich mit dem Sieg der Allierten im Mai 1945. Der kanadische Premier William Mackenzie King wollte den Sieg am Schlachtfeld umgehend in einen an der Urne ummünzen und rief Neuwahlen aus, die am 11. Juni 1945 über die Bühne gingen. Fred Rose erhielt in seinem Wahlkreis in Quebec 40 Prozent der Stimmen und war damit wiedergewählt.

Working Class Hero

Wahlplakat aus dem Jahr 1945. Foto: Public Domain

Medicare

Für Mackenzie King und seine Liberalen hingegen wurde die Wahl zum Desaster. Sie verloren über elf Prozent der Stimmen und 61 Mandate, was die Liberalen davon überzeugte, sich deutlicher als strammrechte Patrioten präsentieren zu müssen. Der Kampf gegen den Weltkommunismus wurde mit einem Mal auch für die Regierung in Ottawa zum Thema. Womit Rose als einziger linker Abgeordneter im Hohen Haus in den Fokus rückte, der als eine seiner ersten parlamentarischen Initiativen eine öffentliche Krankenversicherung und eine flächendeckende Gesundheitsversorgung für die Arbeiterschaft („Medicare-Act“) gefordert hatte.

An dieser Stelle fiel Mackenzie Kings Kabinett eine insgesamt eher ungustiöse Affäre um einen geflohenen Sowjetdiplomaten wieder ein. Igor Gusenko hatte im Juli 1945 um politisches Asyl in Kanada angesucht und sich der Regierung mit „Dokumenten“ angedient, die ein angeblich weitverzweigtes sowjetisches Spionagenetz in Kanada „belegen“ sollten. Im Februar 1946, kurz nach der Medicare-Debatte, geriet auf einmal der Name Fred Rose auf Gusenkos Liste. Rose, so hieß es, habe einen Ring von nicht weniger als 20 sowjetischen Spionen angeleitet.

McCarthy auf kanadisch

Überfallsartig wurde Rose trotz seiner parlamentarischen Immunität mit zahlreichen anderen angeblich auf Gusenkos Liste stehenden linken Persönlichkeiten verhaftet und interniert, ohne dass ihnen das Recht auf einen Anwalt oder auch nur Kontakt zur Außenwelt eingeräumt worden wäre.

Konkret wurde Rose vorgeworfen, er und seine Spione hätten versucht, an die Dokumente des US-amerikanischen (!) Atombombenprogramms (damals verfügte die Sowjetunion noch nicht über diese Waffe) heranzukommen. Unter den Internierten fand sich einer, der schließlich bereit war, gegen Rose auszusagen. Rose hingegen verweigerte seine Teilnahme an dem Tribunal und erklärte, dieses sei nichts als ein politischer Schauprozess gegen ehrliche Arbeiter. Schließlich wurde gegen Rose in Abwesenheit verhandelt. Das kanadische Sondergericht sprach ihn schuldig, Details des kanadischen (!) Sprengstoffprogramms an die Sowjets weitergegeben zu haben und verurteilte ihn zu Gefängnishaft.

Rose wandte sich daraufhin an den kanadischen Parlamentspräsidenten und wies diesen darauf hin, dass er, Rose, ohne Zustimmung des Hauses gar nicht verurteilt werden dürfe, weshalb er im Parlament und nicht im Gefängnis sitzen sollte, bis die Abgeordnetenschaft seine Auslieferung an die Gerichte beschlossen habe. Der Brief wurde ihm ungeöffnet zurückgestellt, stattdessen wurde er offiziell am 30. Jänner 1947 seines Mandats für verlustig erklärt.

Erst nach knapp fünf Jahren wurde Rose 1951 aus dem Gefängnis entlassen, wo seine Gesundheit ernsthaften Schaden genommen hatte. Er versuchte, an seine alten Zeiten als einfacher Arbeiter anzuknüpfen, doch woimmer er hinkam, es wartete bereits eine Abordnung der Mounties auf ihn, um ihn zu schikanieren und potentielle Arbeitgeber vor ihm zu warnen. Die Mounties waren sich auch nicht zu schäbig, die Arbeiter gegen Rose aufzubringen, indem sie ohne Unterlass darauf hinwiesen, dass Rose ein sowjetischer Spion sei.

Zurück nach Polen

Zermürbt von der jahrelangen Verfolgung und der fortwährenden Niederlagen bei seinen juristischen Bemühungen um Rehabilitation, reiste Rose 1953 in die Volksrepublik Polen, um dort seine Gesundheit wiederherstellen zu lassen. Die kanadischen Behörden ließen ihn ziehen, um ihm nach seiner Abreise ohne jede legistische Grundlage die kanadische Staatsbürgerschaft abzuerkennen, was es ihm verunmöglichte, in seine Heimat zurückzukehren und auch seine Versuche beendete, seinen Namen juristisch reinzuwaschen.

Rose ging mittlerweile auf die 50 zu und war des Kämpfens müde. Er fand sich mit den neuen Gegebenheiten ab und blieb in Polen, wo er eine Anstellung als Redakteur der englischsprachigen Zeitschrift „Poland“ fand, deren Ziel es war, polnische Kultur und Politik im Ausland zu propagieren. Er übte diese Tätigkeit bis zu seiner Pensionierung aus, ehe er danach ein unscheinbares Rentnerleben in Warschau führte, wo er 1983 weitgehend unbemerkt starb, ohne jemals wieder nach Kanada zurückgekehrt zu sein.

1957 war die Liberale Partei von der Macht verdrängt worden, und es war ironischer Weise die konservative Regierung John Diefenbakers, die 1958 das sogenannte „Fred Rose Amendment“ erließ, welches die Aberkennung der kanadischen Staatsbürgerschaft generell und definitiv ausschließt. Nicht minder ironisch freilich, dass genau das nach ihm benannte Gesetz nicht rückwirkend angewendet werden durfte, sodass ausgerechnet jene Person, deren Namen es trug, nicht davon profitieren durfte.

Als anlässlich seines Todes 1983 die Debatte um den Fall „Fred Rose“ wieder aufgegriffen wurde, musste die damalige Regierung des liberalen Pierre Trudeau (der Vater des jetzigen Regierungschefs) eingestehen, dass die Unterlagen zum „Fall Rose“ auf wundersame Weise in Verstoß geraten waren. Auch fehlten die entsprechenden Unterlagen in den Akten Mackenzie Kings, sodass Rose nicht einmal posthum Gerechtigkeit widerfuhr.

Auch die Kommunistische Partei Kanadas sollte sich nicht mehr von diesem Schlag erholen. Nur ein einziges Mal, 1974, gelang es ihr, mehr als 10.000 Stimmen auf sich zu vereinigen, doch niemals kam sie auch nur in die Nähe eines neuerlichen Mandatsgewinns. Dennoch tritt sie unverdrossen weiter bei Wahlen an und erzielte beim bislang jüngsten Urnengang 2019 insgesamt 3.905 Stimmen, womit sie um 219 Stimmen hinter den maoistischen „Marxisten Leninisten“ blieben, die gleichwohl ebenfalls keine Gefahr für die rechte Parlamentsmehrheit darstellen. Und da die – angeblich – sozialdemokratisch orientierte „Neue Demokratische Partei“ zuletzt auch deutlich nach rechts gewandert ist, darf sich die kanadische Bourgeoisie freuen. Sie braucht sich vorderhand nicht die Hände schmutzig zu machen, die linke Gefahr in Kanada ist überschaubar – zumindest vorerst.

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