Das Pantanal – das größte Feuchtgebiet der Erde und Heimat einer beeindruckenden Vielfalt an Lebewesen – ist akut bedroht durch Abholzung, zerstörerische Landwirtschaft und die Auswirkungen der globalen Erwärmung.
Am heutigen Welttag der Feuchtgebiete (2. Februar, Anm. der Red.) müssen wir darauf aufmerksam machen, dass dieses wertvolle Gebiet noch gerettet werden kann, wenn Staaten und Regierungen konsequent handeln.
Momentan ist das Pantanal, das sich über Brasilien, Bolivien und Paraguay erstreckt, noch das Zuhause einer reichen Tierwelt. Der weltweit größte fliegende Papagei – der Hyazinth-Ara –, der Mähnenwolf – der größte Wildhund Südamerikas –, und die grüne Anakonda – eine riesige Schlange, die sich von Hirschen ernährt – leben in dieser einzigartigen Region. Außerdem hat es das höchste Vorkommen an Jaguaren auf der Welt.
Sintflutartige Regenfälle schaffen hier jedes Jahr eine Graslandschaft, die von einem Netz aus Wasserläufen überschwemmt wird. Nachdem das Wasser zurückgegangen ist, bleiben so weite Savannen und dichte sogenannte Galeriewälder zurück. Die wassergesättigten Böden sind ein wichtiger Kohlenstoffspeicher, der zur Regulierung des Weltklimas beiträgt. Gleichzeitig bieten sie Nahrung, Wasser und Einkommen für mehr als 1,2 Millionen Menschen.
Das Ökosystem lebt und stirbt mit der Ebbe und Flut der Flüsse. Es hängt von der Dynamik der Überschwemmungen ab, die die Landschaft überfluten und wieder freigeben und so einzigartige Lebensräume schaffen, in denen das Leben gedeihen kann. Doch das brasilianische Pantanal hat seit 1990 74 % seines Oberflächenwassers verloren. Denn die landwirtschaftliche Bewässerung und die durch die Klimakrise angeheizten Waldbrände lassen das Pantanal immer trockener zurück.
Die Flüsse, die das riesige Einzugsgebiet des Feuchtgebiets mit Wasser versorgen, werden zunehmend abgeschöpft, um Nutzpflanzen zu bewässern und Wasserkraft zu erzeugen.
Viele der Dämme sind klein, aber mit 57 Wasserkraftwerken in der Region allein bis zum Jahr 2020 und 88 weiteren geplanten Anlagen verändern sie den Rhythmus des Hochwassers. Auch wenn erneuerbare Energien für unsere Zukunft von entscheidend sind, muss ihre Produktion sorgfältig geplant werden. Andernfalls tragen die Kosten oft lokale Gemeinden und die Natur.
Der Überschwemmungszyklus hielt bisher auch die Landwirtschaft in Schach: Ackerland, das regelmäßig überflutet wird, ist in der Regel keine gute Investition. Doch weil das Pantanal immer trockener wird und die Überschwemmungen weniger extrem sind, zeigen nun auch landwirtschaftliche Akteure gesteigertes Interesse.
Auch wenn das Pantanal noch nicht verloren ist, wurden bereits 60 % des Hochlands nördlich des Feuchtgebiets von der industriellen Sojaproduktion – entsprechend Brasiliens Rolle als größter Sojaproduzent der Welt – in Besitz genommen.
Die Flüsse, die durch die Hochlandfarmen fließen und dort agrochemische Rückstände und Abfälle aufnehmen, werden direkt in das Pantanal gespült und verwandeln das Feuchtgebiet immer mehr in ein riesiges giftiges Sammelbecken.
Trotz des zunehmenden internationalen Bewusstseins für die Bedeutung des Schutzes solcher lebensnotwendigen Ökosysteme hat die rechtsextreme Regierung von Präsident Bolsonaro einen Großteil der ökologischen Fortschritte zerstört, die das Land in den letzten zehn Jahren gemacht hat. Stattdessen ermöglichte der Staat es der Agrar- und Holzindustrie, von seiner Anti-Naturschutz-Agenda zu profitieren.
