Mit den Black Lives Matter-Protesten wurde die politische Arbeit und der Widerstand Schwarzer Menschen gegen Rassismus auch in Österreich sichtbarer. Begonnen hat diese Arbeit aber schon viel früher.

Von Vanessa Spanbauer (MOMENT)

Nachdem ein Polizeibeamter am 25. Mai 2020 den Afroamerikaner George Floyd in Minneapolis ermordet hatte, trauerten Schwarze Menschen weltweit. Das Video des Vorfalls verbreitete sich auf Social Media. Es löste neben Trauer und Traumatisierung vor allem eines aus – Wut und Widerstand.

Protestschilder schrieben sich wie von selbst, die Social Media-Postings waren im Nu vorbereitet und die Communities standen bereit – der Sommer 2020 traf viele Schwarze Menschen unverhofft aber nicht unvorbereitet. Dass dem jahrzehntelange Arbeit vorausging, ist vielen Menschen bis heute unbekannt. Erst durch #BlackLivesMatter entstand die breitenwirksame Sichtbarkeit für einen Widerstand, der bereits Jahrzehnte im Gange ist.

Das Jahr 2020 als Augenöffner in Bezug auf Rassismus? Das ist eine Erzählung, die für die Mehrheitsgesellschaft stimmt. Doch Schwarze Menschen sprachen bereits lange über die Themen, die #BlackLivesMatter für alle an die Oberfläche spülte.

Eine lange Geschichte des Widerstands

Schwarzer Widerstand tauchte in der Geschichte immer wieder auf. Zuerst vereinzelt. Einen Startpunkt in Österreich bildete Josefine Soliman. Sie wehrte sich bereits im 18. Jahrhundert dagegen, dass ihr Vater, Angelo Soliman, nach seinem Tod ausgestopft und ausgestellt wurde.

Auch rund um 1900 beschwerte sich ein Schwarzer Mann, der bei einer sogenannten “Völkerschau” (einer Art Menschen-Zoo) ausgestellt wurde. Einem anwesenden Autor erzählte er, so wie ihn Europäer:innen gerne sahen und ihn ausstellten – nackt, klischeehaft und in einer Art Dorf mit Hütten – hätte schon in diesen Zeiten niemand mehr auf dem Kontinent gelebt.

Erzählungen des Widerstands finden sich auch in der NS-Zeit. Ein Schwarzer Wiener namens Heinrich Machacek reflektierte öffentlich darüber (hier die Anklage), was dem Nationalsozialistischen Regime seiner Meinung nach auf den Kopf fallen würde – und wie gut die Zeit nach dessen Scheitern für die Arbeiter:innen werden würde.

Schwarzer Widerstand organisiert sich nach Polizeigewalt

Diese Geschichten des individuellen Widerstands wurden spätestens in den 1960ern von Geschichten des Kollektivs abgelöst. Ab diesem Zeitpunkt verbanden sich beispielsweise afrikanische Studierende, die sich für ihre Rechte und gegen Rassismus einsetzten.

Tragisch ist, dass es immer wieder Tode sind, die die Sichtbarkeit von Schwarzen Menschen in der österreichischen Gesellschaft erhöhen. 1999 wird Marcus Omofuma im Rahmen eines Abschiebefluges von Polizisten mit Klebebändern an den Sitz geschnürt. Außerdem wird ihm der Mund verklebt. Infolge dieser Aktion stirbt er in den Händen der Polizei. Eine breit gefächerte Debatte über Polizeigewalt folgt.

Kaum jemand weiß jedoch, dass die erste größere Demo gegen Polizeigewalt gegenüber Schwarzen Menschen bereits fast zwei Monate vor Omofumas Tod stattfand. Schwarze Menschen erlebten diese Art der Gewalt bereits seit einiger Zeit und wehrten sich. Nach Omofumas Tod kam es zum Schulterschluss einiger Vertreter:innen der Zivilgesellschaft mit den Schwarzen Communities. Auch die schlossen sich zusammen und organisierten weitere große Demos. Besonders Pamoja, ein Verein von jungen Schwarzen Menschen stach hervor und startete über zwei Jahrzehnte viele weitere Proteste.

