Lehrer*innen in Ungarn wollen streiken. Orbán reagiert mit einer streikverhindernden Verordnung.
Aus Ungarn berichtet Josef Stingl
Trotz „großzügiger Wahlgeschenke“ kommt Viktor Orbáns Wahlkampflokomotive ins Stottern. Die Lehrer*innen machen ihm den Wahlkampf schwer. Sie wurden zwar mit Jahresbeginn mit einer zehnprozentigen Gehaltserhöhung geködert, zeigen sich aber trotzdem unzufrieden: Denn selbst mit dem erhöhten Einkommen haben Lehrer*innen mit einer drei- bis fünfjährigen Berufserfahrung nur ein Grundgehalt in der Höhe des Mindestlohnes für Facharbeiter*innen (rund 720 Euro).
Die Lehrer*innen sind daher kampfbereit. Bereits am 31. Jänner kam es zu einem zweistündigen Warnstreik, für 15. März ist ein ganztägiger Streik geplant. Drei Wochen vor der Wahl gefällt dies Orbán wenig. Wie beim geplanten Fluglost*innenstreik reagierte er daher mit Hilfe der Corona-Notstandsgesetze.
Streikverhindernde Verordnung
Das neue Verordnung der Kinderbetreuung sieht vor, dass die Schüler*innen an allen vom Streik betroffenen Arbeitstagen in Grundschulen zwischen 7.00 und 17.00 Uhr und in den restlichen Schulen zumindest bis 16 Uhr beaufsichtigt werden müssen und zwar von einer qualifizierten Lehrperson. Zusätzlich muss sich jede*r Schüler*in in derselben Gruppe oder Klasse wir vor dem Streik aufhalten, was vorübergehende, streikbedingte Klassenzusammenlegungen verunmöglicht. Die Orbán-Regierung begründet das mit dem „Schutz vor der Ausbreitung der Epidemie“.
Widerstand rührt sich
Als „Gesetzesmissbrauch“ bezeichnet die Lehrer*innengewerkschaft PSZ die neue Kinderbetreuungsverordnung, als „diktatorischen Schritt per Dekret“ die Demokratische Lehrer*innengewerkschaft PDSZ. Zweitere kündigt an, dass sie den Fall vor ein internationales Gericht bringen will.
Auch Lehrer*innen mehrerer Budapester Gymnasien reagierten spontan gegen den „Antistreik-Erlass“. Sie streiken gegen den neuen Streikerlass, der es Lehrern erschwert zukünftig zu streiken. „Das ist ziviler Ungehorsam, das hat nichts mit den Gewerkschaften zu tun“, meint ein Lehrer am Szent-László-Gymnasium in Kőbánya, nachdem er und elf Kollegen am Montag die Arbeit verweigert und einen eintägigen Mini-Streik in der Aula der Einrichtung abgehalten hatten. Am St. Lászlóer Gymnasium prangte am selben Tag das Transparent mit dem Slogan: „Streik ist ein Grundrecht!“