Neben den Schäden, die durch den ausufernden Sojaanbau verursacht werden, wurden weitere 15 % des Pantanals für die Viehzucht gerodet. Sollte die derzeitige Zerstörungsrate anhalten, wird das Ökosystem bis 2050 praktisch ausgelöscht sein.
Mit fast vier Millionen Rindern allein im brasilianischen Pantanal ist die Viehzucht die Haupteinnahmequelle der Region. Während traditionelle Viehzuchttechniken im Allgemeinen als nachhaltig angesehen werden, sieht es bei der intensiven Rindfleischproduktion Brasiliens in Form von stetig wachsenden Megafarmen ganz anders aus. Durch die Abholzung und Rodung riesiger Vegetationsflächen, die Anpflanzung nicht heimischer Weidegräser und den Einsatz umweltschädlicher Agrochemikalien stellen diese Farmen eine existenzielle Bedrohung für die Menschen und die Tier- und Pflanzenwelt des Pantanals dar.
Insgesamt befinden sich 93 % des brasilianischen Pantanals in Privatbesitz, wovon 80 % für die Viehzucht genutzt werden.
Kein Ökosystem kann diesen Grad der Ausbeutung langfristig überleben. Dieselben Viehzüchter und Landwirte sind zudem mutmaßlich für einen Großteil der Waldbrände verantwortlich, die im Jahr 2020 fast 30 % des Pantanals in Schutt und Asche legten. Man schätzt, dass über 17 Millionen Tiere in diesen Bränden umgekommen sind. Ganz zu schweigen vom Schaden an den indigenen Gebieten im Pantanal – eine Bedrohung für die Identität, das Wissen und die Kultur der Gemeinschaften.
Die brasilianische Regierung muss dem Schutz einzigartiger Ökosysteme wie dem Pantanal Vorrang einräumen. Gleichzeitig müssen wir die Rolle anerkennen, die wir international bei der Zerstörung des Pantanals spielen.
Ein Fünftel der EU-Sojaimporte und 17 % der Rindfleischimporte aus Brasilien können mit der Abholzung in wichtigen Biomen wie dem Pantanal in Verbindung gebracht werden. Das muss dringend gestoppt werden.
Die indigenen Völker des Pantanals erzählen, dass es einst zu viele Jaguare gab, um sie zu zählen. Doch jetzt, wo die Waldbrände und die zügellose Landwirtschaft immer näher rücken, sehen sie jeden einzelnen als Individuum – jeder von ihnen trägt einen Namen. Bald werden auch die letzten dieser Großkatzen verschwunden sein, sollten wir die Vernichtung dieser einzigartigen natürlichen Wildnis nicht eindämmen.
Eliane Xunakalo vom Volk der Kura-Bakairi hat die Hoffnung nicht verloren:
„Dies ist meine Botschaft als indigene Frau. Ich möchte meine Enkelkinder im Fluss sehen, ich möchte das Pantanal so schön sehen, wie ich es mir vorgestellt habe. Den Politikern sage ich Folgendes: Schützt unsere Wälder. Schützt unsere Lebensräume. […] Ihr müsst sie auf nachhaltige Weise nutzen, denn sonst wird es keinen Planeten mehr geben. Es wird kein Wasser, keine Tiere und keinen Wald mehr geben. Ihr müsst uns zuhören.“
Auf der UN-Konferenz für biologische Vielfalt (COP15) in diesem Jahr müssen unsere Staats- und Regierungschefs ehrgeizige politische Maßnahmen ergreifen, um den katastrophalen Verlust der Natur weltweit zu stoppen und umzukehren.
Wir müssen die Biodiversitäts- und die Klimakrise stoppen und unsere Beziehung zu einer lebendigen, gedeihenden Natur neu beleben. Wie die indigenen Völker des Pantanal sagen, die den Rückgang ihrer Jaguar-Populationen beobachten: Es gibt noch vieles, das gerettet werden kann, doch wir müssen jetzt handeln.
Dieser Artikel der Environmental Justice Foundation (EJF) Deutschland ist zuerst im global magazin erschienen.