Proteste im Polizei-Visier

Diese Entwicklung war besonders der Polizei ein Dorn im Auge. Und kurz darauf ereignete sich etwas, das Schwarzen Widerstand einige Jahre klein halten sollte: die Operation Spring. Diese Polizeiaktion vordergründig gegen den Drogenhandel nahm gezielt Schwarze Menschen ins Visier und kriminalisierte dabei besonders die Organisator:innen der Proteste. Insgesamt rund 120 Afrikaner:innen wurden oftmals ohne stichhaltige Beweise festgenommen. Viele mussten freigelassen werden, andere wurden schließlich wegen komplett anderer Vorwürfe verfolgt.

Gestützt wurde all das durch die Medien, allen voran die Kronen Zeitung, welche es sich zur Aufgabe machten, die Polizisten als Opfer und den getöteten Omofuma als Täter zu inszenieren. Schwarze Menschen, besonders Schwarze Männer, wurden als kriminell diffamiert und kollektiv als Drogendealer bezichtigt. Die Folgen dieses Bildes in der Gesellschaft wirken auf Schwarze Menschen heute noch nach. Schwarzer Widerstand konnte so für einige Zeit leiser gemacht werden.

Doch dann folgte 2003 ein weiterer Tod, welcher erneut Schwarze Menschen mobilisiert. In der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2003 starb der Student -Seibane Wague im Wiener Stadtpark in den Händen und unter den Füßen von Polizist:innen und Rettungssanitäter:innen. Diesmal trugen einige Medien, wie der Falter und der ORF, zur Aufarbeitung des Falles bei – andere betrieben weiterhin eine Kampagne gegen Schwarze Menschen. Die Plattform “Gerechtigkeit für Seibane” wurde gegründet und forderte Aufklärung und Konsequenzen. Sie kommentierte die Prozesse gegen die Täter:innen über Jahre und organisierte unter dem Motto „Gegen den institutionellen Rassismus“ ebenfalls Demonstrationen.

Omofuma und Wague waren nicht die einzigen

Der Fall George Floyd erinnert Schwarze Menschen in Österreich 2020 an die Fälle von Gewalt durch die Polizei im eigenen Land. Das Videomaterial und Floyds “Ich kann nicht atmen” weckt Erinnerungen. Es erscheint nicht verwunderlich, dass sich die Proteste 2020 nicht nur auf die USA konzentrieren, sondern sehr auch um Österreich gehen. Neben Omofuma und Wague tauchen auf vielen Demoschildern weitere Namen von Betroffenen von Polizeigewalt in Österreich auf. Denn weitere Fälle sind bekannt, die glücklicherweise nicht immer tödlich enden.

Nur zwei Jahre vor #BlackLivesMatter gelangte ein Fall von “Racial Profiling” in die Medien. Eine Praxis bei der besonders Menschen von der Polizei kontrolliert werden, die als nicht-Weiß identifiziert werden, auch wenn es sonst keine weiteren Gründe für die Kontrolle gibt. Das ist ein Aspekt der Gewalt durch die Polizei, den Schwarze Menschen regelmäßig erleben. Als Rapper T-Ser mit ein paar Musikerkollegen ein Meeting in einem Park in Wien Neubau abhält, erscheint bald die Polizei. Diese kontrolliert Weiße Parkbesucher nicht, kontrolliert aber die jungen Schwarzen Männer mehrmals und ruft Verstärkung. Bekannt wurde der Vorfall, da der Musiker die Amtshandlung filmte und auf Instagram veröffentlichte. Unterdem Hashtag #Nichtmituns machten viele Schwarze Menschen weitere Fälle öffentlich und stellten sich gegen diese Art der Kontrollen.

Was nicht ganz neu ist – und was doch

Die Ausweitung der #BlackLivesMatter Proteste auf breitere Themen lässt sich dadurch erklären, dass der Protest gegen Rassismus ebenfalls eine lange Geschichte in Österreich hat. Schwarze Menschen kämpfen seit Jahrzehnten in Österreich gegen Rassismus. Regelmäßig und zahlreich werden Projekte und Initiativen gegründet, welche sich mit der Ungleichbehandlung in der Medienwelt, der Bildung, der Wirtschaft, der Medizin oder der Gesellschaft allgemein auseinandersetzen. Immer wieder wird auf den institutionellen Rassismus verwiesen, der das Leben von Schwarzen Menschen in Österreich nachhaltig beeinflusst.

Neu ist seither vor allem, dass sich auch mehr Weiße Menschen ihrer Privilegien bewusst werden und gegen White Supremacy, also Weiße Vorherrschaft, demonstrieren.

 

 